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Dortmunder Oberarzt und Fußballtrainer warnt vor Corona und fordert Saisonpause
Fußball
Ein Dortmunder Kreisliga-Trainer arbeitet als Oberarzt. Beim Thema Corona und Fußball ist er zwiegespalten. Er erklärt, warum nicht so wie bisher weitergemacht werden darf – und hat klare Forderungen.
Wohl keiner hat den Stein des Weisen gefunden, welcher Umgang mit diesem gefährlichen Coronavirus im Amateurfußball der richtige ist. Viele Interessen, Sichtweisen und auch Ängste spielen da rein. Eine Idee könnte jemand haben, der als ehemaliger Fußballer und heutiger Funktionär und Trainer weiß, wie schön der Kabinenduft ist. Und der als Arzt weiß, wie gefährlich die Nähe in der Gemeinschaft, die ja auch ein Ziel des so wichtigen Sports ist, sein kann.

Hassan Belamkadem (r.) ist Neurologe, Psychiater und Allgemeinmediziner Oberarzt am Christlichen Klinikum Unna. © Udo Hennes
Hassan Belamkadem (38), Mitgründer und Trainer des Kreisligisten Phönix Hörde, langjähriger Fußballer auch in höheren Ligen, ist als Neurologe, Psychiater und Allgemeinmediziner Oberarzt am Christlichen Klinikum Unna. Er erklärt im Interview, dass er in der Tat verschiedene Ansichten in seiner Person miteinander in Einklang bringen muss. Wie es weitergehen könnte, sodass Schutz und Perspektive möglich sind, führt er zudem mit einer klaren Vorstellung aus.
Hassan Belamkadem, können wir so weitermachen wie bisher?
Nein, auf keinen Fall. Ich meine damit gar nicht nur den Fußball speziell. Das sagt aber nicht nur der Mediziner in mir. Ich habe als Vorstandsmitglied auch Verantwortung für meine Mitglieder. Und in Ihrer Aufzählung fehlt – ganz wichtig – meine Rolle als Familienvater. Dieses Virus ist verdammt gefährlich und rücksichtslos.
Kinder wollen und sollen spielen, der Sport ist ja ungemein wichtig für uns als Gemeinschaftserlebnis, hat eine soziale Funktion, gerade in Hörde, aber er ist auch so wichtig für unsere Körper. Nun sind bereits viele Menschen geimpft. Was ist nun wichtiger? Die Vorteile des Sports oder die Gefahren des Coronavirus?
Alles richtig. Das ist auch eine ganz wichtige Frage. Der Fußballer und Vater in mir sagt einerseits: Lasst uns spielen. Wir passen doch auf uns auf. Der Mediziner, der dann aber den Vater beeinflusst, sagt: Spielen, solange es geht, ja. Aber wir haben durch diese hohen Inzidenzen einen Punkt erreicht, an dem wir handeln müssen, an dem wir unsere Freunde und Kinder schützen müssen. Ich denke übrigens, dass dies im Sport draußen durch 2G gut möglich ist. Und ich sage auch, dass wir im Dortmunder Fußball in den vergangenen Wochen kaum Ansteckungen hatten. Fast alle Fußballer haben sich vorbildlich verhalten und sind meiner Meinung nach gar nicht das Problem. Das passiert nicht in den Spielen und den Mannschaften.
Ist das für Vereine nicht zu schaffen?
Nochmal: Bislang haben fast alle Vereine, die ich kenne, das ganz hervorragend gemacht. Alle Regeln haben sie bestmöglich erfüllt. Viele Ehrenamtler haben sich selbstlos in den Dienst der guten Sache gestellt. Wir wollen doch unbedingt spielen. Ich denke aber, die Politik und Verbände machen es den Vereinen enorm schwer, all das immer so schnell umzusetzen. Ich denke, die Leute, die wir kennen, unsere Spieler und Personen aus unserer engen Umgebung werden sich weiterhin vorbildlich verhalten. Das können wir auch leicht mit Nachweisen kontrollieren. Aber gehen Sie doch mal bei uns den Platz entlang und kontrollieren jeden, der kommt und geht. Die Jugendlichen, die Gästeanhänger. Wie soll das so schnell gehen? Bei uns am Schallacker kommen viele Zuschauer, die wir kennen, aber woanders sind die Anlagen offen.
Gerd Martinschledde vom Ihnen bestens bekannten VfL Hörde hat genau das beschrieben. Am Goy sitzen nicht an jedem Eingang Kassierer. Da laufen ganz gewöhnliche Spaziergänger mit ihren Hunden unter den Bäumen her.
Das ist dann noch schwieriger als es ohnehin auf engeren Sportplätzen ist. Ich glaube aber, dass wir das schaffen können. Jeder Verein hat die Möglichkeit, Leute zu motivieren, die Spieltage reibungslos und sicher über die Bühne bringen. Aber das geht nicht von jetzt auf gleich.
Wie könnte die Lösung aussehen, die alles unter einen Hut bringt?
