Seit 40 Jahren sind Monika Schmelter (l.) und Marie Kortenbusch ein Paar. Aus Angst, dass ihr Arbeitgeber, die katholische Kirche, sie kündigen könnte, mussten sie ihre Liebe geheim halten. © picture alliance/dpa

#OutInChurch - Für eine Kirche ohne Angst

Monika Schmelter (65): „40 Jahre Liebe zu meiner Frau geheim gehalten“

Seit 40 Jahren lieben sie sich, doch mit der katholischen Kirche als Arbeitgeber mussten zwei Frauen aus Lüdinghausen im Geheimen leben. Jetzt outen sie sich, zusammen mit vielen anderen.

Lüdinghausen

, 28.01.2022 / Lesedauer: 5 min

Seinen Lebensmenschen finden, sich verlieben, alles miteinander teilen - das haben Monika Schmelter und Marie Kortenbusch zusammen erlebt. Seit 2020 sind die beiden Frauen aus Lüdinghausen miteinander verheiratet. Aber zueinander öffentlich stehen - das können die beiden erst seit Ende Januar. Seitdem sie in der ARD-Reportage „Wie Gott uns schuf“ - zu sehen noch in der ARD-Mediathek - bekannten, sich seit 40 Jahren zu lieben.

Denn Monika Schmelter war Leiterin eines Dienstes bei der Caritas, Marie Kortenbusch Lehrerin an einer katholischen Schule, unterrichtete Deutsch und katholische Religion. Für ihr Lieblingsfach brauchte sie zudem die Genehmigung der Kirche, die sogenannte Missio. Hätten sie sich öffentlich zu ihrer Liebe bekannt, wären wohl Kündigungen ins Haus geflattert. Inzwischen sind beide in Rente. Doch über Marie Kortenbusch schwebte das Damoklesschwert, dass sie ihre Pension von der katholischen Kirche erhält und fürchtete, man werde ihr diese Pension streichen, weil sie die im Arbeitsvertrag festgeschriebenen Loyalitäts-Obliegenheiten verletzt.

Einmischung in privateste Angelegenheiten

Das heißt tatsächlich, dass sich die katholische Kirche als Arbeitgeber in die privatesten Angelegenheiten ihrer Mitarbeitenden einmischt. Wer offen seine homosexuelle Liebe lebt oder beispielsweise auch Transgender ist, darf immer noch nicht für die katholische Kirche arbeiten. Zum Glück für Marie Kortenbusch gilt aber laut eines erfahrenen Kirchenrechtlers diese „Loyalitäts-Obliegenheit“ nur für die aktive Dienstzeit.

„Damit unsere Arbeitgeber und Kollegen nichts davon merkten, dass wir zusammen leben, haben wir bewusst unsere Arbeitsstätten weit weg von Lüdinghausen gesucht“, erzählt Monika Schmelter. Die 65-Jährige nahm dafür tägliche Fahrten von 130 Kilometer hin und zurück ins nördliche Münsterland in Kauf. Ihre Frau (62) war täglich 90 Kilometer hin und zurück zur Schule unterwegs.

Zusammen mit 123 anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der katholischen Kirche hat sich das Paar aus Lüdinghausen als queer geoutet und ein Ende ihrer Diskriminierung gefordert. © picture alliance/dpa

Nachdem sie sich, wie auch viele andere Betroffene am Montag (24.1.) im Fernsehen geoutet und geäußert haben, gab es viele positive Reaktionen. „Meine Frau hat unglaublich viele Mails von ehemaligen Schülerinnen und Schülern, aber auch von früheren Kollegen bekommen. Eine Frau aus Lüdinghausen, die wir nur vom Sehen kennen, brachte uns einen Blumenstrauß und auch auf dem Markt sind wir angesprochen worden.“ Post bekamen sie von der Vermieterin eines Ferienhauses, in dem sie öfter Urlaub gemacht haben.

Durch die Hintertür zur Trauung

Und auch zu ihrer bewusst heimlichen Hochzeit vor zwei Jahren, als sie durch die Hintertür zur Trauung gingen, und über die sie im Film erzählten, bekamen sie nun viele Gratulationen per Post. „Von meiner früheren Arbeitsstelle kam keine Reaktion. Außer einem Anruf einer früheren Mitarbeiterin, die aber dort auch schon lange nicht mehr tätig ist“, so die 65-Jährige.

Seit einem Jahr wurde das öffentliche Outing im Rahmen von „OutInChurch - Für eine Kirche ohne Angst“ vorbereitet. „Im Untergrund, es gibt ein deutschlandweites Netzwerk. Wir haben über interne Kanäle zueinander gefunden und dann bei einer Ideenwerkstatt überlegt, wie wir uns gleichzeitig outen können, denn wir brauchen den gegenseitigen Schutz“, so Monika Schmelter.

