„Sind Sie ein raffgieriger Egoist, Herr Hanke-Lindemann?“
Interview mit Ruhrhochdeutsch-Macher
Für seine Kritik am Zuschuss-Stopp für das Ruhrhochdeutsch-Festival ist Organisator Horst Hanke-Lindemann auch persönlich angegriffen worden. Im Interview äußert er sich zu den Vorwürfen, spricht über die Geldvergabe für die freie Kunstszene - und verrät, wie viel er selbst verdient.

Horst Hanke-Lindemann an einem ausrangierten Scheinwerfer im Theater Fletch Bizzel: Der 65-Jährige veranstaltet das Ruhrhochdeutsch-Festival und den Geierabend und hat 1985 das „Fletch“ in der Humboldtstraße mitgegründet. © Foto: Peter Bandermann
Er bekomme schon sehr viel Geld aus einem zu kleinen Kultur-Etat und verlange immer mehr – so lautet im Kern die Kritik an Ruhrhochdeutsch-Organisator Horst Hanke-Lindemann. Wir haben ihm im Fletch Bizzel an der Humboldtstraße Fragen gestellt.
Herr Hanke-Lindemann, sind Sie ein raffgieriger Egoist, der auf dem Rücken kleiner Künstler noch mehr Geld einheimsen will?
Nein, das bin ich nicht. Ich verdiene 4100 Euro brutto. Ziehen Sie die üblichen Abgaben ab, wissen Sie, was übrig bleibt. Niemand in dieser Stadt würde für 4100 Euro brutto ein Theater wie das Fletch Bizzel, das Ruhrhochdeutsch-Festival oder den Geierabend veranstalten. Bis vor vier Jahren war ich auf Tournee mit einer Hamburger Theatergruppe und habe gut verdient – es ist genug übrig geblieben, um mal essen gehen, ein Auto kaufen und in einer schönen Wohnung leben zu können. Aber das ist nicht raffgierig.
Bis 2019 wird Ruhrhochdeutsch rund eine Million Euro an Subventionen aus dem Kultur-Etat erhalten haben. Der Rat hat Ihnen niemals einen unbefristeten Zuschuss zugesagt. Könnten Sie sich jetzt nicht zurücklehnen und sagen: Danke für das Geld und die geile Zeit?
Nein, das kann ich nicht. Ich lehne mich jetzt nicht zurück und sage: Ich habe die Million bekommen und halte die Klappe. Ruhrhochdeutsch ist eins der erfolgreichsten Kulturprojekte in Deutschland und in Dortmund sowieso. Und es ist finanziell ausgereizt. Zu keinem Zeitpunkt gab es Gewinne. Im Gegenteil: Die Finanzen haben wir schon mit 10.000 Euro aus dem Fletch Bizzel ausgeglichen. Wir reden von einer Mischkalkulation aus Geierabend, Fletch Bizzel und Ruhrhochdeutsch.
Nirgends können Sie sparen?
Wenn ich die Werbung von 90.000 auf 30.000 Euro kürze, erreiche ich das Publikum nicht. Klar, wir können sagen: Wir machen Ruhrhochdeutsch weiter und gehen in andere Gebäude, zum Beispiel in den Goldsaal der Westfalenhalle. Aber dann ist das nicht mehr Ruhrhochdeutsch und kein Sommerevent in dieser Qualität.
Sie sagen: Mehr als 24 Euro dürfe eine Ruhrhochdeutsch-Karte nicht kosten, weil der Gast mehr nicht zahlen würde. Woher diese Erkenntnis?
Nehmen wir einmal ein Gastspiel von Jochen Malmsheimer. Der spielt bei Eintrittspreisen in Höhe von 24 oder 26 Euro auch in Bochum, Essen, Oberhausen oder Duisburg. Wenn ich 40 Euro verlange, weil es keine Ausfallbürgschaft mehr gibt, überlegt sich der Kunde, ob er lieber in eine andere Stadt fährt.
Warum kommen andere Veranstalter mit 24 Euro aus, Ruhrhochdeutsch aber nicht?
Andere Veranstalter, wie der Bahnhof Langendreer in Bochum oder die Zeche Carl in Essen, haben niedrigere Kosten und wegen größerer Sitzplatzkapazitäten höhere Einnahmen.
Das 24-Euro-Argument zieht nicht. Sie widersprechen sich selbst. Der von Ihnen veranstaltete Geierabend ruft für das 2018er-Programm satte 37 Euro auf und wird sich an hohen Zuschauerzahlen erfreuen. Was kann der Geierabend, wozu Ruhrhochdeutsch nicht in der Lage ist?
Gute Frage. Schlechte Frage. Der Geierabend ist eine riesige Show mit vielen Künstlern und sehr aufwendiger Technik. Es gibt keine Konkurrenz – außer der Stunksitzung in Köln. Der Kunde geht nicht woanders hin, weil es so ein Angebot in der Nähe nicht noch einmal gibt.
