Wie fleißig war Wernes Politik? Auswertung liefert überraschendes Ergebnis

Jahresstatistik ausgewertet: Wie fleißig war Wernes Politik?
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Hält Wernes Politik wirklich das, was sie verspricht? Im Zuge des Wahlkampfes zur Kommunalwahl 2020 hatten uns die Fraktionsvorsitzenden der Parteien in Video-Interviews erklärt, welche Themen sie in der neuen Legislaturperiode unbedingt angehen wollen und wo sie ihre Schwerpunkte sehen. Schon nach dem ersten Jahr der Legislaturperiode hatten wir eine erste Bilanz gezogen. Die aktuelle Winterpause haben wir nun erneut für eine kleine Auswertung genutzt.

Als ersten Indikator für die „Eigeninitiative“ der Parteien haben wir die von ihnen gestellten schriftlichen Anträge in Rats- und Ausschusssitzungen im Zeitraum von Januar 2022 bis Dezember 2022 herangezogen - und zwar so, wie sie im Bürgerinformationssystem der Stadt Werne dokumentiert sind. Insgesamt fanden in dieser Zeit 55 Rats- und Ausschusssitzungen statt. Und darin wurde teils hitzig diskutiert, zuletzt etwa über die Erweiterung der Wiehagenschule. Längere Debatten gab es aber beispielsweise auch mit Blick auf Klimaschutzmaßnahmen und den Straßenverkehr.

Auf den ersten Blick erstaunlich erscheint daher: Abgelehnt wurde nur rund jeder zehnte Antrag der Fraktionen. In allen anderen Fällen sprach sich eine Mehrheit der Politiker für den jeweils geforderten Beschluss aus oder der Antrag wurde zurückgestellt. Letzteres geschah im abgelaufenen Kalenderjahr jedoch lediglich in fünf Fällen. Oft fand man einen Konsens, bisweilen fielen die Entscheidungen aber auch denkbar knapp aus.

Das liegt unter anderem daran, dass keine Partei die absolute Mehrheit hat und es zu wechselnden Mehrheiten kommt.

CDU stellt die meisten Anträge

Betrachtet man zunächst die reine Anzahl an Anträgen, liegt die CDU - wie schon im Vorjahr - mit weitem Abstand an der Spitze. Satte 22 Anträge hat die Union gestellt, wobei es sich in den meisten Fällen um Anträge zur Einstellung von Haushaltsmitteln handelte. So forderte die Union unter anderem, dass die Stadt 10.000 Euro einplant, um die Zufahrt zum russischen Friedhof zu verbessern und jeweils 5000 Euro für die Instandsetzung der Bolzplätze in Horst und Stockum reserviert.

In einem gemeinsamen Antrag mit der FDP setzte sich die CDU zudem für die Digitalisierung der Parkscheinautomaten und das Zahlen per App ein. Ein Vorschlag, der in den Gremien gut ankam. Der Ratsbeschluss erfolgte anschließend einstimmig. Bei fünf ihrer Anträge konnte sich die Union hingegen keine Mehrheit sichern.

Grüne holen deutlich auf

In Sachen Abstimmungsergebnis kommen die anderen Werner Parteien deutlich besser davon. Zwar haben sie zusammen „nur“ 27 Anträge gestellt, doch wurde davon lediglich einer abgelehnt: Die Grünen scheiterten mit ihrem Antrag auf die Einführung eines Kinder- und Jugendparlaments knapp im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familien.

Gemessen an der Zahl der gestellten Anträge machen die Grünen in der Tabelle allerdings einen ordentlichen Sprung nach oben. Im ersten Jahr der Legislaturperiode hatte die Fraktion gerade einmal zwei Anträge und eine schriftliche Anfrage formuliert. Im vergangenen Jahr waren es hingegen 7 - genauso viele wie die SPD. Damit teilt man sich den zweiten Tabellenplatz mit den Sozialdemokraten.

Politiker verfolgen eine Präsentation im Ausschuss.
In den Ausschusssitzungen wie hier wird in der Regel vorberaten. Die meisten Entscheidungen werden letztlich im Rat gefällt. © Felix Püschner

Inhaltlich ging es in den übrigen Grünen-Anträgen um das Kernthema der Partei: den Umwelt- und Klimaschutz. So forderte die Fraktion unter anderem mehr Geld für die Pflanzung von Bäumen, die Einrichtung von überdachten Solarparkplätzen auf städtischen Parkflächen und die Schaffung von E-Bike-Ladestationen.

