Ahauser Pfarreiräte fordern Bischof Genn auf, öffentlich Verantwortung zu übernehmen
Katholische Kirche
Deutliche Worte finden die Pfarreiräte der drei katholischen Ahauser Pfarreien zur aktuellen Lage der Kirche. Sie zeigen sich zornig und erschüttert und haben klare Forderungen an Bischof Genn.

Die drei Ahauser Pfarreiräte (in der Montage der frisch gewählte aus St. Mariä Himmelfahrt Ahaus) haben sich zusammengetan für eine sehr deutliche Stellungnahme zur aktuellen Lage der katholischen Kirche. Pfarrer Stefan Jürgens (Foto) übermittelte die Stellungnahme an die Redaktion. © privat/Archiv/Montage Klose
Die drei Ahauser Pfarreiräte der Gemeinden St. Mariä Himmelfahrt Alstätte-Ottenstein, St. Mariä Himmelfahrt Ahaus und St. Andreas und Martinus Wüllen/Wessum haben jetzt eine gemeinsame Stellungnahme veröffentlicht. Deutlich Worte finden die Mitglieder zur aktuellen Lage der katholischen Kirche, und sie nehmen auch Bischof Felix Genn nicht aus der Verantwortung.
„Die Stellungnahme wird am Dienstag auch unserem Bischof überreicht“, schreibt Pfarrer Stefan Jürgens, der für die Pfarreiräte die Stellungnahme an die Redaktion geschickt hat. „Wir möchten zum Ausdruck bringen, dass auch wir die Situation der katholischen Kirche kritisch sehen, aber an unserem Glauben mit Überzeugung festhalten und uns von daher mit Mut und Zuversicht für Kirchenreformen einsetzen“, betont Jürgens.
Die Pfarreiräte sind die demokratisch gewählten ehrenamtlichen Leitungsgremien der Pfarreien. In ihrer Stellungnahme kritisieren die Ahauser Pfarreiräte
beim Umgang mit der Aufklärung sexueller Gewalt in der Kirche „menschliches Versagen einiger unserer Bischöfe“, überhaupt mangelnde Transparenz der Leitungsebene beim Umgang mit Macht, sie erwarten von Bischof Felix Genn, dass er sich öffentlich der Verantwortung stellt.
Seine bisherigen Reaktionen auf die aktuell diskutierten Themen lässt die Ahauser Pfarreirats-Mitglieder vermuten, „dass auch unser Bischof in einer kirchlichen Binnenwelt lebt.“ Sein Schweigen und seine Unsichtbarkeit lasse sie sich fragen, ob sie ihm gegenüber noch loyal sein können.
Selbstkritik üben die Verantwortlichen auch: „Wir bekennen, dass auch wir viel zu lange ein System schweigend mitgetragen haben, das dringender Reformen bedarf.“ Eine Reform sprechen sie in der Stellungnahme sehr direkt an: „Wir fordern, dass Bischöfe in Zukunft von der Kirchenbasis gewählt werden und ihre Amtszeit begrenzt ist.“
Die Stellungnahme im Wortlaut
“Aus christlicher Verantwortung nehmen wir Stellung zur derzeitigen Lage der katholischen Kirche angesichts des sexuellen Missbrauchs, des moralischen und arbeitsrechtlichen Umgangs mit Menschen, die queer empfinden oder leben, sowie der mangelnden Transparenz der Leitungsebene im Umgang mit Macht.
Der Pfarreirat
- Der Pfarreirat ist zusammen mit dem Pfarrer und dem Seelsorgeteam dafür zuständig Kirche vor Ort zu entwickeln und zu gestalten. Dazu gehört vor allem die Aufgabe möglichst vielen Menschen zu ermöglichen, sich einzubringen.
- Außerdem hat der Pfarreirat den Auftrag ein Konzept für die Entwicklung der Seelsorge vor Ort zu entwickeln und umzusetzen, den so genannten Lokalen Pastoralplan.
- Der Pfarreirat ist nicht nur eines von drei leitenden Gremien, sondern sorgt für Vernetzung innerhalb der Pfarrei sowie in Richtung weiterer Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner im Umfeld der Pfarrei (Quelle ehrenamt-bistum-muenster.de)
Wir bekennen, dass auch wir viel zu lange ein System schweigend mitgetragen haben, das dringender Reformen bedarf. Deshalb setzen wir uns für eine glaubwürdige Kirche um des Evangeliums willen ein. Wir glauben an Jesus Christus und möchten wieder mit voller Überzeugung Kirche sein.
