Für die einen ist es ein Nervfaktor, für die anderen ein Zeichen, dass es in der Stadt vorangeht. Auch 2023 gab es zahlreiche Großbaustellen in Dortmund. Wir ziehen zum Jahreswechsel eine Zwischenbilanz zu den wichtigsten Bauprojekten.
1. Fernwärme-Ausbau
Autofahrer brauchen auf der Lindemannstraße zurzeit viel Geduld. Denn ein Nadelöhr südlich der Kreuzstraße mit einspuriger Verkehrsführung sorgt für regelmäßige Staus in beide Richtungen. Schuld ist eine Baustelle von DEW21: Der Energieversorger strickt hier weiter an seinem Fernwärme-Netz.
Das hat schon in den vergangenen Jahren für viele Baustellen und Verkehrsbehinderungen in der Innenstadt gesorgt. Mehr als 100 Millionen Euro hat DEW21 seit 2018 in den ersten Bauabschnitt für das klimafreundliche Fernwärmenetz in der City und in der Nordstadt investiert.

Jetzt geht es mit einem weiteren Bauabschnitt in der westlichen Innenstadt weiter. Rund 40 Millionen Euro investiert DEW21, um Wohnquartiere im Union- und Kreuzviertel ebenfalls mit klimafreundlicher Fernwärme zu versorgen. Rund 2,5 Kilometer lang ist die neue Haupttrasse, die bis Ende 2025 gebaut wird. Aktuell sind die Lange Straße, die Kuithanstraße und die Lindemannstraße betroffen.
2. Umbauten am Hauptbahnhof
Der Unterschied fällt ins Auge: Hell und freundlich ist der Durchgang für Bahnreisende im Dortmunder Hauptbahnhof geworden, der jetzt tatsächlich wie ein Großstadt-Bahnhof und nicht mehr wie die vielgeschmähte „Pommesbude mit Gleisanschluss“ wirkt.

Das Ziel des 2018 begonnenen Bahnhofsumbaus ist fast erreicht: An dem frisch modernisierten Bahnsteig mit den S-Bahn-Gleisen 6 und 7 fehlt noch der Aufzug. Ansonsten sind alle Bahnsteige vor allem für den Fernverkehr erstmals barrierefrei zu erreichen und ausgestattet.
Die Barrierefreiheit war das wichtigste Ziel des Umbaus. Was noch fehlt, ist die Modernisierung der beiden Kopfbahnsteige für den Regionalverkehr ganz im Süden des Bahnhofs. Am ersten Bahnsteig haben jetzt die Arbeiten begonnen, die dann im Juni 2024 für die Fußball-Europameisterschaft unterbrochen werden. Danach wird das Gesamtwerk, dessen Kosten von 130 auf 210 Millionen Euro gestiegen sind, bis Ende 2024 vollendet.

Eine besonders wichtige Etappe war Ende November die Freigabe des Übergangs zwischen Hauptbahnhof und Stadtbahn nach 18-monatiger Sperrung. Auch hier fehlt noch ein Aufzug. Die Rolltreppen sind installiert, aber noch nicht freigegeben. Aber zumindest ist die direkte Verbindung zur Stadtbahn wieder möglich.
Und die führt zu einer zweiten Baustelle, die im Gegensatz zum Bahnhofsumbau selbst heftige Verspätung hat. Bereits seit 2014 laufen der Umbau und die Erweiterung der U-Bahn-Station Hauptbahnhof, die eigentlich 2019 beendet sein sollte. Aktuell wird aber noch immer am nördlichen Zugang zu den U-Bahnsteigen gebaut. Und auch weite Teile der eigentlich schon fertiggestellten Abschnitte sind zumindest optisch noch ein Provisorium.

Das gilt vor allem für den Bodenbelag. Beim vorgesehenen Natursteinboden gab es erst Lieferprobleme, dann stellte sich bei dem schon verlegten Untergrund heraus, dass er nicht so pflegeleicht ist wie erhofft. Deshalb wurde noch einmal umgeplant. Verschiedene Testfelder wurden angelegt, um einen besonders strapazierfähigen Boden zu finden.

