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Ja, nein, vielleicht: Die Chronologie der Windenergie in Ascheberg
Windenergie in Ascheberg
Der Weg zur Windenergie in der Gemeinde Ascheberg ist ein beschwerlicher, wie die letzten 10 Jahre gezeigt haben. Doch nun besteht neue Hoffnung. Die Chronologie einer Ja-Nein-Vielleicht-Energiewende.
2012: Die Gemeinde Ascheberg überarbeitet ihre Konzentrationszonen für Windenergie und überplant dabei das gesamte Gemeindegebiet. Damals gab es nur die Zonen in Forsthövel und Nordick. Die UWG macht sich derweil Sorgen um den Wertverlust von Immobilien in der Nähe derartiger Anlagen. Und auch um das Thema Infraschall, den einige Menschen als störendes Geräusch wahrnehmen. Jochen Wismann (FDP) erklärte: „Windkraft ist ein Eingriff in die Natur wie Fracking.“ Christian Ley (SPD): „Die Zeichen stehen deutlich auf Windkraft. Man solle solche alternativen Energien „nicht allzu langsam ausbauen.“ Die CDU mahnte zu ruhigen Überlegungen nach nötigem Expertenwissen.
2013: Die Kreis-SPD erklärt, dass der Ausbau von Windkraft durch Windräder hohe Priorität habe. Der Bauausschuss sprach sich für die Zulassung großer Windräder von 180 bis 200 Metern in der Gemeinde aus. Bisher waren nur 100 Meter erlaubt. Die UWG indes hat Zweifel an der Stärke des Windes und dem Nutzen in der Gemeinde. Obwohl er sich im Frühjahr 2013 für Windräder ausgesprochen hatte, kommen dem Bauausschuss im Sommer 2013 Zweifel: Der Infraschall macht ihm Sorge. Ein Gutachter soll klären, ob er Gesundheitsschäden verursachen kann. Klaus van Roje mahnte, nicht zu lange mit Baumaßnahmen zu warten und versicherte, im Falle von Gefahren bestehe eine Rückbaupflicht.
Die Initiative „Ein Herz für Ascheberg“ gründet sich und wehrt sich gegen Windkraftanlagen in der Bauerschaft Osterbauer/Arup. Sie fürchtet eine Verschandelung des Landschaftsbildes. Der Freizeitwert des Landschaftsschutzgebietes verliere durch einen Windpark erheblich. Und äußern Sorgen vor Wertverlusten bei Immobilien. Die Gemeinde muss sich unterdessen klar über die Kriterien für Windkraftanlagen in der Gemeinde werden. Eine neue Potenzialflächenanalyse muss her. Ebenso ein Artenschutzgutachten.
2015: Das Drehfunkfeuer in Albersloh kommt ins Spiel: „Fast die ganze Gemeindegebiet bis auf einen kleinen Streifen im Süden Herberns“ liege innerhalb des 15-Kilometer-Radius rund um diese bis zu diesem Zeitpunkt kaum bekannte Anlage, erklärt Bauamtsleiter Klaus van Roje im März. Dabei stammte die Vorschrift schon aus dem Jahr 2009.
Die Bezirksregierung, die bislang in ihrem Entwurf für den neuen Regionalplan vier Windenergie-Vorrangzonen in Ascheberg vorgesehen hatte, (Osterbauer, Nordick, Forsthövel und an der Grenze zu Rinkerode) macht einen Salto rückwärts. Wir werden kein Vorranggebiet für Ascheberg vorschlagen“, bestätigte damals Dieter Puhe von der Bezirksregierung auf Anfrage. Windräder sind aber nach Einzelfallprüfung trotzdem möglich. Das letzte Wort aber bleibt bei der Flugsicherheit.
Im Sommer steht der Betreiber eines Ascheberger Windrades vor Gericht, dem der Kreis Coesfeld den Betrieb untersagt hatte. Der Grund: Das Rad sei zu groß. Ein Zwangsgeld von 1000 Euro muss der Betreiber am Ende trotz Einspruchs zahlen, da sich sein Rad auch nach Stilllegungsanordnung weitergedreht habe.
