Chronologie des Konflikts Ein Jahr Ukraine-Krieg - die Folgen für Dortmund

Ein Jahr Ukraine-Krieg und die Folgen für Dortmund
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Dortmund im Februar 2022: Die Angriffe der russischen Armee auf ukrainisches Territorium und damit das Leiden unzähliger Menschen haben vor wenigen Stunden begonnen.

Der Friedensplatz füllt sich mit Menschen, 4000 werden es am Ende sein. Zahlreiche blau-gelbe ukrainische Landesflaggen sind zu sehen, auf Schildern steht „Stop War“ oder „Stop Putin“.

Vielen hier steht die Angst um nahe Angehörige und um den Frieden ins Gesicht geschrieben.

Das Leiden beginnt

Ein Jahr später ist immer noch Krieg. Der Konflikt hat ein Ausmaß erreicht, das viele damals zwar erahnt haben mögen, es sich aber vermutlich nicht ausmalen konnten oder wollten.

Kurz nach der Demo im Februar beginnt die große Welle der Hilfsbereitschaft. Hilfsgüter gehen tonnenweise auf den Weg in Richtung ukrainisch-polnische Grenze. Auf dem Rückweg nehmen viele Konvois geflüchtete Menschen mit.

Chaos an der Grenze

Wie aufreibend und teilweise chaotisch die Situation im Grenzgebiet zu Polen ist, wo Tausende stranden, erleben Reporter dieser Redaktion im März 2022. Sie begleiten einen Konvoi aus dem Ruhrgebiet in die Städte Korczowa und Przemysl.

Sie blicken in erschöpfte Gesichter, hören Geschichten von Bombardements und panischer Flucht. Sehen Kinder lachen, weil sie nach Tagen wieder ein gespendetes Kuscheltier in der Hand halten.

Das Schlimmste, berichten viele derjenigen, die rechtzeig rausgekommen sind, seien die Geräusche der Militärflugzeuge und der Luftalarm-Sirenen gewesen.

Frauen mit Kindern

In der Mehrheit verlassen im Februar/März 2022 Frauen mit Kindern das Land. Die Männer müssen bleiben, weil sie für die Landesverteidigung ins Militär eingezogen werden.

Die „Fliegenden Bilder“ auf dem U-Turm zeigten im März 2022. Mittlerweile ist die Beleuchtung in Folge der Energiekrise im Sparmodus.
Die „Fliegenden Bilder“ auf dem U-Turm zeigten im März 2022. Mittlerweile ist die Beleuchtung in Folge der Energiekrise im Sparmodus. © Stephan Schütze (Archiv)

Viele Dortmunderinnen und Dortmunder stellen Wohnraum für die Geflüchteten zur Verfügung. Die Stadtverwaltung aktiviert einen Krisenstab unter der Leitung von Sozialdezernentin Birgit Zoerner.

Es gibt feste Anlaufstellen der Wohlfahrtsorganisationen, etwa am Propsteihof in der Innenstadt.

Ein ganzer Stadtteil

7551 Menschen aus der Ukraine wurden in Dortmund seit dem 24.2.22 registriert. Das entspricht in etwa der Größe der Dortmunder Stadtteile Derne oder Barop. Täglich kommen immer noch 30 bis 50 Menschen in die Beratungsstelle der Caritas.

Aktuell leben noch 5586 Ukrainerinnen und Ukrainer in der Stadt. Rund 2000 sind also in ihre Heimat zurückgegangen oder umgezogen.

Zur Einordnung: Aus allen anderen Nationen zusammen leben rund 7000 Geflüchtete in Dortmund.

Viel private Hilfe

Nach Angaben der Stadtverwaltung leben aktuell 33 Personen in Gemeinschaftsunterkünften, weitere 90 in Wohnungen aus dem Wohnraumvorhalte-Programm.

Monika Nienaber-Willaredt, Dezernentin für Jugend, Familie und Schule, sagt: „Die Aufnahme der Geflüchteten verlief relativ problemlos, denn viele hatten die Möglichkeit, privat unterzukommen.“

Dortmund ist auch in dieser Krisenlage eine „arriving city“, also eine Stadt, die überdurchschnittlich viele Geflüchtete aufnimmt.

Es ergeben sich neue Fragen für die Stadtgesellschaft und für die Systeme. Etwa danach, wo es Schulplätze für die mehr als 1000 geflüchteten Kinder gibt.

Nahezu alle Schulen nehmen Kinder auf, manche bis zu 60 auf einmal. Weiterhin fehlen für „einige“ noch Plätze, so formuliert es die Schuldezernentin im Februar 2023.

Veränderte Sichtweise

Im Frühjahr 2022 verändert sich die Sichtweise auf den Konflikt. Denn seine Auswirkungen spüren nun immer mehr Menschen unmittelbar: an der Tanksäule, auf der Abrechnung des Stromanbieters, beim Einkauf im Supermarkt oder beim Preis für den Döner nach dem Feiern.

Der Begriff „Ukraine-Krise“ löst als Erklärung für Preissteigerungen und neue Energie-Unsicherheiten den Begriff „Corona-Krise“ ab.

Während sich geflüchtete Kinder wie der elfjährige Artur jeden Tag fragen, ob der Vater an der Front noch lebt, diskutiert Dortmund über Folgen für „die Wirtschaft“.

Geschäftsbeziehungen

Diese sind sehr konkret: Geschäftsbeziehungen brechen zusammen, überall steigen Kosten für Energie und Produktion und damit auch die Preise für die Endverbraucher.

Die Stadt Dortmund rechnet bis 2026 mit Kosten für „Unterbringung, Versorgung und Beschulung von Schutzsuchenden“ in Höhe von 81,9 Millionen Euro.

Hoffnung war eine Botschaft eines „Friedensfestes“ im Sommer 2022.
Hoffnung war eine Botschaft eines „Friedensfestes“ im Sommer 2022. © Stephan Schütze (Archiv)

Viele Menschen aus der Ukraine versuchen seit ihrer Ankunft, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das ist trotz erster durch die Arbeitsagentur vermeldeter Erfolge ein langfristiger Prozess.

Zunächst stehen Sprachkurse und Berufsqualifizierung bei den meisten im Vordergrund. Im Januar 2023 waren im Jobcenter Dortmund 1.768 Personen arbeitslos gemeldet. Seit Juni können Ukrainerinnen und Ukrainer Grundsicherung für Arbeitssuchende beantragen.

Wie kann es enden?

Ein Jahr nach den ersten Angriffen werden wieder Menschen auf dem Friedensplatz in Dortmund stehen. Sie werden dort deutlich machen, dass sie ein Ende dieses Krieges fordern.

Wie das möglich sein soll? Die Diskussion darüber ist ebenfalls ein Teil der Entwicklung des vergangenen Jahres.

Das hat Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal spüren müssen, als er für seine im August 2022 öffentlich geäußerte Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine viel Kritik erhielt.

Debatte über Umgang mit Krieg

Das war aber auch zu spüren, als es im Januar 2023 um die Absage eines - mutmaßlich eher russlandfreundlichen - Vortrags zum Thema in den Westfalenhallen ging.

Daran zeigt sich: Die Dortmunder Stadtgesellschaft sollte darauf eingestellt sein, dass sie weiter ein Teil des Konflikts bleiben wird.

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