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Wie in den Vorjahren: Droht dem BVB eine erneute Herbstdepression?
Borussia Dortmund
In den vergangenen Jahren erlebte Borussia Dortmund sehr häufig einen heißen Herbst, in dem der BVB wichtige Punkte liegen ließ und früh viel verspielte. Gibt es auch diesmal wieder dieses Szenario?
Marco Reus war es ein Bedürfnis, einige Dinge klarzustellen. Seine Taktik-Kritik nach dem 1:2 in Leipzig war ihm als Kritik auch an Marco Rose ausgelegt worden, der Verein musste versichern, dass zwischen Kapitän und Cheftrainer alles in Ordnung sei. In der Süddeutschen Zeitung war dennoch von „einem Grummeln über den Trainer“ in der Dortmunder Kabine zu lesen. So meldete sich Reus am Wochenende noch einmal zu Wort, stellte klar, dass zwischen ihm und Rose „kein Blatt Papier“ passe, der Trainer „hervorragende Arbeit“ leiste und überhaupt seine Aussagen auch aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. „Es wird medial häufig gefordert, dass wir Spieler offen und ehrlich sprechen, dass das, was wir sagen, nicht nur aus Plattitüden besteht“, meinte Reus in einem Interview bei Sport 1, „aber dann geben wir bezogen auf den Spielverlauf unsere Eindrücke wieder, und es wird uns prompt tagelang eine Trainer-Kritik angehängt.“
BVB-Ergebnisse gegen Amsterdam und Leipzig rufen Zweifler auf den Plan
Doch das Kind war längst in den Brunnen gefallen. Zwei Niederlagen binnen weniger Tage zu Beginn des Monats November, das 1:3 gegen Ajax Amsterdam in der Champions League und das 1:2 in Leipzig, haben die Zweifler wieder auf den Plan gerufen und drohen die Stimmung kippen zu lassen. Denn das Rennen in der Königsklasse ist nach einem Zwei-Siege-Start wieder völlig offen, in der Liga droht der BVB bei jetzt wieder vier Zählern Rückstand erneut den Anschluss an die Bayern zu verlieren.
Die Tage werden kürzer und grauer, bei Borussia Dortmund droht die nächste Herbstdepression. Denn das ist, wenn man auf die vergangenen Jahre zurückschaut, nichts Neues für den BVB. Im vergangenen Jahr verspielte Lucien Favre sämtlichen Kredit und Dortmund mit vier Bundesliga-Niederlagen in den Monaten November und Dezember nicht nur die Chancen auf ein Titel-Wettrennen mit den Bayern, sogar die direkte Qualifikation für die Champions League geriet in Gefahr. Im Jahr davor war die Bilanz mit vier Siegen, zwei Unentschieden und zwei Niederlagen bei acht Liga-Spielen auch allenfalls durchwachsen.
In der jüngeren Vergangenheit kam der BVB zweimal unbeschadet durch den heißen Herbst
In den vergangenen acht Spielzeiten kam Borussia Dortmund nur zwei Mal relativ unbeschadet durch den heißen Herbst. Das erste Jahr von Lucien Favre war nicht nur von einem Blitzstart geprägt, als es kälter wurde, erspielte sich die Borussia mit sieben Siegen und nur einer Niederlage in den letzten beiden Monaten des Jahres auch einen Sechs-Punkte-Vorsprung auf die Bayern. Die Herbstmeisterschaft ließ Titel-Träume erblühen, der Einbruch kam allerdings dennoch. Wenn auch erst später. Auch im ersten BVB-Jahr von Trainer Thomas Tuchel war die Liga-Bilanz mit fünf Siegen und zwei Niederlagen im November und Dezember ordentlich.
Doch es ist kein Zufall, dass zwei Trainer noch vor der Winterpause ihren Job verloren (Peter Bosz, Lucien Favre) und ein dritter sich nur halten konnte, weil er Jürgen Klopp hieß. Klopps letzte Hinrunde mit dem BVB wuchs sich in der Saison 2014/15 zu einem Albtraum aus. In den Monaten Oktober, November und Dezember ließ die Bilanz von nur zwei Siegen, zwei Unentschieden und sieben Niederlagen die Borussia nicht nur zu Halloween gruseln. Echte Abstiegsangst machte sich breit, immerhin ließ der Erfolgstrainer seinen beschwörenden Worten („Wir werden in der Rückrunde einen anderen BVB erleben“) nach dem 1:2 in Bremen, dem letzten Spiel des Jahres, auch Taten folgen. Am Ende qualifizierte sich Schwarzgelb sogar noch für die Europa League, die Ehe zwischen Klopp und dem BVB zeigte aber zu deutliche Verschleißerscheinungen, als dass sie noch zu kitten gewesen wäre.
Der BVB hat noch sechs wichtige Spiele bis Weihnachten
Läuten die vergangenen beiden Pleiten in Dortmund einen unerwünschten Trend ein? Die Antwort auf diese Frage wird es sehr schnell geben. Sechs Spiele noch stehen bis kurz vor Weihnachten in der Bundesliga auf dem Programm, unter anderem mit dem Klassiker gegen die Bayern. Stolperfallen lauern allerdings auch in den anderen Partien. In der Champions League hat Dortmund ein, wenn nicht gar zwei Endspiele, in denen das Überwintern auf dem Spiel steht.
Mit der viel zu hohen Zahl an Dauerverletzten und immer wieder neuen personellen Rückschlägen ist der augenscheinlichste Grund dafür genannt, dass es an so mancher Stelle noch ruckelt bei Borussia Dortmund. Bis zum Spiel gegen Ajax und dem folgenden in Leipzig konnte die Mannschaft das von den Ergebnissen her noch kompensieren. So blauäugig, sich von den überwiegend positiven Resultaten täuschen zu lassen, waren weder Trainer und Mannschaft, noch das Management.
BVB-Lizenzspielleiter Kehl fordert: „Müssen unsere Sinne schärfen“
„Wir haben jetzt noch eine entscheidende Phase vor uns, die wir erfolgreich gestalten müssen, um unsere Saisonziele nicht aus den Augen zu verlieren“, sagte Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl nach der Leipzig-Pleite im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Wir sind alle gefordert, dafür nochmal unsere Sinne zu schärfen. Wir müssen unseren Frust jetzt in eine Trotzreaktion ummünzen.“
Die aktuelle Länderspiel-Phase, so Kehl weiter, müsse und werde der BVB nutzen. Einige schmerzlich vermisste Spieler werden zurückerwartet, wenn auch nicht Erling Haaland, der Unersetzbare. Wie schnell die Rückkehrer Form und Fitness erarbeiten können, ist aber eine spannende Thematik. Und so waren auch Reus‘ deutliche Worte vor allem wohl das: Die Sorge, im Herbst mal wieder alles zu verspielen. Wie es schon mehrfach passiert ist. Noch kann die Mannschaft daran arbeiten, dass es anders kommt.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
