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200 Kilometer durch den Dschungel - Schermbecker ging über den Äquator und an seine Grenzen
Extremsport
Extremläufer Hans-Jürgen Rohkämper hat in nunmehr 20 erfolgreichen Laufjahren schon vieles mitgemacht. Doch einen Zieleinlauf am Äquator hatte auch er nicht erlebt.
Rund 6000 Kilometer Anreise nahm der Schermbecker Extremläufer Hans-Jürgen Rohkämper Ende Juli in Kauf, um auf der Insel São Tomé vor der Westküste Afrikas beim Etappenlauf „The Hemisphere Crossing“ zu starten. Es sollte ein unvergessliches Erlebnis werden.
Auf die Veranstaltung hatte ihn ein Laufkollege aufmerksam gemacht und schnell war für Rohkämper klar: „So was muss man einfach in seiner Vita haben, sonst fehlt was.“ Dabei war für ihn das Ziel am Äquatorpunkt noch ein ganz besonderer Reiz. Als er dann vom Veranstalter die Starterlaubnis bekam und im erlauchten Kreis dieser ganz speziellen Laufcracks an der Startlinie stand, dachte er nur: „Jetzt gehöre ich auch dazu.“

Unterwegs mussten die Teilnehmer wegen der wechselnden Untergründe stets voll konzentriert bleiben. © GlobalLimit
Doch nach dem Start wurde es schnell ernst. Denn 200 Kilometer in sechs Tagen bei tropischer Hitze und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit über steile Berge und durch dichte Dschungel-Vegetation brachten die Läufer schnell an ihre Belastungsgrenzen. Während des Laufs mussten sich die Teilnehmer zudem noch mit eigens mitgebrachten Lebensmitteln selbst verpflegen, und geschlafen wurde jede Nacht in neu aufgebauten Camps unter Moskitonetzen.
Am ersten Tag lief alles perfekt
Am ersten Tag, einem Sonntag, lief für den Schermbecker alles noch perfekt. Er kam sehr gut mit dem rund 15 Kilometer langen Schlussanstieg zurecht, der bei tropischer Hitze über steinige Wege durch Kakao-Plantagen führte, und erreichte zur Überraschung aller das abendliche Etappenziel auf Platz fünf.
Mitten durch den Dschungel
Nach kurzem Schlaf begann die zweite Etappe mit einem kaum laufbaren 5-km-Teilstück durch tiefsten Dschungel, danach ging es etwa 10 km steil bergab. Dieses Stück lief Rohkämper wohl zu schnell, reizte sich dabei die Patellasehne, und von da an wurde jedes weitere Bergabstück zur Qual.
Doch am Abend signalisierte der Rennarzt nur ein trockenes „Go on“ und sicherte damit auch den Start zur nächsten Etappe.
Die führte mit 29 km und 800 Höhenmetern über einen noch anspruchsvolleren Untergrund als am Vortag. Bei aller Konzentration unterlief Rohkämper dabei ein fataler Fehler. Er verpasste einen Abzweig, musste umkehren, und der dadurch entstandene Zeitverlust warf ihn bis zum Abend auf Platz neun zurück.
Am vierten Wettkampftag forderte die Königsetappe über 59 km mit 1700 Höhenmetern wegen der Distanz und den schwierigen technischen Anforderungen des Untergrunds die maximale Leistung aller Sportler. Tiefster Dschungel, steinige ausgetrocknete Flussläufe, Flussüberquerungen und kilometerlange, grobsteinige Sandwege zwangen zu höchster Konzentration und einem eher ruhigen Tempo. Ständiger Pflanzenkontakt erzeugte ein brennendes Jucken am ganzen Körper, und so wurden Schlangen und handtellergroße Spinnen unterwegs zu einer fast belanglosen Randerscheinung. Im Camp spürte man am Abend die Erleichterung darüber, dass alle Teilnehmer noch im Rennen waren.
Am fünften Tag des Laufs fand Rohkämper schnell den Tritt in die vorletzte Etappe und spulte die angesagten 28 km ohne größere Probleme ab. „Oberstes Ziel war, bloß nicht mehr stürzen oder gar umknicken“, erzählt er. Im Camp folgte dann ein letztes Mal die Routine aus Trinken, Essen, Dehnen und Schlafen, alles andere wurde einfach ausgeblendet.
Und dann führte am Freitag, dem sechsten Tag des Rennens, die letzte Etappe endlich zum Ziel auf dem Äquatorpunkt. Dieser liegt auf einer kleinen Insel neben der Hauptinsel São Tomé. Deshalb wurden alle Teilnehmer nach 10 Kilometern in Sechsergruppen mit Booten auf das kleine Eiland gebracht, mussten dort aber noch eine allerletzte, fiese Strapaze überstehen.
Dieses letzte Teilstück führte über Wege die mit abgeernteten, halbierten Kokosnüssen übersät waren. Als Rohkämper danach endlich mit einem Riesensprung die Ziellinie überquerte, fühlte er zwar etwas wie Freude, sagt aber: „Es war noch nicht greifbar das stellte sich erst nach und nach ein.“
Danach wurden die Teilnehmer zu einem Fünf-Sterne-Hotel transportiert, wo jeder seine eigene Lodge bekam, doch Rohkämper erklärt: „Nach dem Purismus der letzten Tage war uns ein Zimmer mit Bett und Dusche völlig fremd. Vom Championsdinner ganz zu schweigen“, und er ergänzt lächelnd: „Da hast du die Teilnehmer zuerst nicht wiedererkannt. Die Frauen hatten plötzlich wieder Frisuren.“
Positives Fazit trotz aller Qualen
Rohkämpers wichtigste persönliche Erfahrung? „Dass ich körperlich und mental diese extreme Aufgabe meistern konnte.“ Er hat zwar mittlerweile das Finishen als Tatsache realisiert, aber ihn bewegt immer noch die tiefe Freude über ein sportliches Erlebnis, das intensiver kaum hätte sein können. Sechs Tage lang hatte er sein gesamtes Denken und Handeln mit aller Hingabe auf das Laufthema reduziert. Am Ende zieht er deshalb trotz aller Qualen unterwegs ein sehr positives Fazit: „Das war ein unvergessliches Erlebnis und eine wunderschöne Erfahrung. Aber jetzt ist damit erst mal genug. Ich freue mich schon auf einen entspannten Frankfurtmarathon.“ ...
Seit Jahren freier Mitarbeiter der Redaktion Haltern am See. Er fotografiert und berichtet über das lokale Geschehen und betreut die Serie „Das Sportporträt“. Darüber hinaus berichtet er in Wort und Bild über aktuelle sportliche Großereignisse im Outdoorbereich , wie Reitturniere, Laufveranstaltungen, Radrennen und Kartsport.
