Ruhrtriennale feiert drei Jahre lang die „Zwischenzeit“

Festival beginnt am 9. August

Die Ruhrtriennale ist im Anflug. Am 9. August landet sie symbolisch mit einem begehbaren Flugzeug-Kunstwerk auf dem Festival-Campus an der Bochumer Jahrhunderthalle. Eine von vielen neuen Ideen.

Essen

, 24.04.2018, 17:41 Uhr / Lesedauer: 3 min
Intendantin Stefanie Carp und ihr „Artiste associé“ Christoph Marthaler haben das Programm ihrer ersten Ruhrtriennalen-Saison auf Pact Zollverein in Essen vorgestellt.Foto: Ursula Kaufmann

Intendantin Stefanie Carp und ihr „Artiste associé“ Christoph Marthaler haben das Programm ihrer ersten Ruhrtriennalen-Saison auf Pact Zollverein in Essen vorgestellt.Foto: Ursula Kaufmann

Die Ruhrtriennale erkundet vom 9. August bis 23. September das Lebensgefühl einer „Zwischenzeit“. In 33 Produktionen, davon 20 Eigen- und Koproduktionen und 16 Uraufführungen in 94 Vorstellungen mit 920 Künstlern aus 30 Ländern, rückt Stephanie Carp als neue Intendantin in den nächsten drei Jahren die gesellschaftlichen Umbrüche und Aufbrüche in unserer Zeit in den Mittelpunkt.

„Noch nie haben wir so stark erlebt, dass sich bereits übermorgen alle unsere sozialen, ökonomischen und kulturellen Verhältnisse verändern werden. Wir wollen in den nächsten drei Jahren neu denken, neu empfinden, neu wahrnehmen“, sagte die 61-Jährige am Dienstag bei der Präsentation ihres ersten Festival-Programms in Essen. An ihrer Seite saß Regisseur Christoph Marthaler – „das künstlerische Zentrum der nächsten drei Jahre“, so Carp.


Musiktheater

Musik steht im Mittelpunkt dieses wichtigsten Festivals in der Region. Drei Musiktheaterproduktionen stehen in dem orangenen Programmbuch. Endlich gibt es wieder ein richtiges (unbebildertes) Buch nach den Karten-Flyern der vergangenen Jahre. Allerdings ist es nach Daten und nicht nach Genres sortiert.

Die spektakulärste Operninszenierung dürfte „Universe, Incomplete“ von Charles Ives sein (17.-25.8.). Marthaler entwickelt mit Dirigent Titus Engel aus dem Fragment mit 115 Musikern der Bochumer Symphoniker, Tänzern und Schauspielern eine „Szenerie“, für die alle Zwischenwände der Jahrhunderthalle Bochum geöffnet werden.

Auch die Eröffnungspremiere ist eine Oper: Der südafrikanische Weltstar und documenta-Künstler William Kentridge zeigt in „The Head and the Load“ zu Musik von Philip Miller mit 180 Performern einen Bilderbogen aus Musik, Tanz und Kunst (9.-12.8., Kraftzentrale Duisburg).

„Das Floß der Medusa“ von Hans Werner Henze, ist ein Oratorium. Regisseur Kornél Mundruczó bringt das vor 50 Jahren unter Tumulten uraufgeführte Werk als inszeniertes Konzert (Leitung: Steven Sloane) in die Jahrhunderthalle (31.8. bis 2.9.).


Schauspiel

Fünf Schauspielproduktionen bietet das Festival, die populärste ist „Bekannte Gefühle, gemischte Gesichter“, die Marthaler zum Abschied der Castorf-Ära an der Berliner Volksbühne inszeniert hat. Das Stück, in dem Schauspieler zu Kunstwerken eines Museums werden, kann nicht in einem Industrieraum aufgeführt werden, weil es Theatertechnik braucht. Es ist vom 30.8. bis 2.9. im Musiktheater Gelsenkirchen zu sehen.

