
© Felix Püschner
Industrie- und Gewerbegebiet in Werne: Das müssen Sie vor dem Bürgerentscheid wissen
Politik und Wirtschaft
Am Sonntag (12. Dezember) entscheidet sich, ob die Planungen für ein Industrie- und Gewerbegebiet an der Nordlippestraße in Werne eingestellt werden – oder nicht. Die wichtigsten Infos im Überblick.
Der Tag der Entscheidung steht kurz bevor. Für diejenigen, die ihre Stimme bislang noch nicht per Briefwahl abgegeben haben, fassen wir die wichtigsten Punkte rund um das Industrie- und Gewerbegebiet (auch „Kooperationsstandort“ genannt) noch einmal zusammen.
Worüber können die Werner Bürger genau abstimmen?
Die Fragestellung auf dem Stimmzettel kann irritierend wirken. Sie lautet: „Sind Sie dafür, dass im Bereich der Nordlippestraße Nord KEIN Gewerbegebiet/Industriegebiet entwickelt wird?“ Das heißt: Wer gegen weitere Planungen ist, muss mit JA stimmen. Wer möchte, dass die Stadt die Planungen weiter vorantreibt, muss mit NEIN stimmen.
Wie kann man seine Stimme noch abgeben?
Das geht entweder direkt in einem der zugewiesenen Wahllokale am Sonntag (12. Dezember) von 8 bis 18 Uhr oder per Briefwahl. Am Freitag (10. Dezember) um 18 Uhr endet die Antragsfrist für die Briefwahl. Die Stadtverwaltung Werne hat daher für Wahlangelegenheiten am Freitag zusätzliche Öffnungszeiten von 13 bis 18 Uhr. Für Fälle von plötzlicher Erkrankung hat das Wahlamt am Samstag (11. Dezember) von 8 bis 13 Uhr geöffnet.
Wo soll der Kooperationsstandort entstehen?
Grundsätzlich geht es um eine 31 Hektar große Fläche nördlich der Nordlippestraße. Der Regionalverband Ruhr (RVR) hatte in seinen bisherigen Planungen darüber hinaus auch eine 28 Hektar große Fläche südlich davon mit einbezogen. Allerdings haben Stadt und Politik in den vergangenen Monaten immer wieder betont, nur die nördliche Fläche entwickeln zu wollen. Dem RVR habe man dies auch deutlich mitgeteilt, versicherte Bürgermeister Lothar Christ.
Wie weit sind die Planungen für das Industrie- und Gewerbegebiet fortgeschritten?
Die Politik hatte bereits im März mehrheitlich für eine Änderung des Flächennutzungsplans – von landwirtschaftlicher zu gewerblicher Fläche – und die Aufstellung eines Bebauungsplans gestimmt. Zugleich hat sie die Verwaltung damit beauftragt, eine Rahmenplanung zu erarbeiten.
Diese zielt offiziell darauf ab, „Voraussetzungen für ein möglichst umweltverträgliches und nachhaltiges Gewerbegebiet“ zu schaffen. Die Rahmenplanung bildet die Grundlage für alle weiteren Planungen und umfasst unter anderem Konzepte für Energie und Verkehr. Vieles ist also noch ziemlich abstrakt.
Wozu braucht es dann überhaupt einen Bürgerentscheid?
Ganz einfach: Weil der Rat dem Bürgerbegehren nicht gefolgt ist. Die Begehrenden forderten darin die Aufhebung der bislang gefassten Beschlüsse. Politik und Stadt erhoffen sich nun von den Bürgern grünes Licht, damit sie grundsätzlich weiter prüfen können, ob und inwiefern sich ein Industrie- und Gewerbegebiet tatsächlich an besagtem Standort entwickeln lässt.