Im August kommt der Bauausschuss wieder zusammen: Es soll vier Windenergiezonen in Ascheberg geben - also zwei zusätzliche zu den bestehenden, je östlich und westlich der B54. Nordick und Forsthövel wurde Erweiterungspotenzial zugesprochen. Damit größere Anlagen auch mehr Fläche bekommen.
2016: 14 Landwirte hatten noch bis 2016 Hoffnung, dass sie einen Windpark in Osterbauer-Forsthövel umsetzen können. Die Gemeinde will bis Ende 2016 einen genehmigten Flächennutzungsplan vorlegen. Denn ab 2017 läuft die Einspeisevergütung aus. Doch bei den Landwirten schwindet der Glauben. „Inzwischen ist für mich der Wind einfach raus“, sagt Mit-Antragsteller Felix Beuckmann.
Im September drohte ein Oberverwaltungsgerichts-Urteil aus Lüneburg dann auch noch den neuen Flächennutzungsplan quasi für überflüssig zu erklären, da der alte aus 2004 noch gültig sei. Heißt: Wieder nur Anlagen bis 100 Meter Höhe wären erlaubt. Im selben Monat noch plant die Gemeinde zwei Windräder in Forsthövel, alle Bürger können sich beteiligen. Doch der Rat der Gemeinde stimmt im September für die Ausweisung von vier Windenergiezonen, auch um eine sogenannte Verspargelung - überall in der Gemeinde aufgestellte Windräder - zu verhindern.
Oliver Keßler, Geschäftsführer der Windpark Ascheberg GmbH & Co. KG, will vier Windräder in Forsthövel für 25 Millionen Euro bauen. Doch die Flugsicherheit lehnt die Anlagen ab. Und damit auch die Aussicht auf die bis Ende 2016 noch höheren Vergütungen für Windenergie.
2020: Das Thema Windenergie sorgt weiterhin für Aufregung. Die Grünen werfen der Gemeinde vor, im Gegensatz zu Nachbargemeinden zu spät gehandelt zu haben, sodass die Windräder in 2019 durch die Flugsicherheit abgelehnt worden seien. Im Oktober dann ein neuer Lichtblick: Bürgermeister Dr. Bert Risthaus besuchte 2019 das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Daraufhin hat die Flugsicherheit mit einer neuen Messmethode herausgefunden, dass die Windkraftanlagen von Oliver Keßler das Drehfunkfeuer doch nicht so sehr stören wie erwartet. Große Analgen sind also wieder erlaubt.
Anderen Gemeinden wie Senden und Drensteinfurt spricht die Gemeinde Ascheberg Bedenken wegen des Baus von Windenergieanlagen auf ihren Gebieten aus, zu groß sei die Sorge um den Verlust touristischer Attraktivität.
2021: Die Freien Wähler fordern im Februar, Bebauungspläne für die ausgewiesenen Windenergiezonen aufzustellen. Damit wolle man Rechtssicherheit schaffen. Bei der konstituierenden Sitzung folgten die Ausschussmitglieder dem FWA-Antrag.
2022: Die Bürgerwind Nordick GmbH & Co. KG reicht einen Bauantrag beim Kreis Coesfeld für zwei Windenergieanlagen in Nordick ein. Antragsteller sind Frank-Josef Eickholt und Hermann Hülsmann. Das eine Windrad soll 150 Meter groß werden, das zweite 161 Meter. Beide Rotoren haben einen Durchmesser von 158 Metern und eine Nennleistung von 5,5 Megawatt, sodass mit einem jährlichen Energieertrag von 26 Millionen Kilowattstunden gerechnet wird (26 Gigawattstunden). Aktuell verbraucht die Gemeinde jährlich 123 Gigawattstunden an Strom.
Gebürtige Münsterländerin, seit April 2018 Redakteurin bei den Ruhr Nachrichten, von 2016 bis 2018 Volontärin bei Lensing Media. Studierte Sprachwissenschaften, Politik und Journalistik an der TU Dortmund und Entwicklungspolitik an der Philipps-Universität Marburg. Zuletzt arbeitete sie beim Online-Magazin Digital Development Debates.
