Die Castrop-Rauxeler Fußballer rebellierten in den Jahren 2011 und 2012. © Jens Lukas
Sport-Geschichte
Castrop-Rauxeler Kreisliga-Fußballern drohten vor elf Jahren ultra-lange Auswärtsfahrten
Im Jahr 2011 verkündete der Fußball- und Leichtathletik Verband Westfalen das Vorhaben einer Kreisstrukturreform. Die Castrop-Rauxeler Fußballer rebellierten dagegen vehement.
Vor elf Jahren kam im westfälischen Fußball ein Stein ins Rollen. Wenn dieser ein Jahr später nicht gestoppt worden wäre, hätte er die Castrop-Rauxeler Fußball-Landschaft angeknackst.
Das Unheil für die Castrop-Rauxeler Vereine kam per Pressemitteilung
In einer Pressemitteilung kündigte der Fußball- und Leichtathletik Verband Westfalen (FLVW) eine Kreis-Strukturreform an. Nach der Verringerung der überkreislichen Spielklassen sollte auch die Anzahl der Fußballkreise verkleinert werden. Es sollte anstatt 34 nur noch 26 geben. Diese war entlang der Grenzen der politischen Kreise und kreisfreien Städte Westfalens angedacht.
Für die Castrop-Rauxeler Vereine, die mit Ausnahme des TuS Henrichenburg dem Kreis Herne/Castrop-Rauxel angehörten, hatte diese Nachricht eine einschneidende Wirkung gehabt. Castrop-Rauxel gehört kommunal zum Kreis Recklinghausen. Und mit einer Umtopfung von Herne nach Recklinghausen wären nicht nur die Kurzstrecken zum VfB Börnig und RSV Holthausen weggefallen. Denn es drohten weite Reisen bis nach Haltern, Dorsten und Marl.
Der Recklinghäuser Kreis-Vorsitzende Hans-Otto Matthey wollte den Castrop-Rauxelern den Schrecken nehmen. Er sagte damals: „Wir werden Lösungen finden. Fahrten nach Dorsten gehören nicht dazu.“
Trotz der Beschwichtigungen baute sich in Castrop-Rauxel ein Widerstand auf - angeführt von Peter Wach, Geschäftsführer der Spvg Schwerin. Dieser sagte 2021 im Rückblick: „Bis heute erschließt sich mir nicht der Sinn hinter einem Anschluss unserer Vereine an Recklinghausen.“
Er habe auch am eigenen Leib erfahren, was durch eine FLVW-Reform passiere, erklärt Wach. Denn durch die Auflösung der Bezirksliga 15 waren die Castrop-Rauxeler Teams dieser Staffel in der Gruppe 9 mit den Recklinghäuser Teams verschweißt worden - bis zur Saison 2020/21 die Dortmunder Vereine zurückkehrten. Peter Wach: „Die vergangenen Jahren waren von weiteren Reisen und mageren Zuschauerzahlen geprägt.“
Wach hatte im Oktober 2011 alle heimischen Klubs in das Vereinsheim am Grafweg eingeladen. Nicht von allen kamen Vertreter. Peter Wach: „Ich erinnere mich, dass von sieben Klubs Leute da waren: von Merklinde, SG Castrop, den Ickerner sowie den Habinghorster Klubs.“
Wehrte sich in den Jahren 2011 und 2012 vehement gegen das Umtopfen der Castrop-Rauxeler Klubs in den Fußballkreis Recklinghausen: Peter Wach, damals wie heute Geschäftsführer der Spvg Schwerin. © Jens Lukas
Ende November 2011 war das Meinungsbild in der Europastadt gespalten: „Ich bin dagegen“, sagte etwa Sven Augat, der damalige Vorsitzende des SV Dingen mit großer Überzeugung: „Das ist totaler Mumpitz.“ Insbesondere für die Jugend-Mannschaften ergäben sich zu lange Anfahrtswege. Städte wie Gladbeck oder Marl lägen einfach zu weit entfernt für die E- und F-Jugend-Teams seines Vereins. Doch auch für die Senioren sah er Probleme: „In der zweiten Mannschaft spielen viele junge Fußballer, die haben noch nicht alle einen Führerschein.“
Marc Böttger heute wie damals, Sportlicher Leiter von Eintracht Ickern, hatte sich hingegen noch keine endgültige Meinung gebildet. „Ich kenne aber den Kreis Recklinghausen aus meiner Zeit als Jugendspieler gut“, erklärte er. Er könne daher die Ängste vor der Reform nicht ganz nachvollziehen: „Wenn alles vernünftig strukturiert ist, dann sehe ich die Gefahr langer Anfahrtswege nicht.“ Die Staffel-Einteilung sei das Entscheidende. Ein Argument spräche jedoch klar für Recklinghausen: „Der Kreis hat schöne Fußball-Plätze.“
Manfred Goerke, Ehrenvorsitzender des SuS Pöppinghausen (Kreisliga B), lehnte die Reform ab und wunderte sich: „Warum nimmt man uns da raus und lässt den kleinen Kreis Herne dann weiter bestehen? Dann soll man doch auch Herne dem Kreis Bochum oder Gelsenkirchen zuschlagen.“
Für den Schweriner Funktionär Peter Wach wäre eine Welt zusammengebrochen, wenn die Reform die Castrop-Rauxeler Klubs getroffen hätte. Er sagte 2021: „Unser Kreis Herne ist doch finanziell gesund aufgestellt mit einem guten Verhältnis der Vereine untereinander. Warum sollte man das wegwerfen?“
Die Landkarte mit den 29 FLVW-Kreisen, die Nummern bis 34 haben. © FLVW
Dann kam der entscheidende Tag: der 18. März 2012. In geheimer Abstimmung lehnten 17 FLVW-Kreisvorsitzende in Kaiserau die angedachte Reduzierung der Sportkreise von 33 auf 26 ab. 13 stimmten dafür, zwei Kreisvorsitzende enthielten sich.
