Impfgegner hängen antisemitische Parolen an jüdisches Denkmal in Dortmund
Relativierung von Nazi-Verbrechen
An einem Gedenkstein für einen ehemaligen jüdischen Friedhof im Westpark sind antisemitische Parolen aufgetaucht. Sie stammen mutmaßlich von Impfgegnern. Der Inhalt ist brisant.

An einem Gedenkstein für den ehemaligen jüdischen Friedhof im Westpark wurden antisemitische Parolen angebracht, die die Verbrechen der Nationalsozialisten verharmlosen. © Lukas Wittland
Die Bänder, mit denen die Klarsichtfolien befestigt wurden, hängen auch am Dienstagnachmittag noch am Zaun vor dem Gedenkstein für den ehemaligen jüdischen Friedhof am nordöstlichen Ausgang des Westparks. Die beiden Pappschilder mit den antisemitischen Parolen daran sind verschwunden.
In Bezug auf die Corona-Maßnahmen stand auf diesen „Infektionsschutz-Gesetz = Ermächtigungsgesetz. Faschismus durch die Hintertür! 2G. Also heuchelt uns hier kein Gedenken vor!“ und „Gebt euch keine Mühe, denn wir [Anm. d. Red.: Dahinter ist ein Davidstern eingefügt] wissen, was ihr tut!“

Eines der beiden antisemitischen Schilder, das am Gedenkstein für den ehemaligen jüdischen Friedhof im Westpark hing. © privat
Verschwörungserzählungen aus dem Querdenken-Spektrum
Auf den Schildern werden damit Verschwörungserzählungen wiedergegeben, wie sie deutschlandweit auf Demonstrationen von Querdenkern, Impfgegnern und Corona-Leugnern zu sehen sind. Wie lange sie dort gehangen haben, lässt sich nicht genau sagen. Ein Passant hatte sie am Sonntagnachmittag entdeckt und abgenommen.

Der Gedenkstein erinnert an den jüdischen Friedhof, der während des NS-Regimes geschändet und zerstört wurde. © Lukas Wittland
Daraufhin fotografierte er die Schilder und schickte sie an die Beratungsstelle Adira (Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus) in Trägerschaft der jüdischen Gemeinde Dortmund. Die veröffentlichte ein Bild der Schilder auf Twitter.
„Ich gehe nicht davon aus, dass es sich bei der Person, die das dort angebracht hat, wirklich um einen Juden oder eine Jüdin handelt“, sagt Micha Neumann von Adira: „Denn dass dieses Denkmal in dieser Dreistigkeit für Propaganda genutzt wird, ist besonders widerlich und macht solche Aussagen noch problematischer.“
„Diese Personen imaginieren sich als Jüdinnen und Juden“
Die Relativierung des jüdischen Leids unter den Nationalsozialisten ist in der Corona-Pandemie immer wieder aufgetreten. Sogenannte Querdenker zeigten sich etwa mit gelben Davidsternen auf der Brust. Juden hatten diese im Nationalsozialismus zwangsweise tragen müssen.
Der „Judenstern“ setzte die soziale Ausgrenzung, Diskriminierung und Demütigung der jüdischen Minderheit fort. Impfgegner stecken sich die gelben Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ selbst an.
„Diejenigen setzten die Corona-Maßnahmen mit den Ausgrenzungspraktiken der Nationalsozialisten und sich selbst damit mit den Opfern der Faschisten gleich. Diese Personen imaginieren sich als Jüdinnen und Juden“, erklärt Neumann. „In der Wissenschaft wird das auch als Schuldabwehr-Antisemitismus bezeichnet.“
Die Menschen würden damit ihr Denken legitimieren. „Sie müssen sich so nicht mit der Schuld im Nationalsozialismus auseinandersetzen, denn in ihrer Auffassung sind sie ja genauso schlimm dran wie Jüdinnen und Juden damals.“
Polizei prüft den Vorfall
Diese Täter-Opfer-Umkehr gebe es schon lange, sagt Neumann, habe aber eine neue Dimension angenommen. „Der Satz auf einem der Schilder ,Also heuchelt uns hier kein Gedenken vor!‘, soll suggerieren, dass die Stadt und der Staat in der Corona-Pandemie wieder Menschen verfolgen und nur so tun würden, als würden sie ehrlich der Opfer des NS-Regimes gedenken“, sagt Micha Neumann.
„Das verharmlost die Taten der Nationalsozialisten extrem und relativiert das Leid der Juden im Nationalsozialismus. Diese Instrumentalisierung ist ein Hohn für die Menschen, deren Angehörige den Holocaust erlebt haben.“
Adira hat den Vorfall außerdem an die zivilgesellschaftliche Meldestelle für Antisemitismus weitergegeben. Anzeige sei noch nicht erstattet worden. Die Dortmunder Polizei, die durch Anfrage unserer Redaktion auf den Vorfall aufmerksam geworden ist, habe ein Foto der Schilder an den Staatsschutz weitergegeben. Der prüfe sie nun auf eine strafrechtliche Relevanz, teilte ein Polizeisprecher mit.