Großes kulinarisches Kino zu gesalzenen Preisen im Leuthold’s 1910

© Matthias Stachelhaus

Großes kulinarisches Kino zu gesalzenen Preisen im Leuthold’s 1910

rnRestaurant-Check

Die Küche von Leuthold‘s 1910 ist bekannt von vielen kulinarischen Festen am und um den Marktplatz. Und wie ist es im Alltagsbetrieb? Wir waren zum Restaurant-Check dort.

Castrop

, 27.11.2018, 17:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Wie ein klassisches Restaurant sieht das 1910 nicht aus. Eher wie eine Bar. Wenn man durch die große Flügeltür den Gastraum betritt, steht man direkt vor dem für eine Bar namensgebenden langen Tresen. Den Großteil der Tische finden die Gäste auf der Galerie im ersten Stock, einige weitere im Erdgeschoss.

Aber Aussehen hin oder her, das 1910 bietet laut Karte von Frühstück bis zum Abendessen kulinarisch alles, was man in einem Restaurant erwartet. Bekannt ist der Gastronomiebetrieb am Marktplatz unter Leitung von Madeline „Lilly“ Leuthold natürlich auch von ungezählten Veranstaltungen wie „Castrop kocht über“, der Nachtfahrt oder dem Adventszelt.

An diesem kalten Freitagabend wollen meine Begleitung und ich der Küche des 1910 einmal im „Alltagsbetrieb“ auf den Zahn fühlen.

Nach einer freundlichen Begrüßung werden wir zum telefonisch reservierten Tisch im Erdgeschoss geleitet. Stühle und Bänke sind mit bequemen und dicken Polstern bezogen. Die große Fensterfront gewährt Ausblick auf den Marktplatz.

Kleine Karte für jeden Geschmack

Die Abendkarte ist übersichtlich, bietet aber vom Burger (für den kleinen Hunger) über Fisch bis hin zu Wild und Fleischgerichten für jeden Geschmack etwas an. Mit den gefüllten Tortellini mit Ziegenfrischkäse und Rosmarin findet sich auch ein echtes vegetarisches Gericht.

Unsere Wahl fällt auf das Carpaccio vom Rinderfilet mit Balsamico, Parmesan und Rucola (zum Teilen für zwei) zur Vorspeise, das Wiener Schnitzel mit Preiselbeeren, Pommes frites und Beilagensalat und das Filetsteak vom Rind im „BBQ-Style“ mit grünem Spargel und Kartoffelgratin. Meine Begleitung verzichtet hier auf die BBQ-Soße und ordert Kräuterbutter dazu. Die obligatorische Frage nach der Garstufe beantwortet sie mit „Medium Rare“. Das Fleisch sollte im Kern also noch roh aber schon warm sein.

Carpaccio zum Do-it-yourself-Würzen

Dünn geschnitten und bekanntlich gänzlich roh steht etwa eine Viertelstunde später das Carpaccio vom Rind vor uns auf dem Tisch. Das Fleisch hat eine schöne rote Farbe, der dazugehörige Rucola und die Champignons sind frisch, der Balsamico und der Parmesan liefern guten Geschmack, ohne aber zu dominant zu sein. Salz, Kräutersalz und Pfeffer gibt es zum Nachwürzen an den Tisch.

Carpaccio vom Rinderfilet mit Balsamico, Parmesan und Ruccola. Die Champignons gab es sozusagen als Bonus.

Carpaccio vom Rinderfilet mit Balsamico, Parmesan und Ruccola. Die Champignons gab es sozusagen als Bonus. © Matthias Stachelhaus

Rindfleisch schmeckt von Haus aus einfach neutral. Das Carpaccio ist im 1910 nicht vorgewürzt, hier muss man selbst zur Tat schreiten. Das kenne ich anders, allerdings kann so jeder selbst entscheiden, wie er es denn gerne hätte. Dazu gibt es ein Körbchen mit aufgebackenem Baguettebrötchen.

Ein kleiner Kritikpunkt: Die Champignons stehen nicht auf der Karte. Wir werten das fifty-fifty. Ich mag die Pilze, empfinde das als Bonus – meine Begleitung hasst Pilze, ist also nicht so begeistert. Die Pilze lassen sich glücklicherweise leicht aussortieren, also kein Beinbruch. Gut auch, dass wir uns zum Teilen der Vorspeise entschieden haben. Der Teller ist groß und gut gefüllt. Etwas weniger Rucola hätte es auch getan.

