So wurde Matthias Helferich zum rechtsextremen Provokateur Exklusive Recherche zu AfD-Politiker

Kubitscheks Schüler: Wie Matthias Helferich zum „freundlichen Gesicht des NS“ wurde
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„Raus, raus, Ausländer raus“, soll Matthias Helferich aus dem Nichts gebrüllt und dabei auf Jessika Nilsson gezeigt haben. Und: „Du bist nicht arisch!“ Es ist kurz nach Mitternacht in der Jugendherberge St. Swidbert 2005. Bei einem Treffen der Schülerunion in Düsseldorf hatten der 17-jährige Helferich und andere junge CDU-Anhänger noch länger in einer Turnhalle zusammengesessen. Darunter auch die Schwedin Jessika Nilsson.

Helferich will sich heute an die Situation nicht mehr erinnern können. Für Nilsson aber bleibt das Erlebnis ein schockierender Moment.

Januar 2025. Fast 20 Jahre später blickt der AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich in Marl auf ein applaudierendes Publikum. Er holt tief Luft, seine Schultern heben und senken sich, Schweißperlen glänzen auf seiner Stirn. „Ich werde für euch kämpfen, kämpfen, kämpfen“, ruft er. In diesem Moment ist es ein Kampf um seine politische Existenz. Er führt ihn auch gegen eigene Parteikollegen.

Was 2005 „Ausländer raus“ war, ist für Matthias Helferich heute die „millionenfache Remigration“. Aus der Turnhalle ist eine Stadthalle geworden, aus dem Mitglied in der Schülerunion ein Bundestagsabgeordneter.

Matthias Helferich am 1. Mai 2024 auf dem Gelände der Kokerei Hansa. Nachdem die AfD-Mitglieder an der Zeche Zollern abgewiesen worden waren, waren sie mit ihrem Gast, dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, zum frei zugänglichen Gelände der Kokerei Hansa gefahren.
Matthias Helferich am 1. Mai 2024 auf dem Gelände der Kokerei Hansa. Nachdem die AfD-Mitglieder an der Zeche Zollern abgewiesen worden waren, waren sie mit ihrem Gast, dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, zum frei zugänglichen Gelände der Kokerei Hansa gefahren. © Karsten Wickern

Matthias Helferich gehört wohl auch durch seine Internetpräsenz mittlerweile zu den bekanntesten AfD-Politikern Deutschlands. Seit seinem Parteieintritt vor zehn Jahren sammelte der Dortmunder Tausende Follower auf Social Media. Helferich verkörpert die Radikalisierung der AfD, und er könnte trotz eines schwebenden Parteiausschlussverfahrens am 23. Februar 2025 für die Partei erneut in den Bundestag einziehen. Wie gelang Matthias Helferich trotz zahlreicher Skandale dieser Aufstieg? Wie radikalisierte er sich – und wann?

Unsere Recherchen zeigen, dass er nicht erst seit seiner Eigenbezeichnung als „freundliches Gesicht des NS“ mit rechtsextremen Haltungen auffiel – sondern schon deutlich früher. Und dass die AfD nicht die erste Partei ist, die ihn loswerden wollte – weil er ihr zu extrem ist.

Kapitel 1 – Matthias Helferich, der Stoiber-Fan

Matthias Helferich, geboren 1988, wächst in einem Mehrfamilienhaus im Dortmunder Stadtteil Eichlinghofen auf. Seine Eltern waren Lehrer – unverheiratet, was in den frühen 90er-Jahren noch ein Grund dafür war, „dass meine Mutter auf dem Spielplatz darauf angesprochen wurde“. Über Politik sei zu Hause viel geredet worden, sagt der 36-Jährige.

Der Vater konservativ, die Mutter SPD-Mitglied. Er bezeichnet sie als „Alt-68er“, als Teil der westdeutschen Studentenbewegung. Im Wohnzimmer hätten Spiegel, Focus und das Geo-Magazin gelegen.

