Übergriffe auf Frauen gelten oft nicht als Sexualstraftat
Gesetzeslücke
Seit Silvester gibt es in Dortmund laut Polizei bedeutend mehr sexuelle Übergriffe auf Frauen in Verbindung mit Diebstählen. Doch die Diebe müssen vor Gericht keine Härte befürchten. Richtern fehlen seit Jahrzehnten passgenaue Gesetze. Eine Dortmunder Frauenberatungsstelle will das ändern.

Trickdiebstähle in Verbindung mit sexueller Belästigung gelten nicht als Sexualstraftat - eine Frauenrechtsinitiative will das ändern. Seit Jahren kämpfen Frauenrechtlerinnen gegen die Verharmlosung von sexuellen Übergriffen auf Frauen - etwa auf so genannten "Slutwalks" wie diesem in Berlin.
Die sexuellen Übergriffe in Köln, Hamburg, Düsseldorf, Dortmund und anderen Großstädten markieren zumindest in Dortmund eine Wendepunkt: Männer belästigen als Einzeltäter oder in Kleingruppen ihre Opfer sexuell. Sie greifen unter die Oberbekleidung und in die Hose und küssen die Frauen sogar, um die so bedrängten und abgelenkten Frauen zu bestehlen. Was die Opfer als Sexualstraftat erleben, ist juristisch allerdings viel niedriger angesetzt.
"Keine Sexualstraftat"
"Busengrapschen ist keine Sexualstraftat. Dafür gibt es keinen Paragrafen", stellt Dr. Gerhard Breuer vom Dortmunder Amtsgericht klar und ergänzt: "Ich bedaure das sehr. Wir Richter hätten gern ein dazu passendes Gesetz. Übrig bleibt häufig die Beleidigung, weil der Täter die Ehre der Frau herabgesetzt hat", berichtet der Gerichtssprecher aus der Praxis über das "Busengrapschen". Der Griff in den Schritt der Frau stelle sich juristisch nicht anders dar.
Rechtlich unterscheidet sich das Anfassen im Intimbereich der Frau damit nicht von heftigen verbalen Beleidigungen. Bei Beleidigungen sieht das Strafgesetzbuch eine Haftstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe vor. Der Griff in den Intimbereich wirkt sich nicht strafverschärfend aus. Ein Strafrahmen, der für die von Politikern gebetsmühlenartig geforderten schnellen Abschiebungen von aus dem Ausland stammenden Tätern nicht ausreicht.
Wehrlose Frau angefasst
In Dortmund hatte ein Täter eine wehrlose Frau abgeknutscht, sie intim berührt und dabei ihre Taschen nach Beute abgesucht. Juristisch bleibt das nur ein ein Trickdiebstahl. Die sexuelle Nötigung scheidet aus, da während dieser oder einer ähnlich begangenen Tat keine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben oder die Ausnutzung einer hilflosen Lage bestehe. "Diese juristische Schwierigkeit sehen wir seit Gründung der Frauenberatungsstellen in Dortmund Anfang der 1980er-Jahre", sagt Martina Breuer vom Verein "Frauen helfen Frauen" in Dortmund.
Seitdem fordern Frauenrechtlerinnen auch die Verschärfung des Paragrafen 177 im Strafgesetzbuch - bisher vergeblich. Erst die Vorfälle in Köln hätten mächtig Druck auf das Justizministerium in Berlin ausgeübt. "Wir müssen die Schutzlücken im Gesetz endlich schließen, denn ein einfaches Nein des Opfers reicht zurzeit nicht aus, damit ein Übergriff strafbar ist", sagt Martina Breuer und bittet dringend um Unterschriften in einer vom Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe erstellten Online-Petition.
Frauenverbände hoffen
Das zurzeit geltende Recht sei ein "verheerendes Signal für die betroffenen Frauen", sagt Martina Breuer. Die Öffentlichkeit denkt, dass unser Recht schon viel weiter ist. Ist es aber nicht." Die aktuellen Vorgänge würden den Frauenverbänden ein wenig Mut machen. Sie hoffen darauf, dass der deutsche Bundestag des Strafgesetzbuch endlich im Sinne der Opfer ergänzen. Denn das bestehende Recht schützt die Täter.