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Fit und gesund bleiben mit Ü70: Sport im Alter kann körperliche Defizite aufhalten und verbessern
Fitness
Je älter man wird, desto mehr körperliche Defizite werden sichtbar - ein ganz normaler Prozess. Aber Senioren können mit Sport und speziellen Trainingsprogrammen dagegenhalten.
Mit Ü60 noch ins Fitnessstudio und Gewichte stemmen oder mit Ende 70 jede Woche zehn Kilometer joggen? Mit dem Alter baut der Körper immer mehr ab – Gleichgewicht, Koordination, Kraft und Ausdauer wollen nicht mehr so funktionieren wie früher. Schuld sind Muskeln, die schwächer werden, brüchigere Knochen und steifere Gelenke. Doch durch Sport können Senioren die eigenen Defizite verbessern und dem Alterungsprozess entgegenwirken.
Alfred Achtelik hat in seinem Beruf als Sportwissenschaftler im Bereich medizinische und arbeitsmedizinische Trainingstherapie und seinem Alltag als Stabhochspringer immer wieder mit den beiden Extremen zu tun: 80-Jährige, die noch Speer werfen und Gleichaltrige, die Reha oder häusliche Pflege brauchen.

Stabhochspringer Alfred Achtelik hat durch seinen Berufs- und Sportalltag immer wieder mit älteren Menschen zu tun. © Reith
Für den Nordkirchener ist es erschreckend, wie unsportlich manche Menschen im Alter sind. „Dabei lässt sich frühzeitig dagegen halten“, erklärt er. Das entsprechende Training kann nicht nur das Herz-Kreislaufsystem gesund erhalten und alltäglichen Belastungen besser standhalten. Es geht auch darum, ein selbstbestimmteres Leben zu führen.
Training in Gruppen kann positive Effekte mit sich bringen
Sportvereine können eine Anlaufstelle sein, um sich im Alter körperlich fit zu halten. Allein im Bereich Lünen gibt es insgesamt 19 Angebote – mit dabei Schwimmen, Gymnastik, Nordic Walking, Wandern und sogar Judo. Beim gemeinschaftlichen Training steht nicht nur der Sport an sich im Vordergrund, sondern auch der soziale Aspekt. Hinzu kommt, dass in Gruppen die Motivation zum Sporttreiben viel größer sei, erklärt Achtelik.
Laut einer Studie des Landessportbundes waren 2020 in NRW insgesamt 946.211 Senioren zwischen 60 und 120 Jahren in einem Sportverein angemeldet - Tendenz steigend. Die Zahlen der vergangenen zehn Jahre zeigen, dass sich immer mehr ältere Menschen für den Eintritt in einen Sportverein entschieden haben.
Vereine bieten nicht jedem ein individuelles Training
Damit ist zwar der erste Schritt in Richtung „Bewegt älter werden“ getan, doch Alfred Achtelik findet für diese Option nicht nur lobende Worte. „In den Kursen gibt es dann 20 Leute mit 18 verschiedenen Beschwerdebildern. Die Programme können gar nicht so spezifisch ausgerichtet sein, dass jedem weitergeholfen wird.“ Einige seien vielleicht unter- oder sogar überfordert. „Das müsste deutlich individueller gestaltet werden“, erklärt der 61-Jährige.
Deswegen ist für Achtelik die entsprechende Betreuung und Anleitung unerlässlich, gerade bei Quereinsteigern. Ohne kann es schnell zur falschen Durchführung oder Belastung kommen. Letztere ist deswegen richtig einzustellen, da die Strukturen eines alten Körpers ganz anders auf Trainingsreize reagieren und nicht überlastet werden sollten.
Besondere Analysen sind für Neueinsteiger zu empfehlen
Bevor sich Senioren aber für bestimmte Sportarten entscheiden, steht oftmals eine Ist- sowie Zielsetzungsanalyse auf dem Plan. Denn es ist wichtig zu wissen, ob sie erhalten, verbessern oder Schmerzen lindern möchten. „Einer braucht mehr Übungen für die Ausdauer, weil das Herz-Kreislauf-System schwächelt. Ein anderer hat Probleme mit den Gelenken“, so Achtelik. Auch die Frage nach der Intensität ist von Bedeutung. Ein Belastungs-EKG beim Arzt, das die Obergrenze festlegt, sei deswegen ebenfalls sinnvoll.

Dass man auch noch mit 78 Jahren ins Fitnessstudio gehen kann, zeigt der Werner Josef Quante ausdrücklich. Fast jeden Tag hält er sich dort fit. © Michalski
Als Sportarten empfiehlt Achtelik etwa Schwimmen, Radfahren oder Laufen, alles Dinge, die keine große Gelenkbelastung oder Schnellkraft beinhalten. Mit Ü70 noch ins Fitnessstudio zu gehen, sei ebenfalls kein Unding. Ältere Menschen sollten jedoch auf die Ausstattung achten. „Wenn es dort nur einen Gerätepark gibt und sonst kein Kleinzubehör für Stabilisations- oder Koordinationsaufgaben, ist das bedenklich, da die Trainingsreize zu eintönig sind.“ Durch komplexere Einheiten können nämlich gleich mehrere Fähigkeiten geschult werden.
Trainingseinheiten müssen regelmäßig stattfinden
Grundsätzlich ist für Achtelik wichtig, dass sich Senioren regelmäßig fit halten. „Einmal in der Woche reicht da nicht aus. Das wird auch schnell zum Alibitraining und man sieht keine Verbesserung der Fähigkeiten.“ Hinzu kommt, dass jede Einheit durch das Alter nicht mehr so extrem intensiv gestaltet wird.
Ü60 bedeutet aber nicht, dass man den Leistungssport abschreiben muss. In der Leichtathletik-Szene beobachtet Achtelik, dass die Teilnehmerzahlen bei internationalen Seniorenmeisterschaften seit Jahren steigen.
An ein Erlebnis erinnert sich der 61-Jährige besonders gern – die Senioren-EM in Madrid 2018. „Da fand der 400-Meter-Endlauf der 90-Jährigen statt. Drei Männer quälten sich mit maximalem Ehrgeiz um die zwei Hallenrunden. Das zeigt doch nur, dass regelmäßiges Sporttreiben bis ins hohe Alter so gesund hält, dass man solche verrückten Sachen machen kann.“
Seit 2016 hat mich der Lokaljournalismus gepackt. Erst bei der NRZ und WAZ gearbeitet, dann in Hessen bei der HNA volontiert. Nun bei den Ruhr Nachrichten als Redakteurin zu Hause. Wenn ich nicht schreibe und recherchiere, bin ich in den Bergen beim Wandern und Klettern unterwegs.