Erst waren es 80 Betroffene, dann schließlich stieg die Zahl auf 125. „Wir kannten die Aktion der Künstler und Schauspieler ,Act out‘, die sich gemeinsam geoutet hatten. Auch wir haben überlegt, ob es sinnvoll ist, nach diesem Vorbild auch eine Anzeige in einer überregionalen Zeitung zu schalten.“ Das scheiterte allerdings an den Kosten. Ein Netzwerk-Mitglied kannte den bekannten investigativen Fernseh-Journalisten Hajo Seppelt, der schon vor zehn Jahren eine ähnliche Doku plante, wie es nun „Wie Gott uns schuf“ ist. Aber er fand nicht genügend Gesprächspartner oder Gesprächspartnerinnen.

Als „menschenverachtend“ gesehen

Zusammen mit Seppelt und seinem Team entstand die Dokumentation, in der Monika Schmelter am Anfang sagt, sie habe die Situation, in der sie ihre Liebe zu einer Frau nicht öffentlich leben konnte, als „menschenverachtend“ gesehen, als Unterdrückung. „Indem wir uns outen, brechen wir das Schweigen und damit bricht auch die Macht. Es ist ein Aufbruch in das Land der Freiheit, wie ein katholischer Priester, der schwul ist, in der Doku am Ende sagt.“

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Nach der Ausstrahlung trafen sich die Beteiligten aus dem Netzwerk per Zoom und stießen digital auf ihr Outing an. „Wir sind uns einig, dass sich das katholische Arbeitsrecht ändern muss, nur dann haben die Menschen Rechtssicherheit.“ Ansonsten gibt es für Mitarbeiter der katholischen Kirche, die in ihrer Liebe oder ihrem Privatleben nicht dem Weltbild der Kirche entsprechen, keine Möglichkeit, gegen Kündigungen zu klagen. Monika Schmelter: „Wenn die Bischöfe uns so gerne haben, wie es einige nach der Sendung nun sagen, müssen sie das Arbeitsrecht ändern.“

Wie belastend das Schweigen-Müssen für die beiden Frauen war, lässt sich nur erahnen. Als Monika Schmelters Vater vor zehn Jahren starb, sagte sich auch ihr Chef zur Beerdigung an. „Er fuhr vom Münsterland bis nach Köln, das war auch ein Zeichen der Wertschätzung für mich.“ Gleichzeitig aber durfte Marie Kortenbusch in der Kirche nicht an ihrer Seite sein, musste bei der Beisetzung einige Reihen hinter ihr stehen, damit der Chef nicht merkt, dass sie ein Paar sind. „Das habe ich als entwürdigend erlebt“, bekennt Marie Kortenbusch in der Doku.

Die beiden Frauen lernten sich in Münster kennen, als die Nachbarinnen in einer Wohnung waren. Marie Kortenbusch studierte in der Universitätsstadt und Monika Schmelter war von ihrer Ordensgemeinschaft ebenfalls zum Studium nach Münster geschickt worden. „Wir näherten uns langsam an, dann hat es gefunkt“, erinnert sich Monika Schmelter.

Monika Schmelter (r.) und Marie Kortenbusch fordern, wie ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus dem Netzwerk eine Änderung des katholischen Arbeitsrechts. © picture alliance/dpa

1978 trat die Kölnerin, die in ihrem Elternhaus katholisch sozialisiert worden war, in die aus Italien stammende Ordensgemeinschaft ein, die im Ruhrgebiet beheimatet ist. „Es war eine junge, dynamische Gemeinschaft, die Schwestern strahlten etwas aus, waren sehr weltoffen. Das hatte eine Anziehung auf mich.“ Sie habe sich damals „ein bisschen verkehrt gefühlt und dachte, wenn ich in einen Orden eintrete, brauche ich mich um das Thema Sexualität vielleicht nicht kümmern, falle unter so vielen Frauen durch mein Anderssein nicht auf. Aber das war natürlich ein Irrtum. Ich hab mich auch mal in eine Mitschwester verknallt.“

Die echte Liebe aber fand sie bei Marie Kortenbusch. Seit 30 Jahren leben sie zusammen in Lüdinghausen, haben dort auch ein Netzwerk von Menschen, die schon länger wissen, dass sie ein Paar sind. „Wir haben uns auch schon in einem evangelischen Gottesdienst zum Valentinstag öffentlich geoutet, indem wir über unsere Beziehung gesprochen haben.“

Doppelmoral der Kirche macht fassungslos

Jetzt aber entschlossen sie sich, wirklich ganz an die Öffentlichkeit zu gehen, auch um jüngeren Menschen zu helfen, die noch aktiv in der katholischen Kirche arbeiten und Angst haben, sich zu ihrer gleichgeschlechtlichen Liebe zu bekennen oder dazu, im falschen Körper zu leben und das nun zu ändern.

Was Monika Schmelter fassungslos macht, ist die Doppelmoral der Kirche. „Wir werden diskriminiert, weil wir Menschen des gleichen Geschlechts lieben, und gleichzeitig vertuscht die Kirche, dass in ihren Reihen Sexualstraftäter leben und arbeiten.“ Sie und ihre Frau hoffen, dass sich nun wirklich etwas ändert, dass mehr Menschen den Mut finden, sich zu wehren, damit es nicht mehr heimliche Liebe geben muss.

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