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Freischaltung der Dauerkarten: Warum der BVB jetzt diesen Schritt geht
Borussia Dortmund
Die Inzidenzen in Deutschland schnellen hoch, strengere Corona-Regelungen werden diskutiert - und genau jetzt schaltet der BVB die Sitzplatz-Dauerkarten wieder frei. Das sorgt für Diskussionen.
Die Fanszene Borussia Dortmunds diskutiert aktuell weniger über Profis und sportliche Ziele. Die Ticketvergabe des BVB steht stattdessen im Mittelpunkt vieler Gespräche. Denn die rund 30.000 Sitzplatz-Dauerkarteninhaber des Pokalsiegers haben Post ihres Klubs bekommen. Darin steht, dass sie ab dem Heimspiel gegen Bayern München am 4. Dezember ihr Saisonticket nutzen können. Aufgrund des Sonderspielbetriebs in Pandemiezeiten waren die Dauerkarten bislang auf ruhend gestellt – und sollten laut früheren Angaben des Klubs erst dann freigeschaltet werden, wenn eine „Vollauslastung des Signal Iduna Parks“ wieder möglich ist.
Dauerkarten-Freischaltung sorgt unter BVB-Fans für Diskussionen
Dass der BVB von dieser Maßgabe nun abrückt, hat Diskussionen unter den Fans entfacht. Vor allem, weil sich die Dauerkarteninhaber jetzt bis zum 24. November entscheiden müssen, ob sie ihre Dauerkarte trotz der weiter unsicheren Pandemie-Lage nutzen wollen. Wer das nicht möchte, der kann seine Dauerkarte erst zur nächsten Saison wieder aktivieren – aber eben nicht für Spiele bei einer möglichen Vollauslastung des Dortmunder Stadions im späteren Saisonverlauf. Zudem passt für einige Fans die sich gerade zuspitzende Infektionslage auf der einen und die Freischaltung der 30.000 Sitzplatz-Dauerkarten auf der anderen Seite nur schwerlich zusammen.
Warum also geht der BVB jetzt diesen Schritt? Nach Informationen der Ruhr Nachrichten gibt es dafür mehrere Gründe.
Dauerkarteninhaber sind an den BVB herangetreten
Zunächst einmal mehrten sich im Oktober, als sich die Inzidenzen in der Stadt Dortmund noch bei unter 60 eingependelt und die NRW Landesregierung grünes Licht für die Nutzung aller Sitzplätze in den Stadien gegeben hatte, die Wünsche vieler Dauerkarteninhaber an den Klub nach ihrem festen Saisonticket. Der BVB brachte daraufhin noch im Oktober die Freischaltung der Dauerkarten organisatorisch auf den Weg - und wurde nun von den rasant kletternden Infektionszahlen überholt.
Zudem versprach sich die Borussia von der Freischaltung der Dauerkarten auch eine Entlastung im eigenen Hause: Der freie Vorverkauf mit diversen Zugriffs-Zeitfenstern für Dauerkarteninhaber, Vereinsmitglieder und „normale“ Fans sowie Partien im Drei-Tages-Rhythmus brachten den Klub ans logistische Limit.
BVB-Fans vermuten finanzielle Gründe hinter der Entscheidung
Einen letzten Anstoß dazu, die Dauerkarten-Freischaltung endgültig umzusetzen, lieferte das Champions-League-Spiel gegen Ajax Amsterdam am 3. November. Im kurzzeitig geöffneten freien Vorverkauf hatten sich Ajax-Fans Karten für diverse Blöcke außerhalb des eigentlichen Gästebereichs im Signal Iduna Park zugelegt – aus Sicht der Polizei ein kaum zu kontrollierendes Sicherheitsrisiko. Unabhängig davon waren so auch deutlich mehr Gästefans im Stadion als üblich. Fünf Prozent des jeweiligen Ticketkontingents gehen derzeit in der Königsklasse und der Bundesliga an den gegnerischen Verein. Unter den 54.800 Zuschauern gegen Ajax waren jedoch mehr als 5000 Niederländer. Die Sorge bei den BVB-Verantwortlichen wuchs, dass ein freier Vorverkauf gerade gegen den FC Bayern und Besiktas Istanbul nun dazu führen könnte, dass tausende Gästefans die Heimspielatmosphäre verderben – und für ein Sicherheitsproblem sorgen.
In Fan-Foren geäußerte Vermutungen, der BVB würde vor allem aus finanziellen Gründen die Dauerkarten nun freischalten, lassen sich nicht erhärten. 17.000 von 30.000 Sitzplatz-Dauerkartenkunden verfügen noch über ein Restguthaben beim BVB, das zunächst verrechnet wird. Zudem könnte der BVB im freien Ticket-Vorverkauf bei entsprechender Nachfrage mehr Erlös erzielen als über die rabattierten Saisontickets. Dank der aktuellen Kapitalerhöhung und der jüngsten positiven Bilanzen steht die Borussia zudem nicht unter wirtschaftlichem Druck.
BVB-Boss Watzke: Setzen alle Entscheidungen der Landesregierung um
Der BVB sichert jenen Fans, die ihre Dauerkarte nun für die laufende Saison nicht freischalten lassen wollen, zu, dass diese ebenso wie Vereinsmitglieder weiterhin ein Vorgriffsrecht auf Tickets für einzelne Spiele erhalten werden. Allerdings ohne Garantie für ihren gewohnten Platz im Stadion. Ihr Dauerkartenrecht zur nächsten Saison bleibt zudem bestehen. Für alle Anhänger, die ihre Sitzplatz-Dauerkarten nun freischalten lassen, öffnet der BVB den sogenannten Zweitmarkt. Heißt: Beginnt der Vorverkauf für eine Heimpartie, kann ein Dauerkarteninhaber, der nicht zu diesem Spiel will, sein Ticket dort zum Normalpreis weitergeben.
Letztlich bleibt die aktuelle Ticket-Diskussion aber fragil. Denn es stecken aufgrund der aktuellen Corona-Lage neue Kontaktbeschränkungen in der politischen Pipeline, von denen auch Fußballstadien nicht ausgeschlossen sein könnten. Womöglich liefert die Bund-Länder-Konferenz am Donnerstag bereits entsprechende Entscheidungen, die auch den BVB zum Handeln zwingen. Borussias Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hatte den Ruhr Nachrichten bereits in der Vorwoche erklärt, dass der BVB „selbstverständlich sofort alle Entscheidungen der Landesregierung umsetzen“ werde. Im Falle bereits verkaufter Karten, die aufgrund von Kapazitätseinschränkungen nicht genutzt werden könnten, würde der BVB das Geld zurückerstatten.
Sascha Klaverkamp, Jahrgang 1975, lebt im und liebt das Münsterland. Der Familienvater beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Sportberichterstattung. Einer seiner journalistischen Schwerpunkte ist Borussia Dortmund.
