
© Jens Lukas
Ein Zuschauer führte Yeni Genclik im Jahr 2005 in die Bezirksliga
Sportgeschichte
Im Sommer 2005 schrieben im Castrop-Rauxeler Fußball die Kicker des SV Yeni Genclik die positiven Schlagzeilen. Über 15 Jahre später fielen dem Trainer noch einige Anekdoten dazu ein.
Der Gewinn des Meister-Titels in der Kreisliga A in Verbindung mit dem ersten Bezirksliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte. Und der Einzug in das Kreispokal-Endspiel. Das waren die Erfolge, mit denen die am Fuchsweg angesiedelten Fußballer des SV Yeni Genclik im Mai und Juni 2005 aufhorchen ließen. Trainer war damals Zeki Terzioglu.
Terzioglu: „Ich bin total sentimental“
Der heute 49-jährige Merklinder bekam vom Autoren dieser Reportage ein halbes Dutzend Zeitungsausschnitte aus den Erfolgs-Wochen zugeschickt - und schrieb als Antwort: „Ich bin beim Durchschauen total sentimental geworden. Wir haben damals wirklich einiges auf die Beine gestellt und auch geschafft.“
Dabei war zwölf Monate zuvor überhaupt nicht abzusehen, dass Terzioglu 2005 der Trainer der Yeni-Kicker sein würde. Im Mai 2004 war er nämlich nur Zuschauer des Aufstiegsspiels zwischen Genclik und dem SV Wanne 11 vor 1800 Zuschauern auf dem Ascheplatz der SG Herne 70. Das Duell verloren die Yeni-Kicker unglücklich mit 5:7 (3:3/2:2/2:0) nach 90 Minuten, Verlängerung und Elfmeterschießen.
Als Fan mit den Hufen geschart
Zeki Terzioglu erinnert sich an die Partie und sagt: „Ich hatte damals meine aktive Laufbahn als Spieler nach dem Bezirksliga-Aufstieg mit dem TuS Bövinghausen wegen eines schweren Kreuzbandrisses beendet. Als Zuschauer des Yeni-Spiels habe ich hinter der Barriere mit den Hufen geschart und meine Gedanken zum Spiel laut geäußert. Ich war nach der Partie auch in der Kabine und habe versucht, alle zu trösten. Das ist Turhan Ersin vom Yeni-Vorstand aufgefallen. Eine Woche später hat er mir das Trainer-Amt angeboten.“
Der Bezirksliga-Aufstieg glückte dem SV Yeni Genclik mit 71 von 90 möglichen Punkten sowie 86:41 Toren. Am Ende hatte die Terzioglu-Elf sieben Punkte Vorsprung auf den SV Wacker Obercastrop. Dingfest machten die Yeni-Kicker den Aufstieg nach dem 4:2-Sieg im Topspiel in Obercastrop durch einen 3:0-Sieg gegen die SF Wanne am 16. Mai 2005. Denn zeitgleich unterlag Wacker der Spvg Horsthausen mit 0:1.
Zehn Minuten auf das Ergebnis von Wacker Obercastrop gewartet
Adem Yildiz per Kopfball, Sedat Olgunsoy mit einem Sololauf sowie Hakan Erdogan trafen für Genclik. In der Schlussviertelstunde war das Aufeinandertreffen mit den SF Wanne nur Nebensache. Augen und Ohren der Spieler richteten sich ausschließlich zur Außenlinie, von der das Ergebnis von Obercastrop übermittelt wurde. Die Kunde vom Herner Elfmetertor zum 1:0 löste am Merklinder Fuchsweg Jubel aus.
Nach dem Abpfiff wartete das Terzioglu-Team zehn lange Minuten, bis auch in Horsthausen Schluss war. 1:0 - und der Jubel „explodierte“. Genclik baute den Vorsprung auf Wacker auf uneinholbare elf Punkte aus. Coach Terzioglu wurde von seinen Schützlingen zunächst mit Wasser übergossen und dann auf Händen getragen mit den Rufen: „Bezirksliga, wir kommen!“
Die Yeni-Spieler und ihre Fans feierten ihren Bezirksliga-Aufstieg danach am selben Ort, an dem sie sein Jahr zuvor nach der Niederlage gegen Wanne 11 in einem „Tal der Tränen“ versanken: Auf dem Castroper Marktplatz. Es ist überliefert, dass am selben Abend Yenis sportlicher Leiter Turhan Ersin die trotzige Prognose gewagt hatte: „Dann steigen wir halt im nächsten Jahr auf!“
2005 befanden sich die Yeni-Kicker in Castrop-Rauxel als Aufsteiger in guter Gesellschaft. Neben dem neuen Bezirksligisten durften beim SV Dingen (in die Kreisliga A) und bei Victoria Habinghorst II (in die Kreisliga B) zünftige Aufstiegsfeiern steigen. Nicht einen Absteiger mussten die Clubs aus der Europastadt beklagen: Arminia Ickern (Kreisliga A), der SuS Pöppinghausen und sogar der Tabellenletzte FC Frohlinde II (beide Kreisliga B) hielten auf den letzten Drücker ihre Klassen.
