Kommentar: „Der Kirchentag hat Dortmund zu einer besseren Stadt gemacht“

Evangelischer Kirchentag

Seit der Kirchentag am Mittwoch begonnen hat, ist Dortmund eine andere Stadt geworden. Die mehr als 100.000 Gäste haben etwas Unbezahlbares mit nach Dortmund gebracht, meint unser Autor.

Dortmund

, 21.06.2019, 12:37 Uhr / Lesedauer: 2 min
Die offenen, freundlichen Menschen jedes Alters, die zum Kirchentag gekommen sind, haben Dortmund in eine andere, bessere Stadt verwandelt.

Die offenen, freundlichen Menschen jedes Alters, die zum Kirchentag gekommen sind, haben Dortmund in eine andere, bessere Stadt verwandelt. © Stephan Schuetze

Man sieht es, man hört es, man spürt es überall. Mit dem Kirchentag ist eine einzigartige Atmosphäre in Dortmund eingezogen. Das hat vor allem einen Grund: Es sind die Menschen, die hierhin gekommen sind, und wie sie einander begegnen.

Anders als so mancher das erwartet haben mag, ist der Kirchentag keine Veranstaltung für grauhaarige Menschen, die als Letzte ihrer Art hierhin geströmt sind, um sich noch einmal vor dem Untergang der Kirchen zu vergewissern, dass es sie noch gibt. Es ist eine überaus lebendige Mischung aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen jeden Alters, die die Straßen und Plätze der Stadt beleben.

Einer hilft dem anderen

Und diese Menschen begegnen einander mit Respekt, Freundlichkeit und einer Offenheit, die ansteckend ist. Nur einige Beispiele. Am Donnerstagabend stand ein blinder junger Mann allein am Bahnsteig in Herdecke und wollte nach Dortmund. Orientierungslos tastete er sich über den Bahnsteig. Ein älterer Herr sah das, sprach ihn an, ob er helfen könne. Man tauschte Vornamen aus: „Wir fahren zusammen“, sagte der Ältere zum blinden Jüngeren, nahm ihn am Arm und plaudernd zogen sie ihres Weges.

Donnerstagabend am Stadtbahnhof Westfalenhalle. Der Bahnsteig ist voll, ein Ordner achtet an der Bahnsteigkante auf die Sicherheit. „Sie haben ja einen tollen Job“, sagt ein Kirchentags-Teilnehmer bemitleidend. Der Sicherheitsmann strahlt über das ganze Gesicht. „Wieso? Ist heute wie Urlaub. Keine Schlägerei!“

Freitagmorgen in der U-Bahn: Eine Muslima aus Kirchlinde sitzt im Bus zufällig neben Kirchentagsbesucherin aus Thüringen. Sofort beginnt ein Gespräch über Veranstaltungen, bei denen sich Besuch lohnt, über den Koran und Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur Bibel. Ohne Hetzerei, ohne Vorurteile, ohne Hintergedanken.

Ein unglaublich friedliches Fest

In der Tat, es ist ein unglaublich friedliches Fest. Die Polizeit ist entzückt. So eine Riesenveranstaltung mit so vielen Menschen – und alles läuft in einer stoischen Gelassenheit ab. Da kennt man in Dortmund ganz anderes. Da singen Chöre in der U-Bahn, trompetet ein Posaunenchor auf dem Westenhellweg, da hockt eine Gruppe Jugendlicher in einem Kreis auf dem Rasen des Stadtgartens, einer spielt Gitarre, es wird gemeinsam gesungen. Da setzen sich einander völlig Unbekannte nebeneinander und sprechen nach wenigen Minuten im wahrsten Sinne über Gott und die Welt. Und an jeder Stelle und überall all die jugendlichen Helfer, die Hinweisschilder halten und im Minutentakt Besuchern bei ihren Fragen, großen und kleinen Problemen helfen.

Wie schön, dass Ihr da seid

Ja, die U-Bahnen, Züge und Busse sind voll, Veranstaltungen sind überfüllt, manchmal wünschte man sich dieses oder jenes anders und an Essensständen bilden sich lange Schlangen. So ist das halt, wenn viele Menschen in der Stadt sind. Aber was fehlt, ist das Geschubse, das aggressive Drängeln und Motzen, das einem den Alltag sonst so oft verleidet.

Die Gäste haben Dortmund zu einer anderen, einer besseren Stadt mit einer Wohlfühlatmospäre gemacht, die unbezahlbar ist. Beim Gang durch die Stadt möchte man den Kirchentags-Gästen einfach nur zurufen: Wie schön, dass Ihr da seid!

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