Spektakulär wird die Uraufführung von „Diamante“. Regisseur Mariano Pensotti baut in der Kraftzentrale Duisburg Teile der Privatstadt Diamante, die im argentinischen Dschungel liegt, nach. Die Zuschauer erwandern in sechs Stunden Aufführungsdauer diese Stadt (24.8. bis 2.9.).

Mit den „Nordstadt Phantasien“ ist die Ruhrtriennale wieder einmal in Dortmund zu Gast. Schorsch Kamerun entwickelt das Stück mit Dortmundern als begehbares Filmset (23.8. bis 8.9.).

Zwischen Broadway und Avantgarde ist „No President“ vom „Nature Theater of Oklahoma“ angesiedelt. Es geht um Schauspieler, die zum Sicherheitstrupp werden und Konkurrenz von Tänzern bekommen (14.-20.9. Zeche Zweckel in Gladbeck).

Zwei syrische Künstler bringen auf Pact Zollverein in „The Factory“ die Geschichte einer französischen Zementfabrik in Syrien auf die Bühne (11.-18.8.).


Tanz

Unter den vier Tanztheaterstücken ist „Exodus“ von Sasha Waltz (15.-20.9.) die spannendste. Die Star-Choreografin deutet das Wort Exodus zwischen Flucht und Tod (15.-20.9., Jahrhunderthalle Bochum).

Um die Migration innerhalb Afrikas geht es in „Kirina“ von Choreograf Serge Aimé Coulibaly (18.-22.8., Zeche Zweckel Gladbeck).

„Black Privilege“ (über Rassismus in Südafrika, 22.-28.8.) und „Jaguar“ von Choreografin Marlene Monteiro Freitas, das mit dem Silbernen Löwen der Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde (6.-9.9.), sind Kooperationen mit Pact Zollverein.


Bildende Kunst

Die Stadt Kassel sammelt noch Spenden, um den Obelisken von Olu Oguibe kaufen zu können. Im Bochumer Westpark an der Jahrhunderthalle gestaltet der documenta-Künstler eine neue Skulptur auf einem Industrie-Relikt (16.8. bis 23.9.). Und er arbeitet mit Kindern zum Steinkohlenbergbau und zeigt die Ergebnisse in einer Foto-Schau im Foyer der Halle.

In Essen ist Video-Künstlerin Bouchra Khalili zu Gast und zeigt im Museum Folkwang Videoarbeiten. Auch Khalilis documenta-Beitrag „The Tempest Society“ ist dort zu sehen (24.8. bis 21.10.).

Eine Kooperation mit den Urbanen Künsten Ruhr ist die Videoinstallation „Vom Nutzen der Angst“ der Berliner Künstlerin Peggy Buth in der ehemaligen Kirche St. Barbara in Duisburg (11.8. bis 23.9.).


Konzerte

Die Konzerte im Maschinenhaus gibt es weiter, sie heißen jetzt „Maschinenhausmusik“ und finden mittwochs statt.

Ein Höhepunkt ist das Multimedia-Konzert der Amerikanerin Laurie Anderson am 18.9. in der Lichtburg Essen.

Dirigent Thomas Hengelbrock gründet eine Orchesterakademie und präsentiert mit 80 Musikstudierenden am, 23.9. auf Zollverein in Essen Musik von jungen kubanischen Komponisten.

Durch verschiedene Städte zieht der „Operndolmus“ der Komischen Oper Berlin ab 30.8. und bietet „Operngeschichte im Miniaturformat“.

Die Hip-Hop-Band „Young Fathers“ tritt mit Sophia Kennedy als Support am 18.8. in der Jahrhunderthalle auf.

Ein Porträt-Konzert ist Komponistin Rebecca Saunders gewidmet (25.8., Zollverein).

Die Aufführung von Mauricio Kagels „Chorbuch“ mit dem Chorwerk Ruhr bildet das Festival-Finale (21.-23.9. auf Zollverein).×