Benedikt Vieth, Direktor des Amtsgerichts Ahaus, ist über die hohe Zahl der Kirchenaustritte aktuell schon erstaunt. Zwei Monate dauert es aktuell, bis man einen Termin bekommt. Das liege zum Teil aber auch an der Corona-Pandemie, erklärt er.

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Zwei Monate Wartezeit für Kirchenaustritt am Amtsgericht Ahaus

rnTerminvergabe online

Die Zahl der Kirchenaustritte am Amtsgericht Ahaus ist im Januar noch einmal nach oben geschnellt. Wer aktuell einen Termin machen möchte, muss Geduld mitbringen.

Ahaus

, 02.02.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Zwei Monate dauert es am Amtsgericht Ahaus aktuell, wenn Gläubige aus der Kirche austreten wollen. Das hat es so noch nicht gegeben. Zumindest kann sich Benedikt Vieth, Direktor des Amtsgerichts, nicht an eine vergleichbare Situation erinnern.

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Im Januar sei die Zahl der Kirchenaustritte noch einmal sprunghaft angestiegen: 114 Austritte seien es im ersten Monat des neuen Jahres gewesen. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2020 waren es 501 Kirchenaustritte. „Und schon das war verglichen mit früheren Jahren deutlich mehr“, sagt er. Im langjährigen Durchschnitt seien immer rund 300 Personen pro Jahr aus einer der Kirchen ausgetreten.

Zeitlicher Zusammenhang mit Skandal im Januar fällt auf

2021 – mit 911 Kirchenaustritten – hatte das Amtsgericht bereits einen deutlichen Zuwachs verzeichnet (unsere Redaktion berichtete). Im gerade abgelaufenen Januar dann noch einmal ein spürbarer Anstieg. Die hohe Zahl der Kirchenaustritte fällt zumindest zeitlich mit den aktuellen Enthüllungen rund um das Missbrauchsgutachten zusammen.

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Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hatte Ende Januar seine Stellungnahme zum veröffentlichten Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising korrigiert: Wie der mittlerweile 94-Jährige, der bereits 2013 sein Pontifikat niedergelegt hatte, da erklären ließ, habe er im Jahr 1980 doch an einer Sitzung teilgenommen, bei der es um einen auffällig gewordenen Priester ging. Zuvor hatte der ehemalige Papst jede Beteiligung an so einer Sitzung abgestritten. In einem Sitzungsprotokoll war er jedoch zweifelsfrei als Teilnehmer geführt.

Menschen geben beim Kirchenaustritt keinen Grund an

Auch wenn es einen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Enthüllungen und den Austritten gibt, mag Benedikt Vieth diesen inhaltlich nicht herstellen: „Die Menschen müssen ja keinen Grund für ihren Austritt angeben“, sagt er. Das Gericht erfasse auch die Konfession nicht, fügt er im Gespräch mit unserer Redaktion hinzu. Auffällig sei eben nur der plötzliche Anstieg im Januar, den es in den Vorjahren so nicht gegeben habe.

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Pro Woche seien aktuell 20 bis 30 Anträge in der Bearbeitung. Für das Amtsgericht sei das durchaus eine Belastung. Gerade aktuell wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie. „Wir müssen eigens einen Saal vorhalten“, erklärt Benedikt Vieth. Auch personell müsse das aufgefangen werden. Deswegen habe das Gericht die Austritte auch auf zwei Tage in der Woche – dienstags und donnerstags – gebündelt.

Zwei Monate Wartezeit: Termine werden online vergeben

Mittlerweile vergebe das Amtsgericht Termine für Kirchenaustritte online. „Das hat die Situation etwas entspannt“, wie er erklärt. Ein Blick in die Terminvergabe am Mittwochnachmittag (2. Februar) bestätigt die Aussage des Amtsgerichts-Direktors: Termine sind erst ab Anfang April wieder frei.

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Der Austritt selbst sei dabei eine Sache von zehn Minuten, wie er erklärt. Ein Verwaltungsakt, der übrigens 30 Euro Gebühren kostet. Termine können online unter www.ag-ahaus.nrw.de gebucht werden. Das Amtsgericht Ahaus ist für die Städte Ahaus, Stadtlohn und Vreden sowie die beiden Gemeinden Heek und Legden zuständig.

Geistlicher von hoher Zahl der Austritte nicht überrascht

Für Stefan Jürgens, Leitender Pfarrer der Gemeinden St. Mariä Himmelfahrt Ahaus und Alstätte-Ottenstein, sind die aktuellen Zahlen keine Überraschung. Mehr noch: Gegenüber unserer Redaktion hatte er schon im Januar erklärt, dass er davon ausgehe, dass nun noch mehr Menschen aus der Kirche austreten werden.

„Natürlich plädiere ich dafür, die Glaubensgemeinschaft und die Institution Kirche voneinander zu trennen“, sagte er da. Allerdings habe er Verständnis für jeden, der diesen Weg nicht gehe.