Sirenen-Alarm in NRW: Nach Warntag übt Minister Kritik an Regierung
Warntag
Heute haben in NRW Tausende Sirenen geheult. Innenminister Reul war beim Alarm in Essen dabei und übte Kritik an der Bundesregierung: Es gehe nicht nur um einen Funktionstest der Sirenen.
Um 11 Uhr wurde es am 8. September laut in NRW. In allen Städten
und Gemeinden wurden die Sirenen überprüft worden. Beim landesweiten Probealarm ertönten fast 5600 Sirenen in den Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalens.
Neben der Überprüfung der Sirenen war das Ziel des Warntags, die Bevölkerung auf eine mögliche Gefahrenlage vorzubereiten und das Bewusstsein für die Sirenensignale zu erhöhen. In NRW findet der Warntag seit 2018 jährlich statt.
Auch die Warn-Apps wurden getestet. Die Apps „NINA“ und „KATWARN“ haben mit Warnmeldungen per Push-Benachrichtigung den Probealarm begleitet. Die Nina-App sendete beispielsweise die Mitteilung kurz nach dem Start „Landesweiter Sirenenprobealarm: Es besteht keine Gefahr“. Nach dem Alarm folgte die entsprechende Entwarnungs-Mitteilung.
2020 gab es große Kritik, weil die Warn-Apps nicht oder nur sehr verspätetet Warnungen herausgegeben haben und auch die Sirenen an vielen Orten nicht zu hören waren.
Ursprünglich sollte der NRW-weite Sirenenalarm schon im März dieses Jahres stattfinden. Aufgrund des Ukraine-Kriegs wurde er aber kurzfristig verschoben, um mögliche Verunsicherung und Fehlinterpretationen der Bevölkerung zu vermeiden.
Innenminister Reul löste Sirenen in Essen aus und übte Kritik
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) löste die Sirenen in Essen auf der Hauptfeuerwache aus. Er nutzte den Auftritt für eine Kritik an der Bundesregierung: Die lasse das Sonderförderprogramm Sirenen in diesem Jahr auslaufen. Diese Entscheidung torpediere die Anstrengungen der letzten Jahre.
Man könne doch nicht sagen, „dass der Katastrophenschutz für die Zukunft ein Riesenthema ist, und dann nichts machen“, so Reul. Die Länder und Kommunen bräuchten „unbedingt Unterstützung vom Bund beim Sirenenausbau“. Allein in NRW seien noch Anträge in Höhe von geschätzten zehn Millionen Euro nicht bewilligt worden.

Per Mausklick löste Innenminister Reul die Sirene der Hauptfeuerwehrwache Essen aus. © picture alliance/dpa
Beim Probealarm gehe es nicht nur um einen Funktionstest der Sirenen, erläuterte Reul in Essen: Zusätzlich solle die Bevölkerung sensibilisiert werden und die Sirenentöne einordnen können. „Unser Ziel ist, dass jeder lernt, wie er sich bei Unglücks- oder Notfällen zu verhalten hat“, sagte Reul.
Die europäische Sicherheitsordnung sei erschüttert. „Wir können nicht mit Sicherheit sagen, was in der Zukunft passiert – oder was nicht. Aber wir können uns vorbereiten“, sagte Reul. Das sei keine Hysterie oder Panikmache, sondern eine rationale Notwendigkeit. Es gehe beim Warntag aber vor allem um Unwetter, Großbrände und Naturkatastrophen. Die Hochwasserkatastrophe im letzten Sommer habe vor Augen geführt, wie wichtig das Thema Warnung sei.
Experte: Großteil kann Sirenensignale nicht unterscheiden
Nach Einschätzung von Bevölkerungsschützer Uwe Krischer vom Deutschen Roten Kreuz NRW könne der Großteil der Bevölkerung die Sirenensignale nämlich nicht auseinanderhalten. Der Experte sieht das Problem auch darin, dass viele Menschen gar nicht wissen, wie sie auf die Töne reagieren sollen. Dadurch „verpuffe“ die Möglichkeit der flächendeckenden Warnung.
