Politischer Jahresrückblick für Werne 2024 Wie gut haben die Volksvertreter ihren „Job“ gemacht?

Jahresrückblick: Wie gut haben die Volksvertreter ihren „Job“ erledigt?
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Rund 50 Mal haben sich die Kommunalpolitiker in Werne in diesem Jahr zu Rats- und Ausschusssitzungen versammelt. Reichlich Gelegenheit also zum Diskutieren, Beraten und Entscheiden. Doch was ist am Ende eigentlich dabei herausgesprungen? Bloß jede Menge heiße Luft oder vielleicht doch etwas Gehaltvolles? Wir lassen das Jahr 2024 Revue passieren und geben eine Einordnung.

Die beginnt allerdings bereits im Dezember 2023 - und das aus gutem Grund. Denn da verkünden Kämmerer und Bürgermeister in der Ratssitzung am Nikolaustag, dass es 2024 keine Geschenke geben wird. Im Gegenteil. Der Haushalt ist desaströs. Das prognostizierte Rekordminus beläuft sich auf 14 Millionen Euro. Und schon ist klar, womit sich die Volksvertreter in den folgenden Monaten besonders beschäftigen müssen: Sparen.

Um herauszufinden, an welchen Stellen das überhaupt möglich ist, beauftragen die Politiker die Verwaltung mit einer entsprechenden Prüfung. Die Stadt zeigt in den folgenden Monaten mögliche Einsparpotentiale auf und erstellt eine Liste mit Konsolidierungsmaßnahmen, die bis zum Jahresende auf 40 Punkte anwächst. Doch als im Sommer die ersten „Vorschläge“ auf den Tagesordnungen der politischen Gremien auftauchen, stellt sich die Frage: Hat die Stadt ihre Aufgabe - oder gar den Ernst der Lage - nicht begriffen?

Politik lehnt mögliche Sparmaßnahmen ab

Wo das Problem liegt, verdeutlicht ein Beispiel aus dem Kulturausschuss. In einer Vorlage für die Sitzung im August nennt die Verwaltung fünf potenzielle Maßnahmen unter dem Stichwort Haushaltskonsolidierung. Sie betreffen unter anderem die Stadtbücherei, das Museum, die VHS und den Veranstaltungskalender. Es geht um den Verzicht auf bestimmte Events und Angebote, finanzielle Zuschüsse für Kulturvereine sowie die Anpassung von Gebührenordnungen, um Mehreinnahmen zu erzielen. Doch die Empfehlung der Stadt lautet letztlich: Alles sollte so bleiben, wie es ist. Statt aufzuzeigen, wo man sparen könnte, erklärt die Verwaltung also, dass man nicht sparen sollte.

Die Gründe dafür sind vielseitig, lassen sich jedoch auch auf eine einfache Formel herunterbrechen: Vor dem Hintergrund einer Kosten-Nutzen-Kalkulation erscheint das Risiko zu groß. Zu gering wären die Spareffekte, zu schwerwiegend die möglichen Folgen, heißt es. So fürchtet man mit Blick auf das Theater- und Konzertangebot beispielsweise einen zu großen Qualitätsverlust und ein stark sinkendes Besucherinteresse. Und was sagt die Politik dazu? Die schließt sich der Argumentation an und lehnt alle Maßnahmen ab.

Politiker des Sozialausschusses in Werne heben die Hände bei einer Abstimmung.
Weit über 100 Beschlüsse standen in den politischen Gremien im Kalenderjahr 2024 in Werne zur Abstimmung. © Laura Oswald-Jüttner

Bei den Punkten, die auf der Liste für den Sozialausschuss stehen, sieht die Lage ähnlich aus. Die freiwilligen finanziellen Zuschüsse an die Träger der Wohlfahrtspflege (u.a. DRK und Hospiz-Gruppe) wollen Wernes Volksvertreter weiterhin aus der Stadtkasse zahlen. Auch an den Parkgebühren will man nicht rütteln. Würde man etwa die sogenannte Brötchentaste - also das kostenlose Parken für 30 Minuten - abschaffen, könnte das laut Rechnung der Stadt zusätzliche Einnahmen in sechsstelliger Höhe generieren. Deswegen empfiehlt die Verwaltung auch eine Anpassung. Vor allem aus Sorge, die Innenstadt könnte dadurch an Attraktivität verlieren, lehnen die Politiker die Maßnahme jedoch mehrheitlich ab.

Auf dem Prüfstand steht außerdem die Maikirmes. Letztlich kommt die Politik aber mehrheitlich zu folgendem Schluss: Solange sowohl Schausteller als auch Besucher an dem Volksfest interessiert sind, sollte es weiter unverändert durchgeführt werden. Gut finden die Volksvertreter hingegen den Vorschlag, dass sich Stadt und die Interessengemeinschaft Werner Karneval (IWK) auf die Suche nach Sponsoren machen wollen, um die Kosten für den Rosenmontagszug zu senken.

