
© Stephan Schütze
Organisatoren geben auf: Mittelalterlich Gaudium in Dortmund vor dem Aus?
Mittelalter-Fest
15.000 Besucher, 500 „Lagerer“, mittelalterliches Flair. Das Mittelalterlich Gaudium ist die größte Veranstaltung im Dortmunder Nordwesten. Doch nun könnte sein Ende gekommen sein.
Detlef und Erika Huß schmeißen hin. In einem Facebook-Video erklärt Erika Wiedemann-Huß, mit Ehemann Detlef Organisatorin des Mengeder Mittelalterlich Gaudiums: „Heute, Sonntag, den 20.6.2021, müssen wir euch leider und schweren Herzens die Mitteilung machen, dass es ein Gaudium nicht mehr geben wird.“
Das Mengeder Mittelalterlich Gaudium ist die größte öffentliche Veranstaltung im Stadtbezirk. Jährlich lockt es über eines der Feiertagswochenenden im Frühsommer an vier Tagen rund 15.000 Besucher in den Volksgarten. Wegen der Corona-Pandemie fand es zuletzt 2019 statt.
Veranstalter ist zwar offiziell das Stadtbezirksmarketing. Aber als ehrenamtliche Organisatoren fungieren Detlef und Erika Huß. Ebenfalls ehrenamtliche Helfer, vor allem aus Mittelalter-Gemeinschaften, sorgen für den reibungslosen Ablauf – und das Flair: Hunderte Mediävisten „lagern“ beim Gaudium in kleinen Zelt-Siedlungen auf der Festwiese.
Stromkasten zu weit auf der Wiese
In einem zweiten Video erklärt Ehemann Detlef die Gründe für den Rückzug. Finaler Auslöser ist wohl ein Stromkasten im südwestlichen Teil der Festwiese. Nach Huß’ Aussage steht er sechs Meter auf der Wiese.
Beim Neubau der Versorgungsleitungen im städtischen Volksgarten im Sommer 2020 habe er die bauausführende Firma darauf hingewiesen, dass in den langjährigen Planungen etwas anderes vereinbart worden sei. Demgegenüber stand der Auftrag durch die Stadt. Darauf wies die Baufirma hin.

Die neuen Stromkästen sorgten schon im September 2020 für heftige Diskussionen. Ein Stromkasten steht dort, wo beim Gaudium die Bühne ihren Platz hat. © Uwe von Schirp
„Wir müssen damit leben, dass es Menschen oder auch Ämter gibt, die sagen, das ist so und das bleibt so“, sagt Detlef Huß hörbar bewegt im Video. Aus seiner Sicht ist ein Standort näher an den Park-Wegen seitlich der Festwiese machbar. „Das Kabel läuft direkt darunter her.“ Ein Schwenk zeigt den Haupt-Verteilerkasten.
Baustopp im Spätsommer 2020
Die Standorte der Anschlüsse an die neuen Versorgungsleitungen sorgten bereits im vergangenen Spätsommer für Ärger. Unter anderem, weil Strom- und Wasseranschlüsse nicht den Planungen und Absprachen von Politik, Veranstaltern (insbesondere des Gaudiums) und Verwaltung entsprachen, beschloss die Bezirksvertretung einen Baustopp.
Den wies die Stadtverwaltung mit Blick auf den Bauauftrag und mögliche Regressforderungen jedoch zurück. Mittlerweile ist von den Bauarbeiten des vergangenen Jahres nichts mehr zu sehen. Über den Leitungstrassen wächst wieder Gras. Grüne Gitter-Käfige aus Metall sichern die Schaltkästen und Wasseranschlüsse.
Weiterer Streitpunkt zwischen Bezirksvertretung und Grünflächenamt im September 2020 war die Neuplanung des Eingangsbereichs des Volksgartens. Konsequenz aus diesem Eklat war die Gründung einer Arbeitsgruppe mit Vertretern aller Beteiligter. Sie erarbeitet einvernehmliche Vorlagen. Die Vorschläge soll letztlich verbindlich die Bezirksvertretung beschließen.
„Ich möchte nicht mehr“
Warum schmeißen Erika und Detlef Huß gerade jetzt alles hin, nach Monaten der Ruhe? Nach Informationen dieser Redaktion gab es Anfang der vergangenen Woche einen Vor-Ort-Termin außerhalb der Arbeitsgruppe.
Ein kleiner Kreis sollte erörtern, wo ein weiterer Stromkasten im Bereich der Boule-Bahn neu und fest installiert wird. Dieser bislang eher provisorische Baustrom-Anschluss versorgt beim Gaudium unter anderem die Sanitär-Anlagen. Eine Detailabstimmung – Detlef Huß war dazu eingeladen.

In der Südwestecke der Festwiese ist einer der Hauptzugänge zu den Budengassen des Gaudiums. Häufig begeisterte hier das mobile Mäuseroulette die Besucher. © Uwe von Schirp
Dabei kam nach bisherigen Informationen auch der „Kasten des Anstoßes“ in der südwestlichen Ecke zur Sprache. Mit dem im Facebook-Video bekannt gegebenen Ergebnis.
Emotional berührt erklären Erika und Detlef Huß, warum sie das Handtuch werfen: im Hintergrund der Stromkasten – wenige Meter vom Badezuber des Gaudiums entfernt. „Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll“, sagt Detlef Huß. „Ich kann nicht mehr. Und ich möchte auch nicht mehr.“ Ist es das „Aus“ für das Gaudium?
Geboren 1964. Dortmunder. Interessiert an Politik, Sport, Kultur, Lokalgeschichte. Nach Wanderjahren verwurzelt im Nordwesten. Schätzt die Menschen, ihre Geschichten und ihre klare Sprache. Erreichbar unter uwe.von-schirp@ruhrnachrichten.de.
