„Ballet Revolución“ kommt ins Konzerthaus nach Dortmund

Compagnie aus Kuba

Weniges ist auf Kuba im Überfluss vorhanden. Lust am Tanz und an der Musik gehören in jedem Fall dazu. Eines der gefragtesten Ensembles kommt jetzt erneut auf Deutschland-Tour: „Ballet Revolución“. Wir haben die Compagnie in Kuba besucht.

KUBA/DORTMUND

20.12.2015, 09:00 Uhr / Lesedauer: 4 min
Ihr Lachen und ihre Körperbeherrschung lassen Heidy Batista Garcia immer in der ersten Reihe tanzen.

Ihr Lachen und ihre Körperbeherrschung lassen Heidy Batista Garcia immer in der ersten Reihe tanzen.

Arm und reich. Viel und wenig. Kaum irgendwo auf der Welt lassen sich Gegensätze so vortrefflich beobachten wie auf Kuba. Wenn die Abendsonne über Havanna die inzwischen schon deutlich in die Jahre gekommene Uferstraße Malecón in ein diesig-rotes Licht taucht, dann zieht es alle hin zum Wasser. Die einen, um gesehen zu werden. Die anderen in der Hoffnung auf ein paar Pesos, die das oftmals triste Leben ein kleines bisschen erträglicher machen.

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Im Land des Sozialismus, der Knappheit und der Improvisation gibt es nur weniges, das im Überfluss vorhanden ist. Gefühl gehört sicherlich dazu. Rhythmus, Musikalität, Freude an der Bewegung. Kubas Tänzer und Kubas Musiker gehören zu den besten der Welt. Ab dem 29. Dezember gastiert die aktuell wohl gefragteste Compagnie auf ihrer Europa-Tour in Deutschland. „Ballet Revolución“ heißt der weltweit gefeierte Cocktail aus Streetdance und klassischem Tanz, aus Salsa, Mambo und aktuellen Hits von Sia, Hozier oder Omi.

Durchtrainierte Körper

Der Proberaum des kubanischen Fernsehballetts liegt in einer der vielen engen Seitenstraßen, die Havanna so faszinierend unaufgeräumt wirken lassen wie das Kinderzimmer eines Dreijährigen. Ein alter Wachmann sitzt an einem klapprigen Holztisch, schaut aber nur müde von seiner Zeitung auf und gibt lächelnd den Weg ins Treppenhaus frei. Zwei Stockwerke weiter oben, hinter einem weiteren Büro mit Wachmann und einer Rechtskurve, lehnt Heidy Batista Garcia an einer mintgrün getünchten Wand und dehnt ihren durchtrainierten Körper.

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Die 29-Jährige geht bereits zum zweiten Mal mit „Ballet Revolución“ auf Tour. Choreograph Roclan Gonzalez Chavez positioniert sie während der Show oft in der vordersten Reihe, im Mittelpunkt, dort, wo das Auge als erstes hinfällt. Das liegt zum einen an Heidys herausragenden tänzerischen Fähigkeiten. Zum anderen aber sicher auch daran, dass die 29-Jährige jede Bewegung ihres Körpers mit einem so charmanten Strahlen ihres Gesichts begleitet, dass man sich kaum vorstellen kann, wie hart die hinter ihr liegenden Jahre der Entbehrung und die unzähligen Stunden des Trainings tatsächlich waren. Trotz aller Konzentration wirkt Heidy bei jeder Aktion federleicht und lächelt die Anstrengung einfach weg. „Es macht Spaß, ein Teil der Show zu sein“, sagt sie bescheiden.

Kubanisches Fernsehballett

Nach ihrer aktiven Zeit will sie Tanzlehrerin werden. Sie könnte auch als Außenministerin der Compagnie anfangen. Anders als Heidy Batista Garcia steht Leo vor seiner Premieren-Tour mit „Ballet Revolución“. Der 25-Jährige, der mit vollem Namen Leandro Miguel Tamayo heißt, stand schon für viele andere Shows und für das kubanische Fernsehballett auf der Bühne. Das hier, weiß er, ist aber noch einmal etwas Besonderes. „Es war immer mein Traum, zu dieser Truppe zu gehören“, sagt er in einer Probepause.