Ende September 2002 ist Helferich 13 Jahre alt, als der Union-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber nach Dortmund in die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ kommt. Als Jugendlicher will Helferich sich davon abgrenzen. Deshalb habe er „eher Sympathien für Stoiber gehabt“. Er sieht in ihm den „Outlaw-Kandidaten“.

Drei Tage vor der Bundestagswahl demonstrierten linke Gruppen gegen Stoibers Auftritt. Matthias Helferich jubelt ihm zu: „Die Linken waren überall, man ist angespuckt worden. Das hat mich schon fasziniert, zu einer Gruppe zu gehören, die so viel Gegenwehr erlebt.“

Anhänger der Union jubelten dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, Edmund Stoiber, bei einem Wahlkampfauftritt in Dortmund zu.
Anhänger der Union jubelten dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten der CDU/CSU, Edmund Stoiber, bei einem Wahlkampfauftritt in Dortmund zu. © Vahlensieck/Archiv

Einen Monat später feiert Helferich seinen 14. Geburtstag. In diesem Alter sei er das erste Mal in der Passauer Nibelungenhalle beim politischen Aschermittwoch der CSU gewesen. Er schließt sich der Jungen Union an, der Jugendorganisation der CDU. Helferich sei auf einer „gewissen Sinnsuche“ gewesen und aus dem „Wunsch nach Strukturen, nach Halt und der Einordnung von Lebenssachverhalten“ eingetreten, sagt er.

Und dann habe ihn damals schon das Thema Zuwanderung beschäftigt. „Bei der Jungen Union bin ich konservativ-rechts sozialisiert worden.“

Etwa zu dieser Zeit warnt einer seiner Lehrer im Unterricht vor der neurechten Zeitung „Junge Freiheit“. Helferich geht anschließend zum Hauptbahnhof und kauft die Zeitung. Später abonniert er sie. Er liest dort etwas über „Gewalt gegen Deutsche“ und die angebliche Gefahr für die „nationale Identität“ durch Einwanderung. Einer der Autoren ist damals Götz Kubitschek, der rechtsextreme Verleger, der heute als einer der Hintermänner von Björn Höcke bekannt ist. Er wird in Helferichs Leben noch eine zentrale Rolle spielen.

Kapitel 2 – Das erste Parteiausschlussverfahren

Wenige Wochen nach dem Stoiber-Besuch in Dortmund tritt Matthias Helferich der Schülerunion bei, einer Nachwuchsorganisation der Jungen Union. Dort steigt er zum Landesvorsitzenden auf. Gut dreieinhalb Jahre später hat die Junge Union NRW eine über 100 Seiten dicke Akte über ihn angelegt. Helferich ist 18 Jahre alt, als die Partei ein Ausschlussverfahren gegen ihn einleitet.

Es gibt Dutzende Vorwürfe.

Den heutigen NRW-Ministerpräsidenten und damaligen Generalsekretär der NRW-CDU Hendrik Wüst soll er 2006 auf einem Geburtstag eine „Judensau“ genannt haben. „Schwule“ seien „aidskranke Stricher“, die, wenn sie „verrecken“, selbst schuld seien, ist dort zu lesen. Auch, dass er auf der Bundesschülertagung der Schülerunion „Sieg Heil“ gerufen und sich für Uniformen bei der Schülerunion ausgesprochen haben soll. „Wie damals.“ Helferich dementiert alle Vorwürfe bis heute.

