45 Kilometer fährt Heike Heinecke aus Lünen-Brambauer nach Hagen zu ihrem Arbeitsplatz. Die hohen Spritpreise machen der Auszubildenden sehr zu schaffen.

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Auszubildende (25) leidet: „Freunde treffen ist ein Luxus, den ich nicht stemmen kann“

rnHohe Spritpreise

Die Spritpreise jagen von einem Rekord-Hoch zum nächsten. Geringverdiener und Pendler trifft dies hart - erst recht, wenn man zu beiden Gruppen zählt. Eine Auszubildende aus Lünen (25) berichtet.

Lünen

, 13.02.2022, 14:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Wir erwischen Heike Heinecke im Auto. Soeben hat die 25-jährige Auszubildende in Hagen den Motor gestartet und befindet sich nun auf dem täglichen Nach-Hause-Weg. Über die A45 und die A2 geht es zurück nach Lünen-Brambauer. 45 Kilometer und 40 Minuten Fahrtzeit liegen vor ihr. Wir sprechen die ganze Fahrt über. Denn Heike Heinecke hat viel zu erzählen. Von ihrem täglichen Leid als Geringverdienerin und Vielfahrerin. Denn die hohen Spritpreise beeinträchtigen ihr Privatleben mittlerweile fast mehr als die Corona-Pandemie.

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„Ich kann nicht ins Kino gehen oder andere Aktivitäten unternehmen. Sonst habe ich nicht ausreichend Geld für die nächste Tankfüllung“, erklärt Heinecke, die bei einer großen Firma zur Personaldienstleistungskauffrau ausgebildet wird. 750 Euro netto verdient Heinecke im Monat. Hinzu kommen 100 Euro Fahrtkostenerstattung vom Arbeitgeber. „Zum Glück!“, so die junge Frau.

Nur 100 bis 150 Euro zur freien Verfügung

Rund 200 Euro gehen im Monat für Tankfüllungen drauf. Dazu gesellen sich die üblichen Fixkosten als Mieterin und die Ausgaben für Lebensmittel. „Unterm Strich bleiben mir im Monat 100 bis 150 Euro zur freien Verfügung“, rechnet Heinecke vor. Zur freien Verfügung, das beinhaltet auch den Kauf von Kleidung oder Schuhen. „Letzten Monat hat mein Smartphone-Ladekabel den Geist aufgegeben. Auch solche Dinge bezahle ich von dem Geld“, erklärt Heinecke ihr schmales Polster.

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Die Folge: Ihre sozialen Kontakte leiden massiv unter den derzeitigen Spritpreisen. „Auf Treffen im privaten Bereich verzichtet man fast ganz. Regelmäßig Freunde treffen ist ein Luxus-Bedürfnis, das ich finanziell nicht auf Dauer stemmen kann“, so Heinecke, die im April 2021 „der Liebe wegen“ aus dem Dortmunder Süden nach Lünen gezogen ist.

Der persönliche Kontakt zu ihren Dortmunder Freunden sei noch einigermaßen intakt. „Entweder wir wechseln uns bei Treffen ab oder ich halte auf dem Rückweg von der Arbeit“, sagt Heinecke. Und betont: „Auch wenn ich die Leute unglaublich lieb habe - mittlerweile überlege ich lieber zweimal, ob ich sie besuche.“

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Und dann gebe es auch noch den „Extremfall“: Eine sehr gute Freundin sei nach Köln gezogen. „Wir sehen uns so gut wie gar nicht mehr“, erklärt Heinecke. Ob man sich vielleicht auch im Zuge der Corona-Pandemie auseinandergelebt habe? „Nein“, sagt Heinecke, „es sind tatsächlich die Spritpreise.“

Tanken in Deutschland ist so teuer wie nie

Fakt ist: Tanken in Deutschland ist derzeit so teuer wie nie. Laut ADAC kostete ein Liter Super E10 am 9. Februar im Bundesmittel 1,725 Euro. Diesel lag am gleichen Tag bei 1,654 Euro. Beide Kraftstoffe waren somit jeweils über einen Cent teurer als noch in der Vorwoche. Für beide Sorten war es die siebte Woche hintereinander, in der der Preis gestiegen ist.

Seit Weihnachten hat Super E10 laut ADAC um rund 13 Cent je Liter zugelegt, beim Diesel sind es sogar knapp 15 Cent. Das entspricht bei einer Tankfüllung von 40 Litern einer Preisdifferenz von rund fünf bis sechs Euro. Schuld daran ist laut ADAC der anhaltend hohe Rohölpreis.

Die immer höheren Preise sorgen bei vielen Autofahrern zunehmend für Unmut - so auch bei Heike Heinecke: „Mir kräuseln sich die Fußnägel, wenn ich für 1,70 Euro pro Liter tanken muss.“ Deshalb hat sich die junge Frau eine Strategie zurechtgelegt.

Tanken nur unter der Woche - und spät abends

Am Wochenende werde „partout nicht getankt.“ Da sei der Sprit teurer. Und auch die Tageszeit spiele eine Rolle: „Ich tanke auf keinen Fall morgens. Das bringt mich finanziell um“, erklärt Heinecke. Ganz im Gegenteil: „Oft fahre ich abends um 22 Uhr extra noch mal los zur Tankstelle um die Ecke, statt teuer im Feierabendverkehr zu tanken. Oder ich tanke nach der Arbeit, wenn der Preisvergleich bei Google einen günstigen Preis anzeigt.“

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Damit liegt Heike Heinecke genau richtig: Laut einer Studie des ADAC aus dem Sommer 2021 ist der Kraftstoff in den Morgenstunden tatsächlich am teuersten. Bis zu sieben Cent günstiger lägen die durchschnittlichen Kraftstoffpreise laut ADAC hingegen häufig zwischen 18 und 19 Uhr sowie zwischen 20 und 22 Uhr.

