So selbstverständlich wie es aussieht, ist es gar nicht gewesen. Wie Maximilian Derwald lange nicht in das Familien-Bauunternehmen einsteigen wollte und auch Felix Krämer eigentlich was ganz anderes vorhatte, als die Brennerei seiner Eltern weiterzuführen, so hatte auch Maria Freundlieb lange nix mit der von ihrem Vater Michael (68) geleiteten Bauunternehmung am Hut. „Ich wollte nie in die Firma“, sagt die 35-Jährige.
Längst läuft sie aber dynamisch durch das Firmengebäude an der Hörder Burgstraße am Phoenix-See. Immer an ihrer Seite: Oskar, ein vierjähriger Goldendoodle. Der stattliche, gutmütig dreinguckende Hund gibt ihr nicht nur viel Freude, sondern ist gleichzeitig ein guter Ausgleich, wenn man bei einer Runde um den See den Kopf freikriegen möchte: „Nach einem nervenaufreibenden Telefonat schafft Oskar es, dass ich sofort wieder lächeln kann.“
Maria Freundlieb lächelt eigentlich immer. Sie hat Psychologie studiert. In Rheinland-Pfalz. Sie hat ihren Bachelor gemacht und wollte Medienpsychologin werden. „In Paris hab ich dann noch meinen Master in Global Communications erlangt und hab mich eigentlich bei einer Werbeagentur in New York gesehen“, sagt sie.
Verkettung von Zufällen
Das Familienunternehmen war weit weg. Als Kind erlebte sie Freundlieb manchmal sonntags, wenn der Vater sie mit ins Büro nahm und es dort eine Cola gab. „Und als Teenie interessiert man sich nicht dafür, was der Vater macht. Es war dann eine Verkettung von interessanten Zufällen, die mich dann doch in die Firma brachte“, sagt Maria Freundlieb und erzählt: „Ich hatte schon einen Praktikumsplatz in einer Werbeagentur in Düsseldorf bekommen. Bevor ich dort anfing, wurde die aber aufgekauft und ich habe in der Marketingabteilung eines Immobilienunternehmens angefangen. So bin ich ins Thema Immobilien hineingerutscht. Berufsbegleitend hab ich dann noch den Immobilien-Ökonom an der EBZ Bochum gemacht. Das wusste mein Vater schon: Jetzt hab ich sie“.

Am 1. Oktober 2017 ist sie als ganz junge Frau, die überhaupt nicht vom Bau, aber auf jeden Fall hemdsärmelig und zupackend ist, in vierter Generation in das Familienunternehmen eingestiegen. Zwei Jahre später dann stieg sie in die Geschäftsführung auf. Damit war klar, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten wird. „Wir hatten vorher für uns geklärt, dass wir beide das wollen und haben uns dann mit einer Beraterin zusammengesetzt und einen genauen Übergabeprozess aufgesetzt“, sagt Maria Freundlieb.

Bis jetzt läuft alles auf einen reibungslosen Generationswechsel hinaus. Ihr Vater, mit dem sie eine sehr offene Kommunikation und ein fast kumpeliges Verhältnis pflegt, hat sie nie in die Rolle als seine Nachfolgerin gedrängt und ihr von Beginn an freie Hand gelassen. „Heute treffe ich eigene Entscheidungen und informiere ihn. Wir sind gleichberechtigte Gesellschafter. Wir haben einen guten Weg gefunden. Wenn das 125-jährige Firmenjubiläum 2026 ansteht, bekomme ich endgültig allein den Spaten in die Hand“, so Maria Freundlieb.
ADAC an B1 ist der Klassiker
Nur ganz am Anfang, räumt die kommende Chefin ein, habe sie Zweifel gehabt, ob sie wirklich das Familienunternehmen lenken und nicht wie ihre beiden Geschwister ganz was anderes machen soll: „Jetzt weiß ich aber: Es ist die richtige Entscheidung. Noch profitiere ich enorm davon, dass mein Vater als Bauingenieur der Bauexperte ist. In Zukunft habe ich dafür dann einen Oberbauleiter. Es ist sowieso auch anmaßend, zu sagen, dass man als Chefin alles besser weiß. Für mich ist wichtig, das Gesamtbild zu sehen und ein tolles Führungsteam aufzubauen. Man muss sich selbst ersetzbar machen.“

ln einem Besprechungsraum hängt auf Acrylglas ein Großformat vom Vertikum, einem Düsseldorfer Büro- und Geschäftsgebäude, an der Wand. „Das ist wegen seiner Ästhetik neben unserem Klassiker ADAC an der B1 eines meiner Lieblingsgebäude von uns“, sagt Maria Freundlieb. Für ein anderes muss sie nur aus dem Fenster schauen: das KPS-Kontor am Kai am Phoenix-See. Und nicht weit davon entfernt entsteht gerade am Südtor das künftige Bürogebäude für die Dortmunder Krankenkasse BIG direkt. Gerade fertig geworden und bezogen ist auf der Stadtkrone-Ost der Adesso Campus 3.
„Unser Glück ist“, sagt Maria Freundlieb, „dass wir schon sehr lange am Markt sind und über viel Erfahrung verfügen, die unsere Kunden jetzt in dieser herausfordernden Zeit mit gestiegenen Baukosten und Zinsen zu schätzen wissen. Deshalb haben wir nach wie vor gute Aufträge. Froh sind wir, als Generalunternehmer gerade das genossenschaftliche Wohnprojekt Grüner Weiler mit über 100 Wohnungen in Münster realisieren zu können. Der Auftrag kam noch zu einem guten Zeitpunkt. Außerdem bauen wir auch für den eigenen Bestand - etwa das Gebäude für die BIG. Darüber hinaus versuchen wir auch Themen neu zu denken, so haben wir das Vertikum in einem Joint Venture mit einem anderen Projektentwickler realisiert.“
Alpaka-Liebhaberin
Sie muss also schon als junge Unternehmerin das Krisenmanagement lernen. „Als ich angefangen bin, war die Zeit für die Baubranche noch Bombe. Dann kam die Corona-Pandemie, die uns relativ verschonte, mit der wir aber neue Büro-Konzepte umsetzen und die Firma auch fürs Homeoffice funktionsfähig bekommen mussten. Mit dem Krieg in der Ukraine und seinen Folgen wurde der Druck in der gesamten Baubranche groß. Wir haben 72 Leute, die gut beschäftigt werden müssen“, sagt Maria Freundlieb.

Ansonsten kann sich Maria aber auch über seine Expertise hinaus hervorragend auf ihren Vater verlassen, wenn sie ihm beispielsweise seinen „Enkelhund“ zwischendurch anvertraut. Vater Michael war auch dabei, als Maria während eines Familienurlaubs in Peru zu einer Alpaka-Liebhaberin wurde. „Und mit Oskar hab ich wohl einen Hund, der am nächsten am Alpaka ist“, sagt Maria Freundlieb und streichelt das dichte, wollig-gelockte Fell des süßen Vierbeiners.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel ist erstmals am 26. April 2024 erschienen.