Erste Voruntersuchungen hat es mit Blick auf die Umweltauswirkungen bereits gegeben. Diese ergaben, dass in den Bereichen Tiere/ Pflanzen/ Biologische Vielfalt sowie Boden, Wasser und Landschaft „mit keinen erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist“. Im Bereich Luft/Klima ist hingegen durchaus mit erheblichen Auswirkungen zu rechnen. Sollten die Planungen fortgeführt werden, würden noch weitere Gutachten folgen.
Welche Art von Betrieben dürfte sich ansiedeln?
Offiziell würde es sich um ein Industriegebiet handeln. Die Stadt begründet diese Festsetzung einerseits mit der Größe der Unternehmen. Die müssen laut RVR nämlich einen Flächenbedarf von mindestens 5 Hektar haben. Zum anderen wird die Festsetzung damit begründet, dass nur diese einen Drei-Schicht-Betrieb ermöglicht. Stadt und Politik stehen allerdings im Wort: Eine „Schwerindustrie“ soll es an dem Standort definitiv nicht geben.
Wer entscheidet, welche Unternehmen sich ansiedeln dürfen?
Im Zuge des jüngsten Bürgerforums versicherte Wernes Bürgermeister auch in Richtung eines anwesenden RVR-Vertreters: „Die Entscheidungen fallen in Werne. Etwas anderes wird es mit mir nicht geben.“ Bei der Auswahl der Firmen soll ein Kriterienkatalog helfen, der im Detail noch erarbeitet werden muss und Aspekte wie Klimaschutzmaßnahmen und die Anzahl der Arbeitsplätze beinhaltet. Man wolle weder rauchende Schornsteine noch große Logistik-Unternehmen, die viel Fläche benötigen, aber nur wenige Arbeitsplätze schaffen, hieß es von Seiten des Bürgermeisters.
Welche Argumente sprechen für den Kooperationsstandort an der Nordlippestraße?
Die Befürworter des Standorts argumentieren unter anderem mit wirtschaftlichen Aspekten. Ein „nachhaltiger Gewerbepark“ schaffe neue Arbeitsplätze – und sichere die bereits bestehenden. Die Stadt fürchtet nämlich, dass ansässige Unternehmen abwandern könnten, wenn sie keine räumlichen Erweiterungsmöglichkeiten in Werne haben. Aktuell stünden nur noch knapp 3 Hektar zur Verfügung.
Durch einen Kooperationsstandort könnte die Stadt außerdem mit zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen rechnen. Ein weiteres Argument der Befürworter: Wirtschaft und Klimaschutz sind keine Gegensätze. Mit den richtigen Maßnahmen (PV-Anlagen, Dachbegrünung, Luft-Wasser-Wärmepumpen und Co.) ließe sich beides gut miteinander vereinbaren.
Welche Argumente haben die Gegner vorgetragen?
Wie man es auch wendet - letztlich stellt ein Industrie- und Gewerbegebiet einen Eingriff in die Natur dar. Ein wichtiger Punkt für die Bürgerinitiative Industriegebiet Nordlippestraße (BIN) ist in diesem Zusammenhang der Erhalt des „grünen Tores zum Münsterland“. Neben der Flächenversiegelung und dem damit einhergehenden Verlust eines „Naherholungsgebiets“ gibt es seitens der Kritiker aber auch erhebliche Zweifel daran, dass Wunsch und Realität am Ende tatsächlich deckungsgleich sind.
Die Sorge ist demnach groß, dass die Stadt letztlich genau die Unternehmen bekommt, die sie eigentlich nicht haben will: Großunternehmen mit wenigen Arbeitsplätzen, die dann gegebenenfalls sogar nur prekäre Beschäftigungsverhältnisse bieten. Ein weiterer Kritikpunkt: Einige bereits in Werne ansässige Firmen haben zwar signalisiert, dass sie expandieren wollen, aber ihr Bedarf ist in den meisten Fällen geringer als 5 Hektar. Das heißt, sie kämen für das Gebiet nördlich der Nordlippestraße gar nicht infrage.
Geboren 1984 in Dortmund, studierte Soziologie und Germanistik in Bochum und ist seit 2018 Redakteur bei Lensing Media.