Gutes Handwerk auf vielen Tellern

Richtig voll wird unser Tisch dann zum Hauptgang. Denn jede Komponente bekommt ein eigenes Geschirr. Auch Ketchup, Mayonnaise und die Preiselbeeren zu meinem Wiener Schnitzel mit Pommes haben je eigene kleine Schälchen. Klingt nach einer Kleinigkeit, aber so matschen die Pommes nicht nach fünf Minuten durch - finde ich gut. Ein weiteres Detail: der Beilagensalat ist mariniert, die Soße wird nicht einfach darüber gekippt. Ergo hat man Geschmack auf jedem Salatblatt, ohne dass das Ganze in der Tunke schwimmt. Sehr gut.

Das Wiener Schnitzel vom Kalbslachs überzeugt mit tollem Fleischgeschmack, fluffig aufliegender Panade und Preiselbeeren. Dazu gibt es Pommes mit Mayonnaise und Ketchup.

Das Wiener Schnitzel vom Kalbslachs überzeugt mit tollem Fleischgeschmack, fluffig aufliegender Panade und Preiselbeeren. Dazu gibt es Pommes mit Mayonnaise und Ketchup. © Matthias Stachelhaus

Das Highlight sind die beiden Schnitzel auf dem – ich nenne das jetzt mal so – Hauptteller. Gut, das sollte ja auch so sein. Die Panade liegt goldbraun und locker auf dem Kalbfleisch auf. Das Fleisch ist durchgebraten, aber nicht trocken und hat einen angenehmen Fleischgeschmack. Die süß-saure Preiselbeermarmelade gibt dabei einen fruchtigen Kick. Die Pommes sind – einfach gute Pommes. Dennoch schiele ich immer mal wieder fast schon neidisch auf den Teller meiner Begleitung.

Steakvergnügen kommt auch ohne Soße aus

Das Rinderfilet ist – man möge mir die Schwärmerei verzeihen – eine Wucht. Bestellt war die Garstufe Medium Rare und die hat meine Begleitung auch bekommen. Außen gut angegrillt und ganz im Innern noch roh. Das Fleisch ist ordentlich abgeschmeckt und zart. Ein Rätsel soll uns bleiben, wozu man das Filet laut Karte im „BBQ-Style“ mit einer Soße servieren will.

Das Highlight des Abends: Filetsteak vom Rind mit grünem Spargel.

Das Highlight des Abends: Filetsteak vom Rind mit grünem Spargel. © Matthias Stachelhaus

Auch von der Kräuterbutter benötigt meine Begleitung nur wenig. Zusätzlich bekommt sie von der Küche, quasi als Ersatz für die abbestellte BBQ-Soße, ein Jus gebracht. Das wird weitestgehenst links liegen gelassen. Das ist nicht falsch zu verstehen: das Jus ist gut. Aber auch das braucht das Rinderfilet einfach nicht.

Den grünen Spargel beschreibt meine Begleitung als „gut al dente“. Auch das in einem eigenen Schälchen gelieferte Kartoffelgratin überzeugt mit einem eigenen, würzigen Geschmack. Wir tippen hier auf den Käse, sind uns aber nicht ganz sicher, ob es nicht auch an einem Extragewürz liegen könnte.

Warmer Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern

Nach diesem opulenten Hauptgang gibt es den Nachtisch, wie schon die Vorspeise, in einer Portion mit zwei Löffeln. Hier entscheiden wir uns für den Schokokuchen mit flüssigem Kern, der, weil logischerweise frisch gebacken, schon in der Karte mit 15 Minuten Wartezeit angegeben wird. Dazu gibt es Vanilleeis und heiße Kirschen. Ein weiterer Klassiker.

Zum Nachtisch gibt es heiße Kirschen, Schokokuchen mit flüssigem Kern und eine Kugel Vanilleeis.

Zum Nachtisch gibt es heiße Kirschen, Schokokuchen mit flüssigem Kern und eine Kugel Vanilleeis. © Matthias Stachelhaus

Auch bei diesem Gang werden die Komponenten getrennt aufgetischt. Kann man so machen, das Eis mit heißen Kirschen gehört für mich eigentlich in einen Topf. Reine Geschmackssache. Der Kern des Schokoküchleins ist wie angepriesen flüssig, der Schokoladengeschmack intensiv, die heißen Kirschen warten mit einer leichten Zimtnote auf. Das Vanilleeis ist kein Highlight, aber auch keine Billigvariante. Ein gelungener kulinarischer Abschluss.

