
© Archiv
Vor 32 Jahren: Castrop-Rauxeler gewinnt Heimrennen - und fährt später neunmal die Tour de France
Sport-Geschichte
Kleiner Mann, ganz groß. Vor 32 Jahren berichtete unsere Redaktion über die Radrennen „Rund um den Stadtgarten“. Hier gewann im Rahmenprogramm der damals neunjährige Marcel Sieberg den Wettbewerb der U10-Junioren.
Im Sommer 1991 zierte an einem Tag die erste Seite der Castrop-Rauxeler Lokalsportzeitung ein Bild von dem Nachwuchsradfahrer, der in den Jahrzehnten danach als Profi - u.a. für den belgischen Rennstall Lotto-Soudal - auch an der Tour de France (9x), Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften teilnahm. Einen Pokal und einen Strauß Blumen hält Marcel Sieberg auf dem Foto in Händen.
Rennen führte am Adalbert-Stifter-Gymnasium vorbei
Der heute 39-Jährige erinnerte sich vor Jahren an den vom RC Olympia Castrop-Rauxel 1950 damals veranstalteten Renntag – und sagte: „Die Blumen hat meine Mutter bekommen. Das Rennen hat mir als Kind richtig Spaß gemacht.“ Der Kurs hatte über 1,8 Kilometer mit Start und Ziel an der Viktoriastraße am Adalbert-Stifter-Gymnasium auch über die Straße Am Stadtgarten, Cottenburgstraße und hinab die Bochumer Straße geführt.
Marcel Sieberg hatte am Ende nach fünf Runden (9 Kilometer) die Nase vorn in einem siebenköpfigen Feld. Hinter ihm überfuhren die Brüder Matthias und Bernhard Rechlin vom RSC Titan Leverkusen den Zielstrich. Sieberg berichtete: „Das waren damals meine Dauerrivalen.“ Der Rauxeler war damals in ganz Nordrhein-Westfalen bei Rennen am Start und lieferte sich vor allem mit den Rheinländern Duelle.
Malzbier als Prämie
Als Siegprämien bekam Marcel Sieberg zumeist Sachpreise überreicht. Er erklärte: „Da waren in Dortmund auch schon einmal vier Kisten Malzbier dabei. Ein anderes Mal gab es einen Füller – ab und an waren es sogar 20 D-Mark, die ich auf die Hand bekommen habe. Das war viel Geld für einen Knirps.“
Das Geld sparte er und investierte es zum Beispiel in ein Skateboard, Inlineskates oder in das Fußball spielen im Garten. Er betonte: „Für einen Jungen in diesem Alter gibt es ja noch andere Dinge als nur Radsport.“
Dafür begeistert war die ganze Familie. Vater Wilhelm Sieberg war als Radtouristikfahrer Mitbegründer des RC Velo 85. Auch die zwei Jahre ältere Schwester von Marcel Sieberg, Sabrina Sieberg, betrieb bis zum Abitur den Radsport intensiv und duellierte sich mit ihm mehrfach in Rennen.
Auch Cousin Patrick Haardt habe ihn motiviert, auch nach seinem Wechsel aus der Ahorn-Grundschule in die Willy-Brandt-Gesamtschule beim Radrennsport am Ball zu bleiben.
Im Jahr 1991 war beim Stadtgarten-Rennen Jens Groppe als Fünfter schnellster Akteur des Gastgebers RC Olympia in der Jugendwertung. Marcel Sieberg berichtete: „Ich kannte ihn. Er hat in Rauxel nur zwei Straßen weiter gewohnt.“
Plötzliche Seitenstiche
Anders ist es bei Olympia-Vorzeigefahrer Mike Lipinski der Fall, der das Junioren-Rennen nach plötzlichen Seitenstichen auf Rang 25 beendete. Lipinski kam aus Gelsenkirchen.
Der damals 18-Jährige erinnert sich: „Ich bin nach Castrop-Rauxel gewechselt, weil ich dort bessere Perspektiven und Trainingspartner gefunden habe, allen voran Thorsten Brinsa, der damals schon Amateur A-Fahrer war und mich sehr gefördert und gefordert hat.“ Durch diese Förderung schaffte Lipinski damals auch den Sprung in den Kader der NRW-Auswahl.
Die 35. Auflage des Renntages „Rund um den Stadtgarten“ war die vorletzte. Nach 1992 schlief die Veranstaltung ein. Wilhelm Sieberg, der seit drei Jahrzehnten die Velo-Radtouristik-Fahrt ins Münsterland auf die Beine stellt, hat das Geschehen verfolgt und sagte: „Es hat da an helfenden Händen gefehlt – unter anderem von jenen Leuten, die lieber selbst fahren wollten.“
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