Ich finde die Entscheidung, mit diesen Vorgaben jetzt weiterspielen zu lassen, jedenfalls nicht richtig. Wenn wir zwei Wochen pausieren, Luft holen und sagen: Leute, macht, was ihr könnt und organisiert alles, könnten wir vielleicht nach einer kurzen Pause tatsächlich guten Gewissens weitermachen. Der Amateurfußball hat so viel Kraft: Der schafft das!
Wie ist die Lage in Ihrem Verein?
Um den mache ich mir nicht die großen Sorgen. 90 Prozent sind geimpft, die Jungs handeln verantwortungsbewusst. Wir kriegen das auch hin. Wir machen ja alles, was der Verband uns sagt. Und wir spielen auch weiter, insofern wir in einer Liga, in der sich bereits vier Teams zurückgezogen haben, überhaupt Ansetzungen haben.
Was macht der Arzt und der Fußballer Hassan Belamkadem mit Leuten, die sich partout nicht impfen lassen wollen? Sie sind ja auch Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Sie werden wissen, was in Impfgegnern vorgeht…
Mit Druck werden wir unser Ziel nicht erreichen. Wenn wir immer wieder sagen: ‚Du musst, du musst, du musst‘, stimmen wir viele dieser Menschen nicht um. Ich bin mir ganz sicher, wenn wir immer wieder versuchen, sie zu überzeugen, dann erreichen wir vielleicht nicht alle kritischen Menschen, aber bestimmt so viele, dass wir dieses Virus besiegen können.
Besiegen oder mit ihm Leben, so gut es geht?
Beides. Wir leben ja bereits damit und handeln nicht mehr so restriktiv und flächendeckend. Wir müssen das auch, denn viele Menschen haben berechtigte Sorgen wegen der Einschränkungen. Sie leiden darunter. Ich bin aber auch sicher, dass dieses Virus irgendwann verschwindet. Ich als Arzt sage Patienten oder Bekannten, die mich fragen, ganz klar: „Wenn ihr euch impfen lasst, schützt ihr eure Familien, eure Mitmenschen, aber auch euch selbst. Daran gibt es keinen Zweifel. Macht es dann doch deswegen!“ Ich spreche die Leute direkt an, und zwar positiv: „Du rettest Leben!“ Und ich glaube, wenn wir so auf die Menschen eingehen und wir eine deutlich höhere Impfquote haben, reden wir bald wieder mehr über schöne Dinge im Leben.
Diese Zeit gönnen wir uns jetzt auch kurz. Phönix Hörde kommt wirklich wie Phönix aus der Asche. Vier Siege aus sechs Spielen sind keine schlechte Bilanz. Oder trüben zwei Niederlagen die Stimmung?
Nein, es läuft gut. Wir hatten uns ja bereits vor zwei Monaten unterhalten. Da sprach ich von ungefähr 50 Leuten, die sich vorstellen können, für uns zu spielen oder Vereinsarbeit zu leisten. Da sind wir jetzt nahe dem dreistelligen Bereich. Gut, wir haben beim FC Exidzan 5:8 verloren. Das war mal ein Tag, an dem alles durcheinander lief. Und das 0:4 gegen den MSV Dortmund war insgesamt eine gar nicht so eindeutige Geschichte. Das war ein positives Erlebnis. Viele Leute kamen, um Fußball auf Asche zu sehen. Und da kickten dann die bekannten Fußballer LMC und Karim (Mohamed Lmcademali und Karim Bouzerda, Anm. d. Red.) mal in der C-Liga gegeneinander. Das war ein Highlight.
Ab und an können Sie sich diesem Charme auch nicht entziehen. Dann wechselt der Trainer Hassan Belamkadem den gleichnamigen Spieler ein. Nennt der Arzt in Ihnen das Kalpakidis-Syndrom? Dimitrios Kalpakidis, jetzt Trainer des SV Sodingen, wechselte sich jüngst im Alter von 42 Jahren wieder ein.
Jetzt muss ich in diesem Gespräch mit dem sonst ernsten Thema doch lachen. Aber ja, das ist eine gute Idee. So könnten wir das bezeichnen, wenn der Drang in einem Fußballer zu groß wird, spielen zu wollen. Ich kann den Dimi aber auch ein bisschen verstehen, dass er es nicht so wirklich lassen kann. Aber ich für meinen Teil begrenze meine Einsatzzeiten schon sehr.
Gibt es denn zum Schluss eine Botschaft, die Vater, Fußballer und Arzt in Hassan Belamkadem im Einklang an alle richten könnten?
Ja, alle sind sich einig, dass wir das schaffen. Ich darf mich wiederholen: Lasst euch bitte impfen. Ihr rettet Leben. Wir alle lieben den Fußball und wollen bald wieder unbeschwert unseren Sport genießen.
Dortmunder Jung! Seit 1995 im Dortmunder Sport als Berichterstatter im Einsatz. Wo Bälle rollen oder fliegen, fühlt er sich wohl und entwickelt ein Mitteilungsbedürfnis. Wichtig ist ihm, dass Menschen diese Sportarten betreiben. Und die sind oft spannender als der Spielverlauf.