Die Enthüllungen um die seit über zehn Jahren nur schleppende Aufklärung der sexuellen Gewalt innerhalb der katholischen Kirche erschüttern uns zutiefst. Die bisher veröffentlichten Gutachten sowie die Aussagen des emeritierten Papstes Benedikt XVI. offenbaren in unseren Augen nicht nur grobe Pflichtverletzungen, sondern menschliches Versagen einiger unserer Bischöfe, die ihre Verantwortung nicht wahrgenommen und sich nicht auf die Seite der Opfer gestellt haben.
Das Ansehen der Institution scheint ihnen wichtiger gewesen zu sein als das Leid der Opfer. Auf der Ebene der Pfarrei leisten wir Präventionsarbeit und haben institutionelle Schutzkonzepte auf den Weg gebracht. Was geschieht auf der Ebene der Bischöfe und in den Strukturen der Kirche insgesamt? Wir erwarten auch von unserem Bischof, dass er sich öffentlich der Verantwortung stellt.
Die Initiativen „#OutInChurch“ und „#liebegewinnt“ haben deutlich gemacht, dass queer empfindende Menschen in der katholischen Kirche nach wie vor moralisch und arbeitsrechtlich diskreditiert werden. Für die ARD-Reportage „Wie Gott uns
schuf“ vom 31. Januar 2022 gehörte auch Bischof Felix Genn zu den 26 Bischöfen, die zu keinem Interview bereit waren. Er hat sich zwar Ende Januar dazu in verschiedenen Medien geäußert, aber wir haben den Eindruck, dass auch unser Bischof in einer kirchlichen Binnenwelt lebt.
Die Außendarstellung der Kirche gehört jedoch zu seinen Aufgaben, er hat die Kirche von Münster zu leiten und zu repräsentieren. Wir erwarten von ihm, dass er nicht ängstlich, sondern beherzt handelt und das kirchliche Dienst- und Arbeitsrecht auch für Seelsorgende anpasst. Dass er sich unseres Erachtens zu aktuellen Fragen nur wenig öffentlich äußert und faktisch unsichtbar bleibt, trifft uns tief und lässt uns fragen, ob wir ihm gegenüber noch loyal sein können.
Der Synodale Weg hat mittlerweile Ergebnisse und konkrete Reformvorschläge hervorgebracht, die für die gesamte Weltkirche Vorbild sein können. Hierzu zählen wir insbesondere die Gleichstellung der Frau auf allen Ebenen und die Freistellung des Pflichtzölibats. Egal, wie Rom reagiert: Wir erwarten, dass unser Bischof die Beschlüsse beherzt umsetzt, den Reformkurs weiterführt und sich hinter die ihm anvertrauten Menschen stellt. Wir wünschen uns an der Spitze des Bistums Münster einen couragierten Mitchristen, mit dem wir uns identifizieren können.
Zuletzt sind wir zornig über das verantwortungslose Verhalten einiger Bischöfe, die das Bild der katholischen Kirche nach außen prägen. Dadurch wird unser Einsatz in den Pfarreien und Gemeinden – das, was wir an Glauben verkünden und an Hoffnung und Liebe leben – zerstört. Es kann nicht sein, dass der Kölner Kardinal sich für so unersetzlich hält, dass er den Kirchenaustritt tausender Christinnen und Christen auch außerhalb seiner Erzdiözese hinnimmt, ohne sich seiner eigenen Verantwortung zu stellen.
Wir fordern, dass Bischöfe in Zukunft von der Kirchenbasis gewählt werden und ihre Amtszeit begrenzt ist. Erst dadurch wird ihre Macht kontrollierbar. Kein Bischof wird dann noch geheimes Wissen oder begangenes Unrecht vertuschen oder mit ins Grab nehmen können. Auch von Bischof Felix Genn fordern wir ein deutliches Wort in der Öffentlichkeit und sichtbare Konsequenzen. Wir sind dankbar, dass er sich bereits für Gewaltenteilung in der Kirche einsetzt.
Wir glauben an Gott, der jeden Menschen gewollt und ihm eine unverwechselbare Würde geschenkt hat. Wir glauben an Jesus Christus, der uns Orientierung gibt und uns ein für alle Mal erlöst hat. Wir glauben an die Heilige Geistkraft, die alles lebendig machen kann – auch die Kirche im 21. Jahrhundert.“