Künftig solle die Sirene eigentlich nur noch eine „Weck-Funktion“ erfüllen, sagte Krischer zu der Problematik. Sie müsse die Leute „wachrütteln, aufrütteln und aufmerksam machen“. Der nächste Schritt wäre dann, dass Radio oder den Fernseher einzuschalten oder eine Warn-App aufzurufen, um genauere Informationen zum notwendigen Verhalten zu bekommen.
Sirenenalarm in NRW: Das bedeuten die unterschiedlichen Warntöne
Hier lernen Sie, wie die einzelnen Warntöne klingen und was sie bedeuten. Die Sirenensignale bestehen aus drei Tönen:
- Warnung: Ein an- und abschwellender Dauerton ca. 1 Minute bedeutet "Warnung". Dieser Sirenenton kann auf Gefahren wie Hochwasser, Großbrände, Bombenentschärfungen Unwetter oder Chemieunfälle hinweisen. Bei diesem Signal sollen die Menschen schützende Gebäude aufsuchen, Fenster und Türen geschlossen halten, Ruhe bewahren und das Radio einschalten.
- Entwarnung: Ein Sirenen-Dauerton von einer Minute bedeutet "Entwarnung"
- Alarmierung der Feuerwehr: Drei Sirenen-Dauertöne binnen einer Minute bedeuten „Alarmierung der Feuerwehr“ – etwa bei größeren Einsatzlagen sowie bei Ausfall der Alarmierungsmöglichkeiten über individuelle Funkmeldeempfänger.
Sirenen in der Region
In Dortmund sind in diesem Jahr 32 Sirenen getestet worden. Am bundesweiten Warntag im Dezember sollen es rund 50 Sirenen sein, die getestet werden können. Im vergangenen Jahr waren die Sirenen fast nur im Norden der Stadt zu hören. Das war in diesem Jahr schon anders, auch wenn es dennoch Lücken gab, wie etwa im äußersten Nordosten in Husen. Der Ausbau des Sirenensystems dauert, weil es schwierig sei, geeignete Standorte für Sirenen zu finden, berichtete Feuerwehrsprecher Andre Lüddecke. Diese Karte zeigt, wo mittlerweile überall Sirenen in Dortmund stehen.

An diesen Standorten stehen die 32 Sirenen im Dortmunder Stadtgebiet. © Stadt Dortmund
In Haltern heulten18 Sirenen, weitere sieben sind noch in Planung. In Castrop-Rauxel heulten an 13 Standorten Sirenen. Das Sirenennetz im Kreis Recklinghausen befindet sich generell noch im Aufbau, möglicherweise waren deshalb nicht überall Sirenen zu hören. Diese Karte zeigt die verschiedenen Sirenenstandorte im Kreis Recklinghausen und der Stadt Gelsenkirchen.
Neuer Warnkanal Cell Broadcast: Test im Dezember
Der bundesweite Warntag, der ursprünglich für den 8. September geplant war, findet dieses Jahr am 8. Dezember statt. Dann soll auch das neue Warnmittel „Cell Broadcast“ eingesetzt werden. Bei der „Cell Broadcast-Technologie“ können Textnachrichten an alle Mobilfunkgeräte in einem bestimmten Abschnitt einer Funkzelle versendet werden. Der Vorteil: Jede Person, die ein empfangsbereites Mobilfunkgerät mit sich führt, ist automatisch in einer Funkzelle registriert. Über diesen Weg können Empfänger dann schnell und zielgenau Warnmeldungen empfangen.
In anderen Ländern sind Warnmeldungen über „Cell Broadcast“ bereits Standard, in Deutschland gab es immer wieder Verzögerungen. Im Februar 2023 soll der neue Warnkanal Cell Broadcast auch erstmals in Deutschland eingeführt werden. Um die Einführung zu optimieren, sollen bei dem Test in Dezember wichtige Erkenntnisse für die Umsetzung gesammelt werden.
Bis Anfang der 1990er-Jahre gab es ein flächendeckendes Sirenennetz des Bundes, das ursprünglich die Bevölkerung vor möglichen Luftangriffen warnen sollte. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde das Sirenennetz jedoch aufgegeben. Nur wenige Kommunen haben die Anlagen daraufhin übernommen, was zum Abbau vieler Sirenen geführt hat. Inzwischen werden viele Anlagen wieder von den Kommunen installiert.
mit dpa