Ruhrfestspiele suchen nach Heimat und Kohle
Festival vom 1. Mai bis 17. Juni
„Heimat“ ist Thema der 72. Ruhrfestspiele vom 1. Mai bis 17. Juni in Recklinghausen und Marl. Aber durch das Wort Heimat auf dem Programmbuch geht ein Riss.

Festspielleiter Frank Hoffmann verabschiedet sich nach 14 Jahren am Ende der 72. Ruhrfestspiele in Recklinghausen. Foto: dpa
Es sind die 14. und letzten Ruhrfestpiele von Intendant Frank Hoffmann, der seine Heimat Ruhrgebiet am Ende seiner Intendanz verliert. Mit einem Buch, Film und der Abschiedsgala „Hoffmann sagt Adieu“ am 17. Juni würdigen die Festspiele diese Ära.
Ein großes Spektrum an Tanz
Die zweistündige Programmpräsentation des Intendanten mit vielen Gästen, darunter Schauspieler Burkart Klaußner, war am Dienstag auf der Hinterbühne des Festspielhauses Recklinghausen schon eine eigene Inszenierung.
Aber das Programm mit 111 Produktionen und 298 Aufführungen an 19 Spielstätten ist in diesem Jahr auch besonders toll. Vor allem Ballettfreunde werden das große Spektrum an Tanz in mehr als zehn Produktionen lieben.
Zwei Hollywood-Stars sind zu Gast
Hollywood ist auch wieder vertreten: John Malkovich kommt am 21. Mai mit einem Abend voller Verrisse von Musikkritikern, und in „New Worlds“ liefern sich Bill Murrasy und Cellist Jan Vogler am 2. Juni einen Schlagabtausch zwischen Musik und Literatur von Hemingway bis Twain.
Der Riss im Heimat-Logo steht für den Abschied vom Steinkohlebergbau in diesem Jahr und dem damit verbundenen, verloren gehenden Heimatgefühl unter Tage. Auf Kohle geboren, beschäftigen sich die Ruhrfestspiele in 15 Stücken mit dem „schwarzen Gold“. Am 3. und 4. Juni gibt es im Theater Marl außerdem ein Forum mit Workshops, Liederabend und Vortrag zum Ende des Bergbaus.
„
Besuch der alten Dame“ ist die Eröffnungspremiere
Neun Tanz- oder Theaterproduktionen präsentiert das Festival auf der großen Bühne des Festspielhauses. Die Eröffnungspremiere und das Finale sind Knaller: Hoffmann inszeniert mit dem Burgtheater Wien Dürrenmatts „Besuch der Alten Dame“ (3.-7.5.).
Burghart Klaußner spielt in der Tragikomödie über eine folgenschwere Rückkehr in die Heimat den Ill.
Brechts verlorene Oper beendet das Festival
Die letzte Premiere der Festspiele (13.-16.6.) ist ein „Ruhrepos“, die „verlorene Oper“, die Bert Brecht und Kurt Weill nie geschrieben haben. Aber sie wollten und sind dafür drei Tage durchs Ruhrgebiet gereist und waren auch unter Tage.
1927 war die Premiere in Essen geplant, kurz davor begann die antisemitische Hetze gegen Weill und Brecht. Albert Ostermaier rekonstruiert die Oper nun für das Staatsschauspiel Hannover und wirft auch einen Blick in die Zukunft des Ruhrgebiets.
Zwei Ensembles aus Berlin
Das Deutsche Theater Berlin hat Hoffmann mit Ewald Palmetshofers Fassung von Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ eingeladen (10.-12.5.). Die Hauptstadtkollegen vom Berliner Ensemble bringen Brechts „Kaukasischen Kreidekreis“ in Michael Thalheimers umjubelter Inszenierung auf die Bühne (6.-9.6.). Claus Peymann inszeniert mit dem Schauspiel Stuttgart Shakespeares „König Lear“ (15./16.5.).
Herausragend bei den Tanztheater-Aufführungen ist „Home“ von Geoff Sobelle (31.5./1.6.). „So etwas haben Sie noch nie gesehen“, versprach Hoffmann. Auf der Bühne wird ein mehrstöckiges, vom Publikum begehbares Haus stehen, in dem die Darsteller tanzen und spielen.
Theater Luxembourgh zeigt Klassiker
Auf der kleinen Bühne sind zehn Produktionen zu sehen, darunter Klassiker des Theaters Luxembourg wie „Gespenster“ von Ibsen (17.-19.5.) Büchners „Lenz“ (20./21.5.) und „Die Spieler“ von Dostojewski (14.-16.6.).
Roberto Ciulli schickt mit dem Theater an der Ruhr seine Clowns, die vor vier Jahren in „Clowns 2 ½“ in Mülheim einen tragikomischen Blick auf das Älterwerden geworfen haben, ins Bergwerk. „Clowns unter Tage“ erzählen die Geschichte des Ruhrgebiets aus der Perspektive der Arbeiter (7./8.6.).
„Monsieur Claude und seine Töchter“ kommt nach Marl
Junges Publikum wird „Die Präsidentin“ nach dem Comicbuch von Francois Durpaire und Fabrid Boudjellal ansprechen. In der Koproduktion mit dem Theater Magdeburg spielt Corinna Harfouch die Präsidentin Marine Le Pen.
Zu den sechs Uraufführungen in der Halle König Ludwig gehört die Inszenierung der Amerika-Collage „Der Westen“ von Sibylle Broll-Pape für das Theater Bamberg.
Unter den acht Produktionen im Theater Marl dürfte „Monsieur Claude und seine Töchter“ vom St. Pauli Theater Hamburg (20./21.5.) der Renner werden. Und Ruhrtriennale-Chefin Stefanie Carp zeigt dort ihre Bühnenfassung von „Weißes Rauschen“ nach dem Roman von Don DeLillo.
Openair-Konzert mit 2Raumwohnung
Am 17. Juni setzen Leslie Clio und 2Raumwohnung beim Opern-Air-Konzert im Stadtgarten den Schlusspunkt der Festspiele, die traditionell mit einem Volksfest am 1. Mai beginnen. Das Fringe-Festival läuft vom 22.5. bis 16.6. im Festivalzelt.