Talente aus dem Norden und dem Süden vereint
Zeki Terzioglu, der der Jugend der Spvg Schwerin entsprang, urteilte über sein Team: „Uns haben alle beneidet, dass bei uns immer 25 Spieler beim Training waren. Bemerkenswert war auch, dass in unserer Mannschaft die Talente aus dem Castrop-Rauxeler Norden dieser Generation mit denen aus dem Süden klar kamen. Vorher waren sie sich nicht grün.“
„Traumhaft“ sei laut Terzioglu die Endspielteilnahme im Kreispokal am 20. Juni gewesen. Hier mussten sich die Castrop-Rauxeler daheim vor 550 Zuschauern mit 1:3 (1:0) dem Oberliga-Aufsteiger Westfalia Herne geschlagen geben. Kapitän Erkan Gül hatte mit einem 16-Meter-Drehschuss zum 1:0 getroffen. Serdar Gülcebi hatte in der 76. Minute das Pech, dass er einen Elfmeter gegen Keeper Andreas Scarale nicht zum 2:2 verwerten konnte. Als Trostpflaster durfte der SV Yeni im Westfalenpokal mitspielen und besiegte hier am 14. August in der ersten Runde den Westfalenligisten SG Langenbochum mit 6:4 (2:2/1:1) nach Elfmeterschießen.
Eine Anekdote hat Zeki Terzioglu parat, die darüber aufklärt, wie plötzlich Vorstandsmitglied Erol Bal in die Partie bei der SG Herne 70 (2:4) eingewechselt wurde. Terzioglu: „An dem Tag stand unser Aufstieg bereits fest. Ich habe einige Leute für das Kreispokal-Endspiel geschont. In einem Gespräch am Rande des Trainings hat sich Erol Bal daran erinnert, dass Vorstandskollege Ümit Pampal ja auch einmal ein mitspielen durfte - und ein Kopfball-Tor erzielte, von dem er immer eine fantastische Geschichte erzählte. Erol meinte, dass er das auch könnte.“ Und wurde in der 67. Minute eingewechselt.
Großes Treffen ist ein Mammut-Projekt
Die Erinnerungen an seine Zeit beim SV Yeni lässt Zeki Terzioglu immer wieder gerne aufleben - obwohl er sich mittlerweile sportlich Fahrten mit den Radsportfreunden Bochum verschrieben hat. Er berichtete: „Ich habe mich in der Vergangenheit immer wieder mit einigen Leuten getroffen. Das war anfangs eine kleine Gruppe im Bochumer Bermudadreieck. Da waren Abdelaziz Bouchkhachakh, Denis Feind, Mehmet Girgin und Turhan Ersin dabei. Danach wurde es ein Selbstläufer und die Runde immer größer. Ich hatte für 2019 geplant, auch Ehemalige von der Gründung des SV Yeni - wie Keeper Martin Kirschnick, Gordon Hupe und Daniel Nilkowski - und jene, die als nächste Generation, jetzt bei Eintracht Ickern spielen, einzuladen. Aber das ist ein absolutes Mammutprojekt - und man bekommt nicht alle an einem Termin zusammen.“
Nach dem Aufstieg hielt sich Yeni Genclik drei Jahre in der Bezirksliga. In den ersten beiden Saisons stand jeweils Rang acht zu Buche - u.a. mit den regionalliga-erfahrenen Rückkehrern Ergin und Erdem Ersoy. Am Ende der Spielzeit 2007/08 stieg Yeni allerdings als Vorletzter mit 102 Gegentoren ab.
Der Vereinsname Yeni Genclik ist im Jahr 2016 von der Castrop-Rauxeler Bildfläche verschwunden. Der Club wurde aufgelöst und war vom Stadtsportverband ausgeschlossen worden - da es keinen Vorstand als Ansprechpartner mehr gab.
Ein Journalist macht sich aus Prinzip keine Sache zu eigen, nicht einmal eine gute (dieses Prinzip ist auch das Motto des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises).