Und dann ist da noch Jessika Nilsson aus der Turnhalle in Düsseldorf. Die heute 35-jährige Schwedin wuchs im ostafrikanischen Tansania und in Deutschland auf. Heute ist sie Unternehmerin in Südafrika. Der Abend, an dem Helferich ihr zugerufen haben soll „Du bist nicht arisch“, beschäftigt sie noch immer. Helferich verweist darauf, dass die Vorwürfe in seiner Jugendzeit gegen ihn gerichtet wurden und bestreitet alle Vorwürfe: „Das kann im besten Fall nur Ironie gewesen sein, weil die blond und blauäugig war. Das ist aber auch nicht unbedingt die Denkschablone, in der ich lebe, wer arisch ist oder nicht.“

Die Schwedin Jessika Nilsson lebt heute in Südafrika. Sie sagt, sie erinnere sich immer noch "kristallklar" an Matthias Helferichs Sätze von 2005.
Die Schwedin Jessika Nilsson lebt heute in Südafrika. Sie sagt, sie erinnere sich immer noch „kristallklar“ an Matthias Helferichs Sätze von 2005. © Nilsson

Die CDU-Unterlagen werfen auch ein Licht auf sein Verhältnis zu türkischen Einwanderern im Jahr 2005: „Wenn er Rettungsschwimmer sei und ein ‚türkischer Junge‘ gerettet werden müsse, würde er ihn nicht retten, sondern es vorziehen, dessen Eltern mitzuteilen, dass er ertrunken sei.“ Auch das weist Helferich als unwahr zurück.

Ein weiterer Vorwurf bringt Helferich damals vor den Jugendrichter.

Laut Anklageschrift des Amtsgerichts Dortmund habe er bei der Tagung der Schülerunion in Düsseldorf gefordert, bei Türken müsse man die „Endlösung“ anwenden. Das Gericht spricht ihn vom Vorwurf der Volksverhetzung frei, „weil die ihm zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen Gründen nicht festgestellt werden konnte“.

Die Liste aller Vorwürfe aus den CDU-Akten ist noch deutlich länger.

Kapitel 3 – Ein „kronloyaler“ Abiturient

Im Sommer 2008 steht Matthias Helferich vor seinem Abitur am Helene-Lange-Gymnasium im Dortmunder Stadtbezirk Hombruch. Auf Seite 36 der Abi-Zeitung von 2008 sind zwei Fotos des jungen Helferich zu sehen. Links eines im Alter von etwa 5 Jahren: mit Cowboy-Hut auf dem Kopf und Spielzeugpistole in der rechten Hand. Rechts der Abiturient Helferich: Seitenscheitel, Hemdkragen, im Gesicht ein breites Lächeln. Im Vergleich zum Abi-Foto hat sich der heute 36-Jährige kaum verändert. Der unbekannte Autor des dazugehörigen Artikels schreibt ihm die „Verkörperung der preußischen Tugenden“ zu.

Als unsere Redaktion Helferich die Passagen vorliest, lächelt er. Sie passen zu seinem Selbstbildnis – als einer, der sich dem vermeintlichen Mainstream entgegenstellt, der Grenzen überschreitet und verschiebt. Exemplarisch stehen dafür die Diskussionen mit seinen Lehrern.

Mit einer jungen Politiklehrerin habe er einmal so heftig diskutiert, dass die am Ende nicht mehr gewusst habe, was sie sagen solle, erzählt eine frühere Mitschülerin. In der Abizeitung heißt es: „Der Kronloyale musste in vielen Diskussionen seine Rhetorik unter Beweis stellen, ob zu aktuellen Wahlkampfthemen der CDU oder zu urdeutschen, konservativen Werten.“

Sein ehemaliger Deutsch-Lehrer erinnert sich an ihn, als „belebendes Element im Unterricht“, als „konservativen Mann von der Jungen Union. Aus heutiger Sicht wohl eher auf Merz-Linie, aber dass er so abdriftet, hätte ich weiß Gott nicht gedacht.“ Helferich fällt auf, weil er sich traut, den Lehrkräften Widerworte zu geben – oft nah an deren Toleranzgrenze.