Nicht zu 100 Prozent ist sich Peter Wach sicher („Ich bin ja auch schon alt und vergesse Dinge“), aber womöglich habe ihn der Kreisvorsitzende Reinhold Spohn per Anruf über die glückliche Fügung für Castrop-Rauxel informiert. Wach sagt dazu: „Es ist gut, dass es so gekommen ist. Man stelle sich vor, dass unsere D-Junioren nach Datteln fahren müsste. Heutzutage bekommt man das Team ja kaum nach Habinghorst, weil die Eltern nicht zum Fahren bereit sind. Bald werden wir Mannschaften in den Linienbus setzen müssen.“
Das negative Votum der Ständigen Konferenz bedeutete jedoch nicht, dass es in den Jahren danach keine Fusionen von Kreisen gab. Die fanden statt: Wie etwa von Büren und Paderborn (zu Paderborn). Auch gingen Brilon und Meschede (Hochsauerlandkreis) sowie Höxter und Warburg zusammen. Der Fußballkreis Lüdinghausen wurde aufgelöst. Die Vereine wurden den Kreisen Ahaus/Coesfeld sowie Münster zugeschlagen.
Das Verbandsgebiet des FLVW erstreckt sich auf einer Fläche von rund 21.427 Quadratmetern, ist aktuell in 29 Kreise unterteilt und ist deckungsgleich mit den Regierungsbezirken Arnsberg, Münster und Detmold. Es umfasst die Regionen des mittleren und östlichen Ruhrgebiets, des Tecklenburger- und Münsterlandes sowie die westfälischen Gebiete des Sauer- und Siegerlandes und Wittgensteiner Landes.
Seit dem Verbandstag 2016 verzeichnet der FLVW 29 Kreise, die ursprünglich nach ihrer alphabetischen Reihenfolge nummeriert worden sind. Bedingt durch Kreiszusammenschlüsse, -umbenennungen oder -auflösungen ist die Nummerierung nicht mehr fortlaufend - und hat Lücken.
Die 29 FLVW-Kreise im Überblick
Kreis 1 Ahaus-CoesfeldKreis 2 LüdenscheidKreis 3 ArnsbergKreis 4 BeckumKreis 5 BielefeldKreis 6 BochumKreis 7 HochsauerlandkreisKreis 8 PaderbornKreis 10 DetmoldKreis 11 DortmundKreis 12 GelsenkirchenKreis 13 HagenKreis 14 HerfordKreis 15 HerneKreis 16 HöxterKreis 17 IserlohnKreis 18 LemgoKreis 19 LippstadtKreis 20 LübbeckeKreis 23 MindenKreis 24 MünsterKreis 25 OlpeKreis 27 RecklinghausenKreis 28 Siegen-WittgensteinKreis 29 SoestKreis 30 SteinfurtKreis 31 TecklenburgKreis 32 Unna-HammKreis 34 Gütersloh
Vielen Dank für Ihr Interesse an einem Artikel unseres Premium-Angebots. Bitte registrieren Sie sich kurz kostenfrei, um ihn vollständig lesen zu können.
Jetzt kostenfrei registrieren
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung
Bitte bestätigen Sie Ihre Registrierung durch Klick auf den Link in der E-Mail, um weiterlesen zu können.
Prüfen Sie ggf. auch Ihren Spam-Ordner.
Einfach Zugang freischalten und weiterlesen
Werden auch Sie RN+ Mitglied!
Entdecken Sie jetzt das Abo, das zu Ihnen passt. Jederzeit kündbar. Inklusive Newsletter.