Der Kern des Schokokuchens ist, wie in der Karte angepriesen, noch flüssig.

Der Kern des Schokokuchens ist, wie in der Karte angepriesen, noch flüssig. © Matthias Stachelhaus

Bezeichnend am Ende unseres Besuchs auch: Wir haben satte drei Stunden im 1910 verbracht. Das kam uns gar nicht so lange vor und für gewöhnlich sind wir auch etwas flotter beim Essen. Wir haben die Zeit also voll ausgekostet.

Der Service

Unsere Bedienung an diesem Abend war, trotz vieler weiterer Gäste im 1910, immer für uns da, ohne dabei aufdringlich zu sein. Wir haben uns beide ausgesprochen wohlgefühlt.

Familienfreundlichkeit

Eine eigene Kinderkarte gibt es im 1910 nicht. Aber auch für kleine Gäste hat die Küche auf Nachfrage etwas in petto, erfahre ich von Koch Pascal Leuthold. Nudeln mit Tomatensoße oder ein kleines Schnitzel mit Pommes sind kein Problem.

Barrierefreiheit

Der Eingang zum 1910 ist ebenerdig. Es gibt Sitzplätze sowohl in der Parterre als auch auf der Galerie, für die man dann allerdings eine Treppe erklimmen muss. Auch die Behindertentoilette ist barrierefrei zugänglich.

Die Preise

In sich hat es an diesem Abend nicht nur das Essen, sondern auch die Rechnung. Eine Vorspeise, zwei Hauptgänge, eine Nachspeise und zwei Cola pro Nase schlagen mit 84,10 Euro zu Buche. Gemessen an dem, was wir nominell und handwerklich vor uns auf den Tellern hatten, empfinden wir das als angemessen. Zugegeben: Andernorts wären wir davon locker zweimal Essen gegangen. Mit einem Burger, der auf Distanz am Nachbartisch betrachtet auch ziemlich appetitlich aussah, wären wir allerdings auch im 1910 mit weniger Geld ausgekommen.

Anfahrt/Parken

Das 1910 liegt zentral, direkt am Marktplatz. Auf diesem kann man, gegen Gebühr, parken. Der Busbahnhof am Münsterplatz und der Bahnhof Süd liegen je etwa fünf Minuten Fußmarsch entfernt.

Das sagt das Netz zu Leuthold‘s 1910

Auf 4,2 von 5 möglichen Sternen schafft es Leuthold‘s 1910 bei den Google-Rezensionen. 173 Nutzer haben hier ihre Bewertung abgegeben.

Bei Tripadvisor kommt das 1910 auf 4,0 von 5 möglichen Punkten, abgegeben von 32 Nutzern. Bei 138 Bewertungen auf der Facebookseite des 1910 ergibt sich ein Durchschnitt von 4,8 von 5 möglichen Sternen (Stand 25. November 2018).

Die einzelnen Meinungen der Bewerter gehen auf allen Portalen mitunter weit auseinander. Von „Super lecker. Der Service ist bemerkenswert.“ bis zu „Leider konnte uns weder der Service, noch die Qualität der Speisen überzeugen.“ ist alles dabei. Für das Frühstück und die wechselnde Qualität des Service gibt es öfter Kritik.

Fazit

Für uns hat an diesem Abend vom Essen über den hervorragenden Service bis zum Ambiente alles gestimmt. Das hat seinen Preis, der für uns in Ordnung geht. Wir werden sicherlich wiederkommen. Wenn auch nicht regelmäßig. Das würde die eigene Haushaltskasse dann doch überstrapazieren. Vom viel diskutierten Frühstück würden wir uns auch gerne mal ein Bild machen.

Restaurant-Infos

Leuthold’s 1910, Am Markt 12, 44575 Castrop-Rauxel. Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 8.30 bis 23 Uhr, Sonntag von 9.30 bis 22 Uhr. Reservierungen unter Tel. (02305) 3096207. Weitere Infos und die Speisekarte findet man auf der Homepage oder Facebookseite des 1910.

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Wie funktioniert der Restaurant-Check? Wir gehen ohne Ankündigung in die jeweiligen Restaurants – als ganz normale Gäste. Wir sind keine Gastro-Experten, sondern einfach Menschen, die gerne an schönen Orten essen. Wir beschreiben die Läden so, wie wir über sie auch mit Freunden und Bekannten sprechen würden. Mit ihren Schwächen, mit ihren Stärken. Ehrlich.
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