
© Studiocanal GmbH / Luis Zeno Kuh
Kinofest Lünen: „Hannes“ bot zur Eröffnung eine berührende Geschichte
Kinofest Lünen
Mit diesem Eröffnungsfilm sorgte das Kinofest am Dienstag (23.11.) für mehr als einen Aha-Effekt. Berührende Geschichte, großartige Darsteller und einfühlsame Regie zeichnen „Hannes“ aus.
Mit der Entscheidung für den Eröffnungsfilm „Hannes“ bewies die neue künstlerische Leiterin des Lüner Kinofestes ein gutes Gespür. Sonja Hofmann holte die Verfilmung von Rita Falks erstem Roman, auf die Lüner Leinwand. Eine Geschichte über zwei junge Männer, die seit ihrer Geburt befreundet sind und deren Leben durch einen tragischen Unfall aus den Fugen gerät. Ab Donnerstag (25.11.) kommt er in die Kinos.
Drehbuchautor Dominikus Steinbichler war in Lünen dabei, sein Cousin, Regisseur Hans Steinbichler, konnte nicht kommen. „Hans und ich haben schon ein paar Sachen zusammen gemacht und weil die Geschichte einfach zu mir passt, hat er mir das Drehbuch angeboten“, erzählte Dominikus Steinbichler. Einiges aus dem Roman für den Film umzusetzen, sei nicht so einfach gewesen. Aber er habe sich von Anfang an in dem Setting der Geschichte wohlgefühlt. „Ich kannte die ganze Szenerie aus meiner eigenen Jugend, habe das Gefühl, der Brenninger aus dem Roman und dem Film, das bin eigentlich ich.“
„Leute haben zu weinen begonnen“
Bisher hat Dominikus Steinbichler vor allem fürs Fernsehen gearbeitet. „Hannes“ ist sein erstes Drehbuch für einen Kinofilm. Vor Lünen lief der Film schon in Starnberg und Kitzbühel: „Die Leute haben immer wieder zu weinen begonnen.“ Die letzten Szenen zu schreiben, die sich ums Loslassen und Abschied drehen, das sei „die Hölle gewesen, weil es so wehgetan hat. Meine Frau war damals schwanger, sie hat diese Szenen nur einmal gelesen.“
Bis zum Beginn der Dreharbeiten hatte der Autor keinen Kontakt mit Rita Falk. „Hans hat Rita das Drehbuch gegeben und sie hat auch gesehen, dass die Änderungen im Vergleich zum Roman notwendig gewesen sind. Im Hinblick darauf, wie Freundschaft funktioniert, sind wir auf einer Wellenlänge.“ Für Dominikus Steinbichler ist „Hannes“ „eine kleine große Geschichte über Hoffnung“.
Für Rita Falk war schnell klar, dass Hans Steinbichler ihren Herzens-Roman „Hannes“ verfilmen sollte. „Es ist für mich ein ganz tiefes Drama, das einen sehr bewegt und gleichzeitig so voller Situationskomik steckt“, sagt der Regisseur. Für ihn waren drei Darsteller seine Wunschbesetzung: Leonard Scheicher, der den Moritz spielt, Johannes Nußbaum als „Hannes“ und natürlich die große Hannelore Elsner, mit der Steinbichler schon vorher zusammen gearbeitet hat. 2010 drehte er mit ihr „Das Blaue vom Himmel“.
„Ich verehre sie sehr und habe sie gefragt, ob sie in ,Hannes` die Rolle der Frau Stemmerle spielen würde. Als sie zusagte, war ich ihr unglaublich dankbar.“ Steinbichler widmete „Hannes“ der Schauspielerin: „Es war eine große Ehre und gleichzeitig sehr schmerzhaft, dass ich sie kurz vor ihrem Tod noch besuchen durfte.“ Denn dies ist die letzte Rolle der 2019 gestorbenen Schauspielerin. Für Leonard Scheicher war die Begegnung mit Hannelore Elsner vor und hinter der Kamera „wahnsinnig beeindruckend. Ich habe sie als ältere Dame erlebt, die sich ihre Spiellust bewahrt hat. Wir waren beide vor der Kuss-Szene sehr aufgeregt.“
Die beiden Hauptdarsteller fand der Regisseur in zwei Absolventen der renommierten Hochschule für Schauspiel Ernst Busch. „Leonard Scheicher ist ein für Deutschland eher ungewöhnlicher Schauspieler, nicht so laut und doch manifestiert es sich, dass er am Ende ein junger Mann ist, der weiß, wohin er geht.“ Johannes Nußbaum habe die Titelrolle sehr gereizt, weil er als Protagonist, der die meiste Zeit im Koma liegt, in diesen Part etwas hineinbringen wollte, das er so noch nicht kannte.
Neue Projekte
Beide Schauspieler sind derzeit mit neuen Projekten beschäftigt, konnten deshalb nicht nach Lünen kommen. Im Vorfeld gab es jedoch Gelegenheit zu einem Interview. „Hans hat großes Vertrauen in uns gesetzt. Er rief mich an und sagte, ich schick dir das Buch von Rita Falk und du kannst zusammen mit Johannes spielen,“ erinnert sich Leonard Scheicher.
Er war in einer Schauspielklasse zwei Jahre über der von Nußbaum. Die beiden kennen sich von der Hochschule. „Wenn wir eine Freundschaftsgeschichte im Film erzählen wollen, muss das auch persönlich so sein“, sagt Nußbaum.
Gedreht wurde 2018, als alles noch unbeschwert und ohne die Ahnung einer Pandemie war. „Hannes“ war, so Nußbaum, „nicht einfach zu spielen und auch körperlich anstrengend. Ich habe versucht es zu schaffen, dass ich dem Kollegen Energie übertragen kann, obwohl ich die meiste Zeit einfach im Krankenbett liege.“ Das ist gelungen, so Scheicher: „Es war erstaunlich, Johannes hat den Wachkoma-Patienten so gespielt, dass es wie normale Dialogszenen waren, ohne dass der andere was sagen kann. Dafür muss man schon sehr sensibel sein.“
Beide sind sich einig, dass es „tolle Rollen“ sind. Hannes der Starke und Lebensbejahende und Moritz, der sich lange von seinem Freund durchs Leben manövrieren lässt und nun selbst stark sein muss.
Um sich auf seine Rolle vorzubereiten, schaute sich Nußbaum nicht nur Dokumentationen an, sondern war Gast in einer Station für Koma-Patienten, durfte auch mit einer Patientin sprechen, die nach drei Monaten wieder aus dem Wachkoma erwacht ist. „Das Spannendste war aber, mit dem Pflegepersonal zu reden, das mir erklärt hat, wie es ist, diese Patienten zu betreuen, in ihren unterschiedlichen Stadien.“ Er habe bei der Vorbereitung auf den Dreh „ganz viele tragische Geschichten gehört, auch von Menschen, die nicht wieder in die Realität zurückfinden und wie die Pfleger und die Familien darauf reagieren.“
Beate Rottgardt, 1963 in Frankfurt am Main geboren, ist seit 1972 Lünerin. Nach dem Volontariat wurde sie 1987 Redakteurin in Lünen. Schule, Senioren, Kultur sind die Themen, die ihr am Herzen liegen. Genauso wie Begegnungen mit Menschen.
