Mini-Revolution für eine offene Gesellschaft
„Borsig 11“ erklärt Borsigplatz zur Republik
Mit dem kleinsten Staatsstreich aller Zeiten ist der Borsigplatz in die Hände von „Borsig 11“ gefallen. Die Mitglieder der „Machbarschaft“ wollen, dass sich alle Menschen als Teil eines Ganzen verstehen. Sie setzen dafür mit der Ausrufung der Republik auf dem Kreisverkehr ein Zeichen.

Nicht mehr nur die Geburtsstätte des BVB, sondern der weltweit einzige Kreisverkehr mit eigener Verfassung. © Oliver Schaper
Auf den ersten Blick mögen sie wie Separatisten gewirkt haben. Die Mitglieder der Machbarschaft Borsig 11 versichern aber das Gegenteil, auch wenn sie jetzt die „Freie Republik Borsigplatz“ ausgerufen haben. Dem 2015 gegründeten Projekt geht es nicht um Abgrenzung, sondern um Gemeinschaft.
Das „Staatsgebiet“ der Freien Republik Borsigplatz umfasst die Rasenfläche des geschichtsträchtigen Kreisverkehrs. „Der Grundgedanke überschreitet alle Grenzen“, sagt Guido Meincke vom Projekt Machbarschaft Borsig 11. Von den Zielen der friedfertigen Revolutionäre kann man sich noch den gesamten März überzeugen – sie fallen schon beim ersten Besuch schnell ins Auge.
30 Schilder mit Symbolen und Begriffen
„An den Platanen rund um den Borsigplatz hängen 30 Schilder mit Symbolen und Begriffen, die für eine offene Gesellschaft der Zukunft wichtig sind“, so Meincke. Der Maler Ralf Fiebag hat sie zusammen mit Bewohnern des Quartiers sowie mit Geflüchteten erarbeitet, die erst seit kurzer Zeit in Dortmund leben.
In den Fenstern des Büros der Machbarschaft am Borsigplatz 9 sind die Grundsätze der „Verfassung“ der neuen Republik plakatiert. Dort heißt es zum Beispiel: „Die Freie Republik Borsigplatz ist das kleinste Land der Welt. Und sie ist eine große Idee: Dass wir es sind, die die Gesellschaft machen und dass alle dazugehören.“ Oder: „In der Freien Republik Borsigplatz ist jeder ein Migrant. Die neue Welt gehört niemandem, und jeder ist hier zu Hause.“
Ausstellung der Fotografin Sabitha Saul
In den Räumen ist eine Ausstellung der Fotografin Sabitha Saul zu sehen. Sie hat Menschen verschiedener Herkunft nach deren persönlichen Vorstellungen und der gesellschaftlichen Bedeutung von Freiheit gefragt. Die Porträts zeigen Nordstadt-Bewohner und neue Nachbarn mit Fluchtgeschichte. „Dazu gibt es eine Zusammenstellung der Aussagen, die im Arbeitsprozess entstanden ist, und die nachdenklich stimmt“, fährt Meincke fort. Die unterschiedlichen Stellungnahmen würden Hoffnung und Verzweiflung widerspiegeln. Und gleichzeitig Ähnlichkeiten aufweisen.

Die Performance-Künstlerin und Quartiers-Bewohnerin Birgitt Schuster verliest stolz die Verfassung des grenzenlosen Borsigplatzes. © Oliver Schaper
In ihrer Performance versuchte Birgitt Schuster zu verdeutlichen, dass jeder an das gefesselt sei, was man stets für selbstverständlich gehalten habe. Die Ketten müssten gesprengt werden. Mit dieser These befasste sich auch ein Theaterstück mit Kindern und Jugendlichen aus dem Quartier, das unter der Leitung von Cynthia Scholz aufgeführt wurde.
Speisen aus verschiedenen Kulturkreisen vereint
Das Neue-Welt-Buffet im Café im Concordia-Haus sollte ebenfalls den Geist der Freien Republik verkörpern. Dafür hat die Ukrainerin Zhanna Yakhnis Speisen aus verschiedenen Kulturkreisen vereinte. Das gleiche Ziel verfolgte die Nordstadt-Session, die sich unter der Leitung von Sebastiao Sala aus Angola im Laufe des letzten Jahres als musikalischer Ausdruck der interkulturellen Gemeinschaft des Quartiers etabliert hat.
Guido Meincke: „Wer solche Veranstaltungen besucht, wird mit einer Realität konfrontiert, die quer steht zu den Konflikten, die sonst in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Sie zeigen eine Alternative auf, die es nur gibt, wenn man sich beteiligt, wenn man sich als aktiven Teil des Ganzen begreift.