
© Jens Lukas
Castrop-Rauxeler Sommermärchen 2006: Spvg Schwerin II schnappt eigener Ersten einen Titel weg
Sportgeschichte
Es gibt Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Von Mannschaften, die völlig überraschend aufsteigen und sogar noch mehr schaffen. Die Geschichte eines solchen Castrop-Rauxeler Teams erzählen wir - und zeigen viele Bilder.
Ein kleines Fußball-Märchen wurde vor 2006 im Castrop-Rauxeler Fußball geschrieben. Und zwar von der Spvg Schwerin II, die nach einem Entscheidungsspiel in die Kreisliga A aufstieg. Sensationelles schaffte dieses Team wenig später: als Feld-Stadtmeister. Das ist bis heute einmalig.
Extraschichten auf Ascheplatz
Die Helden trugen im deutschen WM-Jahr das Trikot von Schwerin II: Sie schlossen die Saison 2005/06 als Vizemeister der Kreisliga B1 hinter dem VfB Börnig ab. Trainer dieser Mannschaft aus jungen Leuten und Altherren-Spielern war Peter Wach. Gegner im Duell um den dritten Aufstiegsplatz zur Kreisliga A war der SV Firtinaspor Wanne.
„Wir wussten, dass dieses Team emotional spielt“, so Wach, der den Gegner zweimal unter die Lupe genommen und mit seinen Jungs sogar eine Extraschicht auf Asche eingeschoben hatte. Denn die finale Entscheidung fiel am 11. Juni 2006 bei 35 Grad im dort kaum vorhandenen Schatten auf dem damaligen Ascheplatz von Falkenhorst Herne. 300 Fans waren im Stadion.

Peter Wach als Trainer der Spvg Schwerin II beim Entscheidungsspiel im Jahr 2006. © Jens Lukas
Peter Wach erinnert sich: „Das Entscheidungsspiel wurde nicht nur wegen der Temperaturen zur heißen Nummer. Firtinaspor war längere Zeit besser als wir. Ein Fußballspiel wird aber am Ende abgerechnet - da waren wir dann die Aufsteiger und haben gejubelt.“ Torwart Thomas Hasenpflug hatte Fehler der Abwehr mehrfach ausbügeln müssen. Nach 120 Minuten siegte die Spvg Schwerin II mit 6:3 - und war A-Kreisligist.
Nach der regulären Spielzeit von 90 Minuten stand es 2:2 - Schwerin hatte erst spät (82.) ausgeglichen. In der Nachspielzeit zog das, was Trainer Wach schon vorher wusste: „Wir hatten die bessere Bank.“ Schon das 2:2 war von den eingewechselten Sven Menrath und Dennis Schönacker im Duo erzielt worden. In der Extrazeit trafen beide noch je einmal. Einem Türkspor-Spieler kochte nach dem 2:2 das Blut: Gelb-Rote Karte.
Der damalige Hertha-BSC-Profi Yildiray Bastürk verließ mit seinem bei Firtinaspor ausgewechselten Bruder Metin den Sportplatz vor Anpfiff der Extrazeit - sie ahnten wohl Böses. Und so kam es: Routinier Thorsten Hahn traf drei Minuten nach Wiederanpfiff zum 3:2 und öffnete die Tür zur Kreisliga A. Der Rest war in Überzahl reine Formsache: Jäger, Menrath und Schönacker netzten zum 6:3-Sieg ein. Zwei Firtinaspor-Spieler kassierten noch Rote Karten.
War dieser Aufstieg überragend, setzte die Spvg Schwerin II mit dem Gewinn der Feld-Stadtmeisterschaft das Sahnehäubchen obendrauf. Mitspielen durfte die Wach-Truppe nur, weil Schwerins Erste Mannschaft (Bezirksliga) bei einem lukrativen Turnier in Dortmund kickte.
Dass sein Team bei der Stadtmeisterschaft auflaufen würde, sei im Verein abgesprochen gewesen, so Wach. Aber nicht, dass diese Mannschaft die gesamte heimische Konkurrenz aufrollen würde. „Das hatte keiner auf dem Schirm“, freut sich Wach noch heute über diesen Knalleffekt.
Das Schmankerl am Rande: Als die Spvg II im Endspiel stand, wollten plötzlich die Bezirksliga-Trainer Carsten Gowik und Peter Wongrowitz mit ihrer Truppe dort antreten. Sie hatten die Rechnung aber ohne Peter Wach gemacht, der ihnen im übertragenen Sinne eine „blutige Nase“ verpasste. Zu Recht. Das Finale gewann die Spvg Schwerin II gegen Arminia Ickern mit 8:0 - ein Triumph für die Ewigkeit. „Ich wusste, dass Arminia Ickern nur mauern würde und habe mit drei Stürmern gespielt“, so Wach.

Das ist einmalig: 2006 gewann eine Zweite Mannschaft die Castrop-Rauxeler Stadtmeisterschaft - die Spvg Schwerin mit Trainer Peter Wach (r., weißes Hemd). © Jens Lukas
Kreisliga B: Entscheidungsspiel um den dritten Aufsteiger 2006
- Schwerin 2 - Firtinaspor n.V. 6:3 (2:2/1:1)
- SCHWERIN: Hassenpflug; Tillmann, Mann, C. Dykierek (73 . Schönacker), Hahn, Synofzik, Zientek (46. Heinen), Glowczak, Jäger, Figur, Bürger (72. Menrath).
- Tore: 0:1 (4.), 1:1 (12.) Figur, 1:2 (68.), 2:2 (81.) Schönacker, 3:2 (93.) Hahn, 4:2 (99.) Jäger, 4:3 (109.), 5:3 (116.) Menrath, 6:3 (118.) Schönacker.
- Bes. Vorkommnisse: (85.) „Gelb-Rot“ gegen einen Wanner Spieler wegen wiederholten Foulspiels; (102.) „Rot“ gegen einen Wanner Spieler wegen einer „Notbremse“; (108.) „Rot“ gegen einen Wanner Spieler wegen groben Foulspiels.
In der Kreisliga A hielt sich die Spvg II vier Spielzeiten. Im Aufstiegsjahr wurde man Siebter, im Jahr darauf Zwölfter. „In der dritten Saison stießen junge A-Jugend-Spieler hinzu, die gerade in die Westfalenliga aufgestiegen waren. Wir wurden Vizemeister und verpassten den Bezirksliga-Aufstieg knapp“, erinnert sich Trainer Wach. Erster wurde in der Saison 2008/09 der SV Fortuna Herne.
Als dann ein ganzer Tross an Spielern von Schwerin I zu Wacker Obercastrop wechselte, war jedoch Schluss mit der Fußball-Herrlichkeit für die Spvg Schwerin II. Am Ende der Saison 2009/10 waren die Schweriner Drittletzte, der SV Dingen Schlusslicht. Sportlich hätte es für die Spvg gereicht. Allerdings war kein Personal für die Saison 2010/11 mehr vorhanden.
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
