Auf welche Kundschaft die Kneipe „Zum scharfen Eck“ an der Ecke Becke- und Wilhelmstraße setzte, zeigt die Doppelmotiv-Postkarte aus der Sammlung von Rudolf Kassel. Als sie im März 1910 abgeschickt wurde, führte für viele der damals zwischen 1000 und 1100 Hoeschianer der Weg von der Schicht direkt an den Tresen.
Vor allem samstags, wenn die Arbeiter ihren Lohn für die Sechs-Tage-Woche in bar in die Hand gedrückt bekamen, war die Kneipe gut besucht. „Die Löhnung wurde sofort umgesetzt“, berichtet der Historiker Dr. Andreas Acktun, der sich eingehend mit der Geschichte des Hoesch-Werks beschäftigt hat.
In die Gläser kam Hochprozentiges: „Schnapstrinken war ein Riesenproblem und sehr verbreitet unter Arbeitern.“ Es habe sogar zu tödlichen Arbeitsunfällen geführt. Schnaps in der Fabrik – so weiß Dr. Acktun – war deshalb laut Werksordnung streng verboten und ein Kündigungsgrund: „Bier durften die Jungs aber mit aufs Gelände bringen.“ Das hätten sie für die Kalorienzufuhr bei der Schufterei in Zwölf-Stunden-Schichten (mit langen Pausen) auch gebraucht.
Türkischer Kulturverein nutzt die Räume heute
Bier wurde sogar in einem eigenen Verkaufsladen des Stahlwerks in eine Art Henkelmann für Getränke abgefüllt.
Wenn die Familien verschuldet waren, sicherten die Ehefrauen oft die Löhnung, indem sie sie selbst abholten. Das war nach Absprache mit dem Personalbüro möglich. „Als in den 1960er-Jahren auf bargeldlose Zahlung umgestellt wurde, war es vorbei mit den Kneipen“, erklärt Dr. Acktun. Das „Scharfe Eck“ verschwand. Heute nutzt ein türkischer Kulturverein die Räume.
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In der Schwerter Kneipenlandschaft hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan: Mehrere Traditionsgaststätten mussten schließen, manche wurden wieder eröffnet, andere Kneipen laufen weiterhin gut. Hier eine Bestandsaufnahmen in Bildern - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.