Traditionslokal am Zoo schließt nach 51 Jahren

Tierpark-Stuben

Bittere Nachricht aus Dortmunds Restaurant-Szene: Nach 51 Jahren schließen die Tierpark-Stuben am Dortmunder Zoo. Unsere Gastro-Expertin hat mit Wirtin Ursula Siegmann gesprochen und erklärt die Gründe der Schließung.

BRÜNNINGHAUSEN

, 04.12.2015, 02:33 Uhr / Lesedauer: 2 min
Traurig: Ursula Siegmann, hier im Schankraum, verbrachte mehr als ihr halbes Leben in den Tierpark-Stuben.

Traurig: Ursula Siegmann, hier im Schankraum, verbrachte mehr als ihr halbes Leben in den Tierpark-Stuben.

Ach Mensch! Mit den Tierpark-Stuben auf dem Weg zum Zoo geht wieder ein Stück Gastronomie-Geschichte unter. War früher alles besser? „Früher war alles anders“, sagt die Wirtin, Ursula Siegmann. Früher kostete das Bier 40 Pfennige, das Krüstchen vier Mark, die Gäste sprachen miteinander und wischten nicht über Smartphones.

Bis zum 20. Dezember wollen Ulla und Günter Siegmann ihre Stuben aufhalten. Dann ist Schluss. Nach 51 Jahren. Beide sind 71 Jahre alt und nur Pächter des Hauses, keine Eigentümer. Das Haus soll verkauft und umgebaut werden. Schankzeiten adé!

Dabei war Ulla, geborene Berg, schon da, als Günter die Laufbahn zum Finanzbeamten einschlug. Zum 1. März 1964 übernahmen Mutter und Tochter Berg das gemütliche Haus. Tochter Ursula zählte 19 Jahre, hatte eine Gastronomie-Ausbildung in der Tasche, so wie Mutter Mally. Beide hatten davor schon ordentlich Pils gezapft – im Hotel Schmiedingshof. Aus den Zapfhähnen der Tierpark-Stuben liefen Dortmunder Thier-Bier und Duisburger König Pilsener.

Ausgelassene Nächte

Und es war beim Besuch in der Thierbrauerei, als Ulla über ihren Günter fiel. Da war der gelernte Finanzbeamte längst im Außendienst von Thier unterwegs und startete bald darauf als Wirt. 1971 läuteten die Hochzeitsglocken.

Günter Siegmann, leider aktuell erkrankt, bleibt vielen Stammgästen unvergessen. Im Karneval erschien er mal im Baby-Doll und mit Perücke am Tresen, dann wieder sammelte er alle mobilen Warnblink-Leuchten seiner Gäste ein (früher waren die Leuchten noch nicht fest eingebaut in den Autos), schaltete das Licht im Restaurant aus, rief „Spot an“, und alles tanzte ausgelassen durch die Nacht. 

Promis ließen es krachen

Dortmunds Honoratioren gaben sich in den Stuben das Pils in die Hand. Ob Stadtspitze, Lenker großer Firmen, Verbands-Vorstände, ob BVB-Chefs wie Dr. Reinhard Rauball und Michael Meier, Schauspieler wie Karl-Michael Vogler oder Sänger wie Chris Andrews, der gerade erst da war zum Kaffeetrinken mit seiner Frau – alle liebten die Stuben.

„Mindestens ein Dutzend Ehen wurden hier gestiftet“, sagt Ulla, die Chefin am Herd. Von Anfang an stand sie in der Küche und brutzelte sich in fünf Jahrzehnten durch die Entwicklungsgeschichte der deutschen Gastronomie. Die Geschichte begann beim „Restaurations-Schnittchen“ mit Kartoffelsalat, ringsum liegenden Happen aus Brot, dicken Scheiben von Blutwurst, Schwartemagen und Leberwurst, durchlebte die Krüstchen-Ära und Steak-Zeit bis zur feinen, frischen Fisch-Küche mit deutlich raffinierteren Rezepten.

Viele Auszeichnungen

Die griffen auch für Kalbsbries, Kalbsleber und -nieren, den Spezialitäten des Hauses. Sohn André (43), der nun am Chiemsee arbeitet, half kräftig mit. Er kochte in so renommierten Häusern wie Bachmair am Tegernsee oder Landhaus Stricker auf Sylt. Er wurde zum Eurotoques-Chefkoch (Verein europäischer Köche) ernannt und sammelte jede Menge Auszeichnungen.

Waren Sie häufiger Gast in den Tierpark-Stuben? Ja? Dann schreiben Sie uns Ihre Erinnerungen in die Kommentare.

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