Die Mitschüler wählen ihn zum geselligsten, lockersten und humorvollsten Abiturienten des Jahrgangs. Es gibt eine spielerische Wahl zum Bundeskanzler, die er mit 62,8 Prozent der Stimmen gewinnt. „Richtig sympathisch war er mir nicht“, sagt eine Mitschülerin. „Aber er war nicht unbeliebt.“

Ein Ausschnitt aus dem Abiturartikel von Matthias Helferich – schon in der Schule übte Helferich sich in Provokation
Ein Ausschnitt aus dem Abiturartikel von Matthias Helferich – schon in der Schule übte Helferich sich in Provokation © Repro Abizeitung HLG

Schon damals habe er gut vor Gruppen gesprochen. Schlagfertig sei er gewesen, wortgewandt, selbstbewusst, mit einem Hang zur Arroganz. Die Mitschülerin sagt: „Auch ich habe sicherlich mal über den ein oder anderen Spruch gelacht.“

Doch dann ist da noch eine andere Seite, die auch ein Thema unter den Mitschülern ist:

„Er scheute sich auch nicht bei Prügeleien seinem Adonis-Körper Malträtierungen auszusetzen. Blaues Auge und blutverschmierte Jacke konnte er am nächsten Tag in der Schule oftmals als Siegeszeichen zur Schau tragen“, heißt es in der Abizeitung.

Es ist das Gehabe von Heranwachsenden, wie es in Abizeitungen häufig zu lesen ist. Doch auch darüber hinaus erinnert sich eine ehemalige Mitschülerin an ein blaues Auge, mit dem Helferich einmal zur Schule gekommen sei. Er habe es weder versteckt noch kommentiert. „Er war stolz darauf.“

Sie habe Helferich einmal bei einem Straßenfest in Hombruch getroffen. Aus irgendeinem Grund habe es Streit gegeben. Ein Freund der Mitschülerin und Helferich hätten sich gegenübergestanden: „Matthias nahm demonstrativ den Siegelring vom Finger und gab ihn seinem Kumpel.“ Am Ende löste sich die Situation auf, ohne dass sich die beiden jungen Männer schlagen. Helferich sagt heute, er könne sich an die Situation nicht erinnern.

Kapitel 4 – Kampf bis aufs Blut

Nach dem Abitur führt Helferichs Weg ins Rheinland und zur Bundeswehr. Für den damals 19-Jährigen ist es Familientradition. Der Großvater sei in der Wehrmacht, der Vater in seinem Wehrdienst beim Grenzschutz eingesetzt gewesen.

Matthias Helferich nimmt 20 Kilo ab, aus Sorge, ausgemustert zu werden. Er wird dem Wachbataillon in Siegburg bei Bonn zugeteilt. Diese „deutsche Garde“ ist im protokollarischen Ehrendienst eingesetzt. Bei Staatsbesuchen und anderen offiziellen Terminen hat das Wachbataillon Repräsentations-Funktion.

Helferich kann sich damals vorstellen, nach seinem Wehrdienst als Reserveoffizier weiterzumachen. Zum Verhängnis wird ihm das Strafverfahren wegen Volksverhetzung. Helferich darf deshalb nach seinem Wehrdienst nicht in der Truppe bleiben. Dabei hätte er neben dem Studium gerne eine Reserveoffizierslaufbahn eingeschlagen.

Das Wachbataillon der Bundeswehr marschiert unter anderem zu Besuchen ausländischer Staatspräsidenten auf, um sie mit militärischen Ehren zu begrüßen.
Das Wachbataillon der Bundeswehr marschiert unter anderem zu Besuchen ausländischer Staatspräsidenten auf, um sie mit militärischen Ehren zu begrüßen. © picture alliance / dpa

Helferich beginnt in Bonn ein Jura-Studium. Er wird Mitglied in der Burschenschaft „Frankonia“. Was sich in den Häusern der Bonner Burschenschaften tut – dafür interessiert sich auch der NRW-Verfassungsschutz. Teile der „Neuen Rechten“ würden konservative Burschenschaften als Zielgruppe sehen, um dort ihr Gedankengut zu verankern, sagt eine Sprecherin des Geheimdienstes dem „Kölner Stadtanzeiger“.

Hat sich der heutige Bundestagsabgeordnete also in der Burschenschaft radikalisiert?

„Das würde ich so nicht sagen“, entgegