Kommentar: „Der Kirchentag war jeden Cent wert“
Evangelischer Kirchentag
Mit Freiluft-Gottesdiensten ist der Evanglische Kirchentag in Dortmund zu Ende gegangen. Fünf Tage feierten 121.000 Gäste ein Glaubensfest. Unser Autor meint: Der Kirchentag war jeden Cent wert.

Der Evangelische Kirchentag ist in Dortmund Ende gegangen. Es gibt drei wichtige Erkenntnisse, meint unser Autor in seinem Kommentar. © picture alliance/dpa
Fünf Tage lang war Dortmund im Ausnahmezustand. Mehr als 120.000 Gäste haben die Stadt in die größte diskutierende, demonstrierende, appellierende, singende, betende und feiernde Arena der Republik verwandelt. Am Ende bleibt die Frage: Was bleibt? Darauf drei Antwortversuche:
Ein Thema durchdringt alles andere
1. Alle großen gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Themen dieser Zeit haben in Dortmund ihren Platz gefunden. In Foren, Workshops und Bibelarbeiten wurde um Antworten auf die drängendsten Fragen dieser Tage gerungen. Vorneweg die Klimakatastrophe. Die Fridays-for-Future-Bewegung hat den Kirchentag durchdrungen wie der Sauerteig das Brot. Die Flüchtlings- und die Friedensfrage belegten die nächsten Plätze.
Beim Kirchentag gab es – anders als leider so oft im Alltag der Kirchen – keine billigen Antworten auf Fragen, die keiner mehr stellt. Es ging ans Eingemachte, um das, was die Menschen wirklich bewegt. Dabei muss man den Veranstaltern zu Gute halten, dass sie auf Kritik reagierten. So war etwa im Vorfeld bemängelt worden, dass über sexualisierte Gewalt in der Kirche nicht explizit gesprochen und Opfer nicht gehört werden sollten. Das änderte man und das war gut so.
Kirche kein dahinsiechendes Relikt
2. Anders als so mancher es erwartet haben mag, war der Kirchentag keine Veranstaltung für grauhaarige Menschen, die sich als Letzte ihrer Art noch einmal vor dem Untergang vergewissern wollen, dass es sie noch gibt. Es war eine überaus quirlige Mischung aus Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen jedes Alters, die Straßen und Plätze belebt haben. Wer auch immer die Kirche schon abgeschrieben hat als ein vor sich hinsiechendes Relikt längst vergangener Zeiten, wurde eines Besseren belehrt.
Kirche präsentierte sich als lebendige, erstaunlich junge, tatendurstige Gemeinschaft, die leidenschaftlich diskutiert und gleich danach einfach im Kreis sitzt und fröhlich singt. Jetzt ist es Aufgabe der Kirche, daraus für den Alltag, für die Arbeit in den Gemeinden vor Ort die richtigen Schlüsse zu ziehen. Schwierig, aber nach den Erfahrungen in Dortmund nicht aussichtslos.
Die wichtigste Erkenntnis
3. Die wichtigste Erkenntnis zum Schluss. Der Kirchentag hat gezeigt, wie achtsam Menschen miteinander umgehen können. Nicht nur, dass es ein in jeder Hinsicht friedliches Fest war. Nicht nur, dass es keine Müllberge gab wie sonst bei Massenveranstaltungen. Und nicht nur, wie geduldig man reagierte, wenn U-Bahnen, Züge und Busse verstopft, Veranstaltungen überfüllt waren, es bei diesem und jenem hakte.
Das wirklich Beeindruckendste war die Art, wie die Menschen einander begegneten: offen, freundlich, tolerant, hilfsbereit, geduldig, aufmerksam, aufeinander zugehend. Wäre schön, wenn das immer und überall so wäre.
Im Vorfeld wurde angeprangert, dass Millionen Steuergelder – auch von der Stadt – in diese Veranstaltung geflossen sind. Jetzt muss man sagen: Er war jeden Cent wert, der Kirchentag.