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BVB-Kampf um die Stammplätze: Lehrling Reyna fordert Kapitän Reus
Borussia Dortmund
Der Konkurrenzkampf im offensiven BVB-Zentrum spitzt sich nach dem Reinier-Transfer zu. Auch Marco Reus sieht Licht am Ende des Tunnels. Vier Spieler wetteifern um die berühmte Nummer zehn.
Wenn sich solche Chancen bieten, dann darf mal wohl nicht lange zögern. Also griff Borussia Dortmund zu, als sich die Gelegenheit ergab, Reinier Jesus Carvalho für zwei Jahre von Real Madrid auszuleihen - zumal man diesen hoch talentierten 18-jährigen Brasilianer schon seit geraumer Zeit beobachtet habe, wie BVB-Sportdirektor Michael Zorc nach dem feststehenden Transfer zugab.
BVB-Neuzugang Reinier begibt sich in einen harten Konkurrenzkampf
Reinier begibt sich in einen beinharten Konkurrenzkampf, denn gleich drei weitere Spieler bevorzugen wie der junge Brasilianer den zentralen Platz im offensiven Zentrum. Julian Brandt hat dort am Ende seiner Zeit bei Bayer Leverkusen die vielen Freiheiten, die ihm Trainer Peter Bosz gestattete, optimal genutzt und außergewöhnliche Leistungen in Serie gezeigt. In Dortmund hat ihn Lucien Favre zunächst auch außen getestet, bevor er ihn immer öfter auch in die Mitte beorderte. Seine Vielseitigkeit - und eine potenziell eher dünne Besetzung der Außenbahnen - könnten allerdings dazu führen, dass ihn sein jetziger Trainer erneut wie in der Vorsaison öfter auch auf außen einsetzt.
Borussia Dortmunds Zukunft im zentralen offensiven Mittelfeld konnte man in den Testspielen im Rahmen des Trainingslagers in Bad Ragaz bestaunen. Giovanni Reyna scheint nach den Eindrücken in der Schweiz bereit und willens, den Sprung von der ersten Einwechsel-Option zum Stammspieler zu machen - am liebsten auf der „10“, wie der junge Amerikaner erklärte. Den selbstbewussten Worten folgten zwei imposante Auftritte in den Tests gegen Altach und Austria Wien, die zeigten, dass Reyna nicht nur mitspielen will. Er will dem Dortmunder Offensivspiel eine Richtung geben. Und es mit seinem Stil prägen. Reynas Gespür für diese Rolle ist für sein Alter schon erstaunlich ausgeprägt. Favre lobt den noch 17-jährigen als „extrem clever“, Reyna laufe viel und richtig, er besetze die Räume mit gutem Auge. „Zwischen den Linien“, so Favre, „macht Gio das richtig gut.“
Zeitpunkt eines möglichen Reus-Comebacks ist offen
„Lehrling fordert Kapitän heraus“, dieses Szenario rückt näher, seit Marco Reus überraschend in den Dunstkreis der Mannschaft zurückgekehrt ist. Noch in der Schweiz hatte Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl auf Nachfrage erklärt, Reus trainiere in der Heimat „nur sehr, sehr dosiert“. Das klang danach, als ob der 31-Jährige und sein Herzensklub einmal mehr viel Geduld bräuchten. Auch wenn nach Reus‘ Stippvisite beim Training am Mittwoch niemand irgendwelche Erwartungen formulieren wollte, wird mit der Anwesenheit des Kapitäns in Teilen des Trainings der Zeitpunkt eines möglichen Comebacks doch für alle greifbarer. Dass Reus endlich weitgehend schmerzfrei ist, hat für neue Motivation gesorgt.
Reus‘ Rolle in diesem von großem Talent gespickten Kader sollte niemand unterschätzen. Das hat Sportdirektor Zorc so formuliert, nachdem die Trainingsversuche des Kapitäns in der Phase nach dem Re-Start der Liga immer wieder von Rückschlägen begleitet waren und Zweifel laut wurden, dass Marco Reus noch eine tragende Rolle würde spielen können. Seine Umsicht am Ball und seine Abschlussstärke prädestinieren ihn für das Mittelfeld-Zentrum, auf das er in gewisser Weise aber auch festgelegt ist. Denn ein Mann für Eins-gegen-Eins-Duelle auf der Außenbahn ist Marco Reus nicht mehr.
BVB-Trainer Lucien Favre kommt dieses Luxusproblem entgegen
Die jungen Wilden werden nicht freiwillig klein beigeben im Kampf um das symbolische Trikot mit der Nummer „10“. Wie schnell auch Rainier dort auf sich aufmerksam machen kann, werden vielleicht schon die nächsten Trainingstage zeigen. Zeit zur Eingewöhnung soll dem 18-Jährigen gegeben werden, klar ist aber auch, dass die Leihe verknüpft ist mit großen Erwartungen - seitens des Spielers mindestens so wie seitens seines Stammvereins und seitens der Borussia, die sich eine ähnliche Entwicklung erhofft wie es bei Achraf Hakimi der Fall war.
Es drubbelt sich also im Zentrum beim BVB - Trainer Lucien Favre kommt dieses Luxusproblem eher entgegen, als das es aus seiner Sicht Konfliktpotenzial birgt. Zwei der vier Kandidaten für das Zentrum sind sehr jung, sie sind entsprechend anfälliger für Leistungsschwankungen und müssen mit Augenmaß geführt werden. Genügend Raum für Einsätze aller Spieler bietet die enge Spiele-Taktung im Herbst ohnehin.
Favre ist bereit, die BVB-Verantwortung in junge Hände zu legen
Dass Favre aber durchaus bereit ist, die Verantwortung in junge Hände zu legen, haben die ersten Testspiele gezeigt. Gegen Altach besetzte der 62-Jährige die Mitte mit Reyna und dem auf der Acht aufgebotenen Jude Bellingham. Nicht zufällig lobte er anschließend die zwei Jungspunde, weil sie eine Qualität mitbringen würden, die Favre in seinem Kader noch für unterrepräsentiert hält: Kreativität und Tempo.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