Das Experiment ist inzwischen abgeschlossen, die Entscheidung zum Bodenbelag wurde getroffen, berichtet Stadtsprecher Christian Schön auf Anfrage. „Die Beschaffung der Steine wird derzeit eingeleitet.“ Zur Fußball-EM EURO2024 im Juni 2024 werde die Stadtbahn-Station „einer zweckentsprechenden Nutzung während der für Dortmund bedeutsamen Veranstaltung gerecht werden“. Ganz vollendet sein soll die Erweiterung der U-Bahn-Station Hauptbahnhof dann Ende 2024.
3. B1-Ausbau zur A40
Flexibilität war in den vergangenen Monaten bei Autofahrern auf der B1 im Dortmunder Osten gefragt. In der 9,5 Kilometer langen Baustelle zwischen Stadtkrone-Ost und dem Kreuz Dortmund-Unna wurden immer wieder Fahrspuren und Ausfahrten gesperrt.
Seit 2021 läuft hier der Ausbau der B1 zur A40 mit dann drei statt zwei Fahrspuren in beide Fahrtrichtungen. Aber die Arbeiten sind deutlich im Verzug. Für Oktober/November 2023 war eigentlich angekündigt, die verengten Fahrspuren auf die Südseite zu verlegen. Das ist jetzt für Anfang 2024 geplant.

Die Verlegung des Verkehrs an die Südseite ist nötig, um im Norden die Trasse zu erweitern und Platz für zusätzliche Fahrspuren zu schaffen. Wenn das geschafft ist, werden die provisorischen Spuren hierhin verlegt, um im Süden die neuen Fahrbahnen anzulegen. Trotz der Verzögerungen hält man bei Bauherr Deges bislang am Jahr 2026 für das Ende der Arbeiten an dem zentralen Abschnitt fest.
4. Finale an der Stadtkrone-Ost
Riesige Lärmschutzwände entlang der Stadtkrone-Ost waren der Albtraum der Stadtplaner. Anders als es die Pläne für den Ausbau der B1 zur A40 ursprünglich vorsahen, wird er aber wohl nicht Realität. Denn an der Südseite der B1 wächst eine stattliche Reihe an Bürogebäuden, die die Lärmschutzfunktion für das dahinterliegende Wohngebiet übernehmen.

Ein erstes architektonisches Zeichen setzt hier ein weiterer Bürokomplex für das Software-Haus Adesso. Daneben ist die neue Zentrale der Continentale Versicherungen mit Platz für bis zu 1900 Beschäftigte in die Höhe gewachsen – mit einem 16-geschossigen Büroturm. Im Mai 2024 wurde das Richtfest gefeiert, im Frühjahr 2025 soll der Einzug sein. Bis Ende 2024 entsteht zwischen dem Adesso-Neubau und dem ADAC-Gebäude außerdem der zweiteilige Bürokomplex „SKOffice“ der Harpen-Unternehmensgruppe.
5. EM-Baustellen
Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Das gilt auch die für die Fußball- Europameisterschaft EURO2024, bei der im Juni und Juli 2024 sechs Spiele, darunter ein Halbfinale, in Dortmund ausgetragen werden. Viele Bauprojekte, die für die EM geplant waren, werden aber nicht oder nur zum Teil Realität.
Fertig geworden ist lediglich der erste Bauabschnitt der geplanten Erlebnismeile Strobelallee mit dem Umbau der Straße Am Rabenloh. Der geplante Neubau der Fußgängerbrücke über die B1 ist verschoben worden. Die Erneuerung des Parkleitsystems ist ebenfalls geplatzt.
Und ein schon laufendes Bauprojekt wird nur zur Hälfte vollendet. Denn beim Tunnel Ardeystraße unter der B1 wird bis zur EM nur die östliche Tunnelhälfte für den stadteinwärts führenden Verkehr fertig. Die westliche bleibt zur EM mit nackten Wänden ein Provisorium.

Und auch bei der östlichen Röhre muss man hoffen, dass sie tatsächlich bis zur EM fertig wird. „Bei den Beton-Instandsetzungsarbeiten im Tunnel Ardeystraße gibt es geringe Verzögerungen“, berichtet Stadtsprecher Christian Schön auf Anfrage. Bis zum 1. April sollen sie in der Osttunnelröhre beendet sein. Danach muss dann allerdings noch eine neue Beleuchtung installiert werden. „Die Verkehrsfreigabe ist für Ende Mai 2024 geplant“, kündigt Schön an.
6. Phoenix
An der Ecke Hörder-Bach-Alle / Phoenixsee-Straße wird eifrig gebaut. Die Baustelle für das Büroprojekt „Südtor“ ist eine der letzten am Rande des Phoenix-Sees. Nur ein Gewerbegrundstück ist am Südufer frei, soll 2024 bebaut werden.