Und auch nicht jede Tankstelle kommt für Heike Heinecke infrage. Die Aral vor ihrer Haustür meide sie. Stattdessen steuert Heinecke in Lünen die freie Oil-Tankstelle an der Königsheide an. Dort sei der Sprit stets etwas günstiger.

Heike Heinecke steuert in Lünen die freie Oil-Tankstelle an der Königsheide an. Dort sei der Sprit stets etwas günstiger.

Heike Heinecke steuert in Lünen die freie Oil-Tankstelle an der Königsheide an. Dort sei der Sprit stets etwas günstiger. © Goldstein

Vom Spritschlucker zum Spritsparer

Seit dem Sommer 2021 fährt die Auszubildende ihren „wundervollen“ Hyundai i10. Der Verbrauch liegt bei schlanken 5,5 Litern Super pro 100 Kilometer. Der Tank sei recht klein, einmal pro Woche müsse sie an die Zapfsäule. Eine Tankfüllung koste dann 50 bis 55 Euro. „Das ist zwar immer noch hart - aber im Rahmen“, sagt Heinecke. Denn sie ist durchaus anderes gewohnt.

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Zuvor fuhr sie ein Familien-Erbstück: eine Mercedes A-Klasse. „Aber nicht so ein schönes, schnittiges Modell. Nein, dieses hohe Rentnerauto, Baujahr 2001, das in der Kurve umkippt“, lacht Heinecke. Schon ihre Schwester, ihr Bruder und ihre Tante hätten das Auto gefahren, dann sei es 2015 in ihre Hände gewandert. 11 Liter habe der Benz auf 100 Kilometern geschluckt. „Da musste ich jeweils für 70 bis 80 Euro tanken - und noch hoffen, dass die Tankfüllung für die Woche reicht.“

Im Sommer 2021 sei der Wagen dann nicht mehr durch den TÜV gekommen - und hatte rund acht Mal die Erde umrundet: Über 300.000 Kilometer standen auf dem Tacho. Also stieg Heinecke auf ihren kleinen Spritsparer um.

Seit dem Sommer 2021 fährt die Auszubildende einen Hyundai i10. Der Verbrauch liegt bei schlanken 5,5 Litern Super pro 100 Kilometer.

Seit dem Sommer 2021 fährt die Auszubildende einen Hyundai i10. Der Verbrauch liegt bei schlanken 5,5 Litern Super pro 100 Kilometer. © Goldstein

Gerne hätte sie sich einen Mischhybrid mit Elektro- und Benzin-Antrieb zugelegt. „Doch das war finanziell nicht möglich. Ich hätte mich zu Hause um eine Ladesäule bemühen müssen. Und ich wohne im dritten Stock. Da kann ich nicht jeden Abend ein Kabel aus dem Fenster werfen“, so Heinecke. Deshalb habe sie leider keine Alternative zum klassischen Verbrenner gesehen - auch wenn ihr mit Blick auf das Klima bewusst sei, „dass wir fünf vor zwölf haben.“ Deshalb würde sie sich vom Staat wünschen, dass alternative Kraftstoffe mehr finanziell gefördert würden - gerade für „kleine Privatmenschen.“

ÖPNV als Alternative? „Auf gar keinen Fall!“

Und was ist mit dem ÖPNV? „Auf gar keinen Fall!“, platzt es aus Heinecke heraus. Das habe sie versucht, als sie noch im Dortmunder Süden wohnte. Günstige 64 Euro habe sie monatlich für ein Azubi-Ticket gezahlt. Aber: „Es gab so viele Verspätungen und Zugausfälle, dass ich auf der Arbeit abgemahnt wurde. Dann bin ich wieder aufs Auto umgestiegen. Wenn ich wegen so etwas meinen Ausbildungsplatz verliere, zeigt mir doch jeder den Vogel!“

Ein Umzug sei so schnell auch keine Option. „Das entscheide ich ja nicht alleine. Ich wohne mit meinem Freund zusammen - und den würde ich gerne behalten“, schmunzelt Heinecke. Ihre bessere Hälfte sei selbstständig und aus beruflichen Gründen derzeit an Lünen gebunden.

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Aber zumindest in einer Hinsicht gibt es Licht am Ende des Tunnels: Im Sommer ist Heinecke mit ihrer Ausbildung fertig. Dann steigt das Gehalt merklich. Und auch die Homeoffice-Option ihres Arbeitgebers komme dann wohl zunehmend infrage.

Doch vorher stehe in den kommenden Tagen ein Perspektivgespräch mit ihrem Arbeitgeber an. Dann soll es um die Frage ihrer beruflichen Zukunft nach der Ausbildung gehen. „Natürlich möchte ich übernommen werden“, sagt Heinecke deutlich. Aber wenn es nach ihr ginge, am liebsten an einem näheren Firmen-Standort.

Und wenn man ihr eine Festanstellung in Hagen anbietet? „Natürlich überlegt man sich das gerade mit den steigenden Spritpreisen. Ich schwanke zwischen ja und nein.“