
© Stephan Rape
46-Jährige kommt nach Beinahe-Unfall mit Schulkindern glimpflich davon
Arnoldstraße
Um ein Haar hätte eine 46-jährige Stadtlohnerin eine Frau und mehrere Kinder auf der Arnoldstraße angefahren. Trotzdem verlief das Nachspiel vor dem Amtsgericht sehr glimpflich für sie.
Ein Beinahe-Unfall mit einer Gruppe Schulkinder und ihrer Betreuerin auf dem Zebrastreifen an der Arnoldstraße in Ahaus brachte jetzt eine 46-jährige Frau aus Stadtlohn vor das Amtsgericht. Die Frage war, ob sie überhaupt geeignet sei, ein Auto zu führen. Die Frau war sichtlich berührt, brach vor Gericht mehrfach in Tränen aus.
Im vergangenen Juni fuhr sie Richtung Innenstadt. Als vor ihr der Bürgerbus am Zebrastreifen halten musste, dachte die Stadtlohnerin offenbar, dass es sich dabei um eine Haltestelle handele. Sie setzte zum Überholen an.
Mitten auf dem Fußgängerüberweg befand sich zu diesem Zeitpunkt eine heute 60-jährige Mitarbeiterin der Pestalozzischule mit einer Gruppe Kinder. „Ich konnte nur noch zwei Kinder zur Seite schubsen“, erinnerte sich die Zeugin aus Ahaus.
Scharfes Bremsmanöver kurz vor dem Zebrastreifen
Die Autofahrerin sei an dem Bürgerbus vorbei gefahren und habe erst kurz vor dem Zebrastreifen gestoppt. „Die musste richtig in die Eisen gehen“, sagte die Zeugin. Das Auto sei bis auf eine Armlänge an sie herangekommen und habe direkt neben dem Bürgerbus gehalten.
Passiert sei – bis auf den riesigen Schrecken nichts. Die Autofahrerin habe dann ihre Fahrt Richtung Innenstadt fortgesetzt. „Recht zügig. Ich hätte ja gut gefunden, wenn sie zumindest gefragt hätte, ob alles in Ordnung ist“, so die 60-Jährige vor Gericht.
Autofahrerin berichtet weinend von Beinahe-Unfall
Die Autofahrerin hatte zuvor weinend erklärt, sie sei bestenfalls mit Schrittgeschwindigkeit auf den Zebrastreifen zugefahren. Sie habe ja zunächst hinter dem Bürgerbus abgebremst.
Auch bei der Weiterfahrt habe sie sich nichts mehr gedacht. In dem Moment vor dem Zebrastreifen habe sie auch keine Kinder gesehen. Viel mehr sei sie weitergefahren, weil sie dem übrigen Verkehr ja komplett im Weg gestanden habe.
Die Schilder an dem Zebrastreifen habe sie nicht gesehen. Sie habe seit 29 Jahren den Führerschein und habe bisher nicht einmal einen Strafzettel für falsches Parken bekommen. Seit der Zustellung des Strafbefehls habe sie große Sorgen vor der Zukunft. „Ohne Führerschein kann ich meinen Job nicht ausüben“, sagte sie – erneut unter Tränen.
Stadtlohnerin auf Führerschein angewiesen
Auch kümmere sie sich um ihre kranke Mutter und sei deswegen auf ein Auto angewiesen. „Und ich hatte mich so darauf gefreut, für meine Nichte beim begleiteten Fahren Beifahrerin zu werden“, sagte sie schluchzend.
Der Richter versuchte, sie zu beruhigen: „Ich sehe ja, dass Sie sich das sehr zu Herzen nehmen.“ Der Verteidiger legte sogar noch nach: Seit der Zustellung des Strafbefehls habe seine Mandantin eine Therapeutin. „Sie hat praktisch kein Leben mehr“, erklärte er. Nicken vom Richtertisch.
Richter nennt Bürgerbus-Fahrer einen „klassischen Knallzeugen“
Der 71-jährige Bürgerbus-Fahrer von damals konnte sich vor Gericht nicht daran erinnern, ob Fußgänger oder gar Kinder auf dem Zebrastreifen unterwegs gewesen waren. Auch an das Bremsmanöver der Frau könne er sich nicht mehr erinnern.
„Die ist bestimmt mit 50 Sachen an mir vorbeigeschossen“, gab er vor Gericht an. Das hatten eine andere Zeugin und die Stadtlohnerin völlig anders geschildert.
Richter und Verteidiger waren sich nach seiner Vernehmung einig: „Ein Paradebeispiel für das schlechteste Beweismittel, das es gibt: eine Zeugenaussage“, nannte es der Verteidiger. Der Richter stimmte ihm zu, benannte es aber noch deutlicher: „Ein klassischer Knallzeuge.“
„Hier wird deutlich, wie schnell sich die Wahrnehmung völlig verschieben kann“, fügte der Verteidiger hinzu. Er beantragte schließlich die Einstellung des Verfahrens: Es sei zum Glück nichts passiert und seine Mandantin leide seit der Zustellung des Strafbefehls. Dem werde er sich nicht in den Weg stellen, erklärte der Richter.
Lautes Aufatmen bei der Frau. Nach kurzer Beratung wurde das Verfahren schließlich gegen eine Geldauflage eingestellt. 800 Euro muss die Stadtlohnerin bezahlen. Das werde sie so schnell es geht tun, versprach sie.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