Der alte Bolzplatz an der Klöcknerstraße in Werne ist von Bäumen umgeben.
Moderne Sporthalle statt alter Bolzplatz: Hier an der Klöcknerstraße soll die neue Turnhalle der Wiehagenschule gebaut werden. © Felix Püschner

Oftmals heißt es im Zuge der Diskussionen über Einsparmaßnahmen seitens der Politik sinngemäß: „Das sind alles Peanuts - wir müssen an den großen Stellschrauben drehen“. Kaum verwunderlich ist es darum, dass auch in diesem Jahr wieder mehrfach der kostspielige Erweiterungsbau der Wiehagenschule an der Stockumer Straße sowie der Neubau der Turnhalle an der Klöcknerstraße Thema sind. Die Diskussionen haben aber kaum Auswirkungen auf die zuvor bereits gefassten Beschlüsse.

Im Mai sprechen sich die Mitglieder des Ausschusses für den Kommunalbetrieb (KBW) immerhin mehrheitlich dafür aus, dass man beim Turnhallenneubau an einigen Ecken sparen sollte - etwa bei der Fassadengestaltung oder den Bodenbelägen sowie durch den Verzicht auf eine Kletterwand und einen vierten Mehrzweckraum.

Kleine Anliegen statt teure Forderungen

Sparen will man auch, indem die Zahl der Ratsmitglieder reduziert wird. Während die CDU das Gremium um sechs Sitze abspecken will, fordert die SPD eine Kürzung um zwei Mandatsträger. Dafür findet sich bei der Abstimmung im Juni eine Mehrheit. Ein weiterer Sparfaktor: Schüler aus den Außenbereichen sollen künftig nicht mehr auf Kosten der Stadt mit dem Taxi zur Schule gefahren werden. Das entlastet das Stadtsäckel um rund 37.000 Euro. Die Erhöhung der Elternbeiträge für Frühbetreuung an den Grundschulen soll weitere 17.500 Euro in die Kasse spülen.

Geht es um zusätzliche Investitionen, sind den Volksvertretern quasi Daumenschrauben angelegt. Und das scheint den meisten auch bewusst zu sein. Ein Indiz dafür: Wer in die Sitzungsprotokolle der Gremien schaut, findet dort für das Jahr 2024 insgesamt gerade einmal ein knappes Dutzend Anträge und schriftliche Anfragen der Fraktionen. Darin geht es eher um bescheidene Anliegen als um kostspielige Forderungen. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 waren es viermal so viele Anträge und Anfragen. Die zielten oftmals auf die Bereitstellung von Haushaltsgeldern ab.

Das Stadthaus von Werne aus der Vogelperspektive
Die meisten Sitzungen der Gremien finden im Stadthaus statt. Auch für das Gebäude gibt es Pläne: Ein ausgebauter zweiter Rettungsweg bis ins Obergeschoss ist beschlossene Sache - genauso wie die Installation von PV-Modulen. © www.blossey.eu

Trotz der Haushaltslage will Wernes Politik an einigen Stellen dann aber doch noch investieren. So beschließen beispielsweise die Mitglieder des Umweltausschusses, das Budget zur Ersatzpflanzung von Bäumen im Stadtgebiet Werne dauerhaft auf 200.000 Euro zu erhöhen. Die Kita St. Marien erhält einen Baukostenzuschuss in Höhe von 266.000 Euro. Zudem erhält die Verwaltung im März den Auftrag, fünf weitere PV-Anlagen auf kommunalen Gebäuden zu installieren. Dazu zählen das Stadthaus und die Rettungswache.

Bei der jüngsten Ratssitzung im Dezember 2024 wird dann Gewissheit, was die meisten ohnehin schon befürchtet hatten: Auch der Haushaltsentwurf für 2025 ist auf Kante genäht. Und auch hier prangt ein dickes Minuszeichen vor der tiefroten Zahl: Der sogenannte Jahresfehlbedarf liegt bei rund acht Millionen Euro. Darum dreht man nun an einer wirklich großen Stellschraube. Das Projekt „Werne neu verknüpft“ muss Federn lassen. Die Verwaltung hat hier Einsparpotentiale in Höhe von rund 2,8 Millionen Euro ausgemacht.

Abstriche beim Mammut-Projekt

Die Ratsmitlieder beschließen daher, einige Teilmaßnahmen zeitlich zu verschieben und auf andere komplett zu verzichten. Zu letzteren zählen der Abriss der Hornebrücke und das Thema „Stadteingänge definieren“. Klangvolle städtebauliche Maßnahmen wie der „Hornepark“ (Entwicklung des Stadtsees und Umgebung) sowie die „Hornegärten“ (Entwicklung Moormannteich und Umgebung) sollen später umgesetzt werden.

Fest steht schon jetzt: 2025 wird es für Verwaltung und Politik nicht einfacher. Der Gestaltungsspielraum im kommenden Jahr ist nicht wirklich groß. Die „gute“ Nachricht lautet: In Sachen Gratwanderung hat man nun reichlich Erfahrung. Und wer fleißig arbeitet, bekommt vielleicht auch ein kleines Geschenk am nächsten Nikolaustag.

Anmerkung der Redaktion: Für unsere Einschätzung haben wir uns unter anderem die Sitzungsprotokolle der Rats- und Ausschusssitzungen angeschaut - sofern diese bereits im Bürgerinformationssystem vorhanden waren. In unserem Text haben wir aus Platzgründen allerdings nicht jeden einzelnen Beschluss und nicht jede einzelne Maßnahme aufgeführt. Der Artikel bildet folglich auch nicht die komplette politische Arbeit im Detail ab.

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