Der Nutzer für das „Südtor“ steht schon fest. Im Herbst 2025 zieht hier die Zentrale der BIG-Krankenkasse ein, die ihr bisheriges Domizil am U-Turm aufgibt. In den letzten Zügen liegt die Vollendung des neuen Stiftsquartiers an der Faßstraße. Der Supermarkt Akzenta und die ersten Büroetagen wurden 2023 bezogen, der Wohnbereich folgt.

Viele Baukräne haben sich 2023 auch auf dem Areal Phoenix-West gedreht. Nachdem der Bechtle-Campus und die Erweiterung der Amprion-Zentrale vollendet wurden, ist der neue Sitz des Software-Hauses Materna für rund 1800 Beschäftigte ganz im Westen des Geländes jetzt die größte Baustelle. Ganz im Osten wird im Januar 2024 der dritte Bauabschnitt des „Phoenixwerks“ vollendet.
Highlight des Jahres 2023 war aber zweifellos die Belebung der alten Phoenixhalle mit der digitalen Kunstschau „Phoenix des Lumières“ ab Januar 2023. Auf neue Zukunftsideen warten dagegen immer noch die inzwischen wieder von der Stadt übernommenen Hochofenanlage und das Schalthaus 101.
7. Rathaus
Zwei Jahre sollte die Sanierung des Rathauses dauern. Inzwischen sind drei vergangen und es wird weiter gebaut. Immerhin ist Anfang Dezember das OB-Büro zurückgekehrt. Gearbeitet wird noch am Umbau des Ratssaals, der bis März 2024 vollendet sein soll.

8. Wohnen
2000 Wohnungen sollen pro Jahr in Dortmund neu gebaut werden. 2022 wurde das fast geschafft. Davon kann jetzt keine Rede mehr sein. Die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen ist 2023 drastisch gesunken. Bis Ende September wurden gerade einmal 1047 Baugenehmigungen für neue Wohnungen in Dortmund registriert.

Bei Dortmunds aktuell größtem Wohnungsbau-Projekt, dem Kronprinzen-Viertel auf dem früheren Südbahnhof-Gelände geht es immerhin weiter voran. Die ersten acht Wohnhäuser mit 124 öffentlich geförderten Wohnungen für das Wohnungsunternehmen Vivawest sind bezogen, weitere Wohnkomplexe in Bau. Bis 2026 sollen insgesamt 630 Wohneinheiten entstehen.
9. Boulevard Kampstraße
Mit zwei kleinen Baustellen geht es voran. Der Platz von Netanya wird neugestaltet, am Pylon ist der erste von vier Bauabschnitten vollendet, mit deutlicher Verspätung und drastisch gestiegenen Kosten – von 2,8 auf 6,75 Millionen Euro. Bis zur EM soll der zweite Bauabschnitt fertig sein, bis Anfang 2025 die Abschnitte 3 und 4.
Für den Boulevard gilt ansonsten 2024 eine Baupause wegen der Fußball-EM. Ob es 2025 mit dem zentralen Abschnitt weitergeht, ist noch unklar. Denn die erhofften Fördermittel des Landes gibt es nicht. Und die Zweifel, ob die Pläne überhaupt noch zeitgemäß sind, sind weiter gewachsen.

10. Speicherstraße
Zum Jahresende gab es eine gute Nachricht: Die im August 2022 mit einem ersten Abschnitt vollendete Gestaltung der Hafenpromenade an der Speicherstraße hat den NRW-Wettbewerb „EFRE.Stars 2023“ gewonnen, mit dem gelungene EU-Förderprojekte ausgezeichnet werden.
Auch baulich ging es an der südlichen Speicherstraße 2023 voran. Der Leuchtturm ist mit dem Fraunhofer-Institut bezogen, die Akademie für Digitalität und Theater eröffnet, im „Heimathafen“-Gebäude hat der Betrieb zumindest teilweise begonnen. Der „Lensing Media Port“ soll bis Herbst 2024 vollendet werden.

Ansonsten gibt es für die Entwicklung der Speicherstraße aber neue Fragezeichen wegen der Überlegung, im Norden die Fachhochschule Dortmund anzusiedeln. Die Unsicherheit schlägt auch auf die südliche Speicherstraße durch – etwa bei der Entwicklung des großen Speicherkomplexes unter dem Titel „Hafenforum“. Bleibt zu hoffen, dass sich die Fragezeichen im Laufe des Jahres 2024 auflösen.
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