Die SPD konnte unterdessen eine lang ersehnte Veränderung herbeiführen: Im September stimmte der Rat mehrheitlich dafür, dass die Beschäftigten des Solebads und des Werne Marketing künftig nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt werden. Zudem sicherten sich die Sozialdemokraten unter anderem eine deutliche Mehrheit für ihren Antrag zur Erstellung eines Konzepts einer „zukunftsweisenden verkehrlichen Anbindung der Innenstadt an die geplante Surfworld“. 25.000 Euro sind dafür nun im Haushalt vorgemerkt.

FDP landet auf Platz drei

Die FDP hat im Jahr 2022 insgesamt vier Anträge plus zwei schriftliche Anfragen gestellt. Zu den Anträgen gehörte der Auftrag an die Verwaltung, mögliche Standorte für Trinkwasserbrunnen im Stadtgebiet ausfindig zu machen und gegebenenfalls Fördermittel für den Bau zu beantragen. Eine der beiden FDP-Anfragen bezog sich auf die Auswirkungen des Hornecenter-Umbaus auf den Einzelhandel und die Nahversorgung in Werne.

Zudem stellten die Liberalen gleich drei gemeinsame Anträge mit der CDU, darunter einen mit dem Ziel der „Schaffung der Voraussetzungen für einen dauerhaften Dreigruppenbetrieb in der Kita St. Marien in Horst“.

Politiker der Union diskutieren im Kolpingsaal.
Beratungsbedarf bei der Union: In dieser Szene ging es um einen Beschluss zur Erweiterung der Wiehagenschule. © Felix Püschner

Die Unabhängige Wählergemeinschaft (UWW) stellte im vergangenen Jahr fünf Anträge. Doch wirklich viel bewegen konnte man nicht. Denn drei dieser Anträge wurden zurückstellt beziehungsweise kamen nicht zur Abstimmung. Das galt etwa für den Antrag zur Errichtung einer Freiluft-Fitnessanlage auf dem Gelände des „Freizeitparks Stockum“ und den Ausbau der Toilettenanlage am Werthweg zu einer öffentlichen Toilette.

Auch über den UWW-Antrag auf die Einführung eines Bürgergremiums wurde nicht abgestimmt. Die Stadtverwaltung wollte sich erst genauer informieren, inwiefern so etwas überhaupt möglich ist. Es müsse gewährleistet sein, dass sich keine parallelen Institutionen zum Stadtrat bilden, hieß es.

Linke sind Tabellen-Schlusslicht

Am Tabellenende steht - gemessen an der Zahl der gestellten Anträge - die Linksfraktion. Die hatte im ersten Jahr der Legislaturperiode noch fünf Anträge gestellt. Im Jahr 2022 waren es dann nur noch zwei. Und einer davon war quasi eine angepasste Neuauflage. Darin forderte die Fraktion die „Einrichtung einer feuerwerksfreien Zone in der historischen Innenstadt“. Letztlich wurde dieser Antrag in einen Arbeitsauftrag an die Verwaltung umformuliert, die Bürger über die ohnehin schon geltenden Regeln verstärkt zu informieren.

Erfolg hatte die Linksfraktion mit ihrem Vorstoß in Sachen E-Scooter. Der Rat beauftragte die Stadtverwaltung mehrheitlich damit, sichere Stellplätze für private E-Scooter exemplarisch an drei zentralen Punkten (Stadthaus, Bahnhof, Solebad) zu installieren, vorzugsweise als Ergänzung zu bereits bestehenden Fahrradständern. Aber auch ohne die sollte die Lokalpolitik nach der Winterpause wieder Fahrt aufnehmen.

  • In Fällen, bei denen ein und derselbe Antrag in mehreren Rats- beziehungsweise Ausschusssitzungen auf der Tagesordnung stand, haben wir diesen Antrag nur einmalig gezählt. Die Anträge auf Gremienbesetzung haben wir außen vor gelassen. Die Auswertung erfolgte in dem Wissen, dass besagte Anträge freilich nicht die gesamte politische Arbeit abbilden, sondern allenfalls ein Indiz dafür sind.
  • Sofern die Fraktionen einen Antrag im Laufe einer Sitzung zurückgezogen oder umformuliert haben, ist dieser dennoch in unsere Wertung eingeflossen - vorausgesetzt, er findet sich Stand 9.1.2023 noch in den Protokollen des Bürger- beziehungsweise Ratsinformationssystems.
  • Inhalte aus den nicht-öffentlichen Sitzungsteilen sowie mündliche Anfragen der Politik an die Verwaltung, die etwa unter dem Tagesordnungspunkt „Mitteilungen/Anfragen“ gestellt wurden, sind nicht in die Auswertung mit eingeflossen.
  • Das Abstimmungsverhalten der Politiker spiegelt sich in unserer Auswertung nicht wider. Hat beispielsweise die CDU einen Antrag gestellt, dem die Grünen und die SPD anschließend zugestimmt haben, so geht dieser Antrag lediglich „aufs Konto“ der CDU.

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