Also keine höheren Eintrittspreise für Ruhrhochdeutsch?
Als Metropole müssen wir etwas Besonderes sein. Auch wenn sich mit dem Strukturwandel in Dortmund viel verändert hat: Wir leben immer noch in einer Arbeiterstadt. Ich will hier keine Schickimicki-Bude haben. Es soll schön und verrückt sein. Ich will da die Hartz-4-Empfänger sitzen haben. Auch, wenn sie sich nur den einen Besuch leisten können. Im Spiegelzelt sitzen Leute, die nur Kleingeld haben. Aber wenn SPD und CDU es wollen, dann mache ich die Bude gerne zu.
SPD und CDU?
Ich meine alle. Schreiben Sie: die Politik. Ich bin in der SPD, habe aber gute Kontakte zur CDU, zu den Grünen und zur FDP. Aber hier geht es nicht um irgendeine Partei.
Hilft es, in der SPD zu sein?
Momentan nicht.
Früher mal?
Auch früher nicht. Einem freien Kulturschaffenden kann das eher schaden.
Laut Rats-Beschluss läuft der Festival-Zuschuss aus. Das Aus für Ruhrhochdeutsch?
Soll ich jetzt sagen: Ich mache die Bude zu, damit Sie etwas zu schreiben haben? Diese Erpressungsmethode zieht nicht. Ich kämpfe darum, dass das fortgeführt wird – und das ist auch legitim. Die Stadt unterstützt Ruhrhochdeutsch mit vier Euro pro Sitzplatz. Am Sonntag im Opernhaus klebten 140 Euro unter mir.
Akteure der freien Kulturszene fordern nicht nur eine Debatte über mehr Geld, sondern auch eine gerechtere Verteilung der Zuschüsse. Haben Sie sich in den vergangenen Jahren auch dafür eingesetzt oder nur an das Dreigestirn Fletch Bizzel – Geierabend – Ruhrhochdeutsch gedacht und das Kleinzeug nicht einbezogen?
Alles andere würde ich nicht als Kleinzeug bezeichnen. An Vergabe-Richtlinien war ich nie beteiligt. Die Kulturzentren sitzen einmal im Jahr an einem Tisch und reden. Da geht es nicht darum, wer wieviel bekommt. Es gibt ein Rechenmodell und einen Modus der Stadt: Das Kulturbüro macht die Vorschläge und die Politik entscheidet.
Kaum ein Bürger ist darüber im Bilde, wie ein Künstler oder Veranstalter in Dortmund einen Förderantrag stellen kann. Muss man da Mitglied ...
... einer Sekte?
... nein, Mitglied eines Kultur-Kreises sein, in dem man furchtbar nett zueinander ist?
Nein, nett muss man zu mir schon mal gar nicht sein. Und es gibt keine guten oder schlechten Zusammenschlüsse in Dortmund. In normalen Zeiten haben wir in der freien Kulturszene ein sehr harmonisches Verhältnis. Aber ich bin froh über die aktuelle Berichterstattung und kann jetzt losgehen und wieder kämpfen für die Kultur. Man ist hier ja schon fast eingeschlafen.
Sie haben bereits gesagt, dass eine schwierige kulturpolitische Arbeit nicht dem Filz-Vorwurf ausgesetzt werden dürfe. Wie ist denn wohl der Eindruck entstanden, dass die Verteilung des Geldes in einer geschlossenen Benutzergruppe erfolgt?
Es gibt eine Benutzergruppe, die heißt: Kulturzentrum. Das sind zum Beispiel das Theater im Depot, das Balou in Brackel, wir vom Fletch Bizzel, das Domicil und andere Häuser. Die Politik hat entschieden, dass diese Häuser Geld bekommen, damit sie Personal, Programm und Mieten bezahlen können.
Diese Zentren sind offen für jedermann, außer für Rechtsextremisten. Wo ist das Filz? Und diese Zentren übernehmen kommunale Aufgaben. Was glauben Sie, was passieren würde, wenn diese Zentren schließen und die Stadt die Aufgaben selbst erledigen müsste?
Ab Ende Oktober ist Kurt Eichler nicht mehr Leiter der Kulturbetriebe. Verlieren Sie da einen Flankenschutz?
Einen Flankenschutz brauchten wir in der Kulturszene nie. Nichts würde ich so drehen, dass ich mich von Herrn Eichler, Herrn Stüdemann, Herrn Sierau oder einem Sponsor abhängig machen müsste.
Wie geht es mit Ruhrhochdeutsch weiter?
Das Programm für 2018 steht. Die Bürgschaft der Stadt beläuft sich auf 60.000 Euro.
Was kostet dann eine Karte?
24 Euro. Weil ich mein Publikum mag.