
© dpa / Symbolfoto
Krisengipfel: Abrechnungsaffäre versetzt Grüne in Schockzustand
Kreistag
Die Abrechnungsaffäre wird für die Grünen zur Krise. Über drei Stunden diskutierten Mitglieder das Verhalten von Timon Lütschen und Marion Küpper: viel Frust, wenig Aufklärung.
Tapferkeit ist eine der vier Kardinaltugenden. Die kann man Timon Lütschen und Marion Küpper mit Blick auf Mittwochabend nun wirklich nicht abstreiten. Die beiden Co-Fraktionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen stellten sich nach Informationen aus Teilnehmerkreisen der innerparteilichen Diskussion über sie. Mäßigung ist allerdings auch eine Tugend. Nach der Enthüllung der Abrechnungsaffäre im Kreistag stellt sich nun offenbar auch vielen Parteifreunden die Frage, ob die Abrechnung von Verdienstausfällen maßvoll und angemessen war.
Die Abrechnungsaffäre versetzt die Partei in einen Schockzustand. Wobei die Interpretationen je nach Perspektive offenbar unterschiedliche sind: Die einen finden die Berichterstattung doof – die anderen das Verhalten von Timon Lütschen und Marion Küpper.
Lütschen und Küpper zum Rücktritt aufgefordert?
Letztere sind dem Vernehmen nach in der Mehrheit. Bei einer Abstimmung gab den Informationen zufolge nur jeder Dritte an, die Abrechnungspraxis der beiden Kreistagsmitglieder sei mit grünen Grundsätzen vereinbar. Entsprechend deutlich positionierte sich demnach eine Mehrheit zur Frage der Konsequenzen. Zwei von drei Teilnehmern sollen Timon Lütschen und Marion Küpper aufgefordert haben, ihr Mandat vorerst ruhen zu lassen; so, wie es zuvor auch schon die Parteispitzen gefordert hatten. Bekanntermaßen erfolglos. Und so wird es wohl auch bleiben, obwohl Co-Kreisparteichef Maximilian Ziel indirekt sogar den Rücktritt beider von ihrem Kreistagsmandat gefordert haben soll.

Marion Küpper soll Konsequenzen abgelehnt haben. Aus Angst, das könne als Schuldeingeständnis gewertet werden. © Alexander Heine / Archiv
Küpper soll gesagt haben, dass sei wie ein Schuldeingeständnis. Lütschen soll seinerseits angeboten haben, künftig einfach weniger Fraktionssitzungen abzurechnen und freiwillig auf einen Teil der Verdienstausfallleistungen zu verzichten.
Haltungen, die für die Partei zur Bürde würden. Ein Mandat ist frei, nicht imperativ. Insofern sind Lütschen und Küpper zwar Bündnisgrüne, aber keineswegs an den Willen der Partei gebunden. Andererseits will eben diese Partei offenbar ein Signal nach außen senden: eines, das den unbedingten Willen nach Transparenz und Aufklärung belegt.
Doch so sehr sie auch wollen, die Grünen scheinen machtlos. Zumal Timon Lütschen und Marion Küpper offenbar im Reinen mit sich sind, laut Teilnehmerkreisen weder rechtliche noch politische Fehler eingeräumt haben. Lütschen soll zwar zugestimmt haben, dass das Außenbild von Fraktion und Partei ein sehr schlechtes sei, was aber auf eine Kampagne dieser Redaktion und entsprechend tendenziöse Berichterstattung zurückzuführen sei.

Timon Lütschen soll die Berichterstattung über die Abrechnungsaffäre als Kampagne dieser Redaktion gegen seine Fraktion bezeichnet haben. © Alexander Heine / Archiv
Die Abrechnungsaffäre stürzt die Partei auch in eine Art Sinnkrise. Es geht plötzlich um moralische Grundsatzfragen. Dass zwei der Ihren aus einem Ehrenamt heraus so hohe Summen an Verdienstausfällen geltend machten sei nicht vereinbar mit dem Anspruch an grüne Bescheidenheit, soll es geheißen haben. Co-Kreisparteichefin Regina Ranft soll sogar die Definition grüner Moral in Frage gestellt haben, die die heutige Generation womöglich anders verstehe als ihre. Ein Ergebnis des Abends ist dem Vernehmen nach deshalb offenbar auch, dass eine Kommission gegründet werden soll, die sich mit dem konkreten Fall aber auch mit der Moralfrage grundsätzlich auseinandersetzen soll.
Abrechnungsaffäre: Enttäuschung und Frust bei Wahlkämpfern
Ergebnisse, die nicht wenige enttäuscht haben sollen. Teilnehmer sollen nach mehr als dreistündiger Diskussion deutlich gemacht haben, sich handfestere Handlungsvorschläge von der Veranstaltung erhofft zu haben – insbesondere mit Blick auf die Landtagswahl.
Allen voran soll Landtagskandidat Hans-Christian Hierweck aus Schwerte sich verärgert ob der Situation gezeigt haben: Was in der Kreistagsfraktion geschehen sei, sei nicht vereinbar mit seinem Wertekodex, soll er gesagt haben – und auch, dass er sich nicht vorstellen könne, das Verhalten von Timon Lütschen und Marion Küpper in der Öffentlichkeit zu verteidigen.
Übrigens soll der Kreisvorstand sich hilfesuchend auch an den Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen gewandt haben. Dort allerdings soll man sich in Anbetracht des Ausmaßes der Abrechnungsaffäre ebenfalls die Augen gerieben haben: Laut Teilnehmerkreisen berichtete Regina Ranft, dass es einen solchen Fall landesweit noch nicht gegeben habe.