Mit zehn Jahren hat er angefangen, seitdem gehört sein Leben dem Tanz. In der Vorbereitung auf die Europa-Tour trainiert Leo bis zu sechs Stunden am Tag. Tanz natürlich, aber auch Ausdauer und Kraft. In einer kleinen Kammer neben dem Proberaum steht den Tänzern eine altertümliche Hantelbank zur Verfügung, wie sie höchstens noch Sylvester Stallone zur Vorbereitung auf seinen ersten Rocky-Film benutzt haben könnte.

Top-Stars wie Enrique Iglesias 

Roclan Gonzalez Chavez ist ein kleiner, immer ein bisschen hibbelig wirkender Mann, der seine Sonnenbrille wahrscheinlich noch nicht einmal unter der Dusche abnimmt. In Kuba ist der 39-Jährige ein Star. Betritt er eine Bar, schauen alle Frauen erst zu ihm herüber, um dann tuschelnd die Köpfe zusammen zu stecken. Auf der Insel entsteht kaum ein Musikvideo, das nicht seine künstlerische Handschrift trägt. Auch Top-Stars wie Enrique Iglesias vertrauen auf das Können des Kubaners.

Als Choreograph ist Roclan der Mensch gewordene Wahlspruch jeder Fleischerei-Fachverkäuferin. „Darf es auch ein bisschen mehr sein?“ Diesen Satz könnte er sich glatt auf seine muskulöse Wade tätowieren lassen. So wenige echte Atempausen bietet die rund zweistündige Show. Bei der Besetzung des Ensembles kann der 39-Jährige auf einen schier unerschöpflichen Fundus neuer Tänzer zurückgreifen, die entweder in der angesehenen Escuela Nacional de Arte (Nationale Schule der Künste) oder der nicht minder renommierten Escuela Nacional de Ballet (Nationale Ballettschule) ausgebildet werden. „Schon die Jugendlichen haben eine unwahrscheinliche Power“, sagt er. „Diese Insel wurde wirklich von Gott gesegnet.“

Extra-Kick an Energie

Ein klassischer Mojito, Kubas Cocktail numero uno, vereint fünf Zutaten: Limettensaft und Soda, frische Minze, Zucker und – natürlich – Rum. Die kubanische Musik kann man sich leicht wie einen solchen Mojito vorstellen. In ihr verschmelzen Einflüsse aus Frankreich und Spanien, aus Jamaika, Afrika und nicht zuletzt das Jazzige aus den USA. „So viele Rhythmen – das ist einfach fantastisch“, schwärmt Roclan Gonzalez Chavez.

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Auf der Tour wird die Musik von der siebenköpfigen „Ballet-Revolución-Liveband“ eingespielt und gesungen. „Das gibt den Tänzern einen Extra-Kick an Energie“, weiß der Choreograph. „Im Tanz und in der Musik vergessen wir unsere Probleme“, sagt der 39-Jährige – um mit größtmöglichem Pathos noch nachzuschieben: „Mann, ich liebe mein Land wirklich.“

Straßenmusiker streifen umher

Wieder zurück auf der Straße, hat sich die Dunkelheit inzwischen wie ein schwarzes Tuch über die Stadt gelegt. Ein paar Funzeln an vereinzelten Straßenkreuzungen sorgen wenigstens dafür, dass keiner über seine eigenen Füße stolpert. Wer einmal am staatlichen Elektrizitätswerk vorbeigefahren ist und die dort seit Jahrzehnten vor sich hin ächzenden Maschinen betrachtet hat, bekommt eine Ahnung davon, warum in Havanna mehr nicht zu erwarten ist.

Am Malecón wird natürlich weiter gelebt und geliebt. Bis in tief die Nacht streifen Straßenmusiker umher, um bei Bedarf schnell ihre Instrumente auszupacken und loszulegen. Ihre Energie ist ansteckend. Die Bewegungen kommen dann ganz von alleine. Die Kubaner sagen von sich selbst, sie tanzen mit den Augen, wenn sie schauen, tanzen mit der Zunge, wenn sie sprechen, und tanzen mit den Füßen, schon wenn sie den ersten Schritt gehen. Die Insel hat weniges, das so wahr ist wie dieser Satz.

Vom 2. bis zum 9. Januar 2016 sind die Tänzer der „Ballet Revolución“ im Konzerthaus in Dortmund zu Gast. Die Ticketpreise beginnen bei 46 Euro.  www.ballet-revolucion.de