
© Thomas Aschwer
Pfarrer zu Spaziergängern: „Wer eine Meinung hat, muss Gesicht zeigen“
Ulrich Franke
Ulrich Franke, Pfarrer in St. Vitus, hat Verständnis für Menschen, die mit Vorschriften in der Pandemie hadern. Er positioniert sich gleichzeitig klar gegen Rechtsradikale und hat eine Bitte.
Die „Spaziergänger“ in Olfen haben gerade in der vergangenen Woche deutlich weniger Menschen mobilisiert als eine Gegenbewegung aus den Reihen der katholischen und evangelischen Kirche. Aus Sicht von Ulrich Franke, der ausdrücklich als Person und nicht für die katholische Kirchengemeinde St. Vitus Position bezieht, war das eine „gute Initiative“.
Sie werbe um Mitmenschlichkeit und mache sich dafür stark, miteinander ins Gespräch zu kommen. „Das ist wichtig. Damit bekommt die Mehrheit, die Corona-Maßnahmen für sinnvoll hält, ein Gesicht.“ Franke hofft darauf, dass die Gruppe noch größer wird. „Wir müssen diesen Leuten, die fanatisch sind oder für andere politische Zwecke diese Pandemie missbrauchen, deutlich zeigen: Es gibt eine Mehrheit in der Bevölkerung, die euch dabei nicht unterstützt.“
In den beiden vergangenen Wochen hat Franke festgestellt, dass unter den Spaziergängern - eine sehr bunt gemischt Gruppe - auch Menschen sind, die der rechten Szene zuzuordnen sind. „Ich sage deshalb auch Menschen, die ihre Kritik äußern wollen: Überlegt euch bitte, mit welchen Menschen ihr da geht. Ob ihr mit Querdenkern oder Rechtsradikalen wirklich gemeinsam unterwegs sein wollt und diesen Menschen somit ein Forum gebt.“
Pfarrer wirbt für einen Umgang mit Respekt und Verständnis
Gleichzeitig macht sich Ulrich Franke dafür stark, „den Aggressionspegel zu senken. Wir müssen wieder versuchen, auch empathisch miteinander zu reden. Ich gebe gerne zu, dass ich das an den beiden Dienstagabenden nicht immer getan habe. Aber meine Bereitschaft ist wirklich dazu da. Wo ich etwas falsch sehe, bin ich bereit, das einzugestehen. Ich erwarte das aber auch von meinem Gegenüber.“ Aus Sicht des Pastors ist es enorm wichtig, „mit Respekt und Verständnis miteinander umzugehen.“ Eine klare Forderung hat Franke auch gegenüber den politischen Entscheidungsträgern. Der Pfarrer fordert Ehrlichkeit. Es sei enorm wichtig, die Fakten zu sehen und sie deutlich zu kommunizieren.
Zudem müsse der Staat eine deutliche Linie fahren. Franke kritisiert das Schwanken bei der Impfpflicht, die es zunächst „auf gar keinen Fall“ geben sollte und jetzt doch. „Das stärkt nicht die Glaubwürdigkeit und Autorität staatlicher Macht. Ein einmal eingeschrittener Kurs muss beibehalten werden. Er hilft gegen eine Spaltung der Gesellschaft.“ Wenn aber Verantwortliche in der Politik einen „Schlingerkurs fahren, werden Menschen verunsichert.“ Dabei kann Franke sehr gut verstehen, dass Menschen Coronaregeln kritisieren.
„Wir alle leiden schon seit über zwei Jahren unter dieser Pandemie - sehr viele gesundheitlich. Wir leiden alle unter den Einschränkungen. Das belastet uns alle, besonders alte Menschen sowie Kinder und Jugendliche. Ich kann auch die Menschen verstehen, die die Coronaregeln kritisieren, weil es immer wieder Meldungen gibt, die daran zweifeln, ob die verordneten Maßnahmen auch funktionieren, greifen.“ Letztendlich glaubt Franke aber, „dass es gute Gründe gibt, diese Einschränkungen zu befolgen.“
Auch nach der Pandemie noch in die Augen schauen können
Viele „Spaziergänger“ sehen das aber komplett anders. Durch die etwas aufgeheizte Situation bei den Spaziergängen sei es für ihn (Franke) schwierig gewesen, sich zu unterhalten. „Die Leute (Spaziergänger) holen ihre Informationen aus ihren Medien heraus. Ein kritischer Austausch ist oft nicht möglich. Das erlebe ich auch in Mails mit zum Teil auch milden Drohungen. „Wenn Menschen nicht mehr zugänglich sind für Fakten und die Wirklichkeit, wird es schwierig, weiter im Gespräch zu bleiben.“
Allerdings will Ulrich Franke weiter den Versuch starten. „Wenn alles überstanden ist müssen wir uns weiter in die Augen schauen können. Deshalb ist es wichtig, dass wir jetzt auch gut miteinander kommunizieren.“ Der Pfarrer könnte sich deshalb auch ein Angebot wie in Halberstadt vorstellen, um auch in Olfen „Menschen mit ehrlichen Fragen mit kompetenten Personen ins Gespräch zu bringen.“
Journalist aus Leidenschaft, Familienmensch aus Überzeugung, Fan der Region. Als Schüler 1976 den ersten Text für die Ruhr Nachrichten geschrieben. Später als Redakteur Pendler zwischen Münsterland und Ruhrgebiet. Ohne das Ziel der Arbeit zu verändern: Die Menschen durch den Tag begleiten - aktuell und hintergründig, informativ und überraschend. Online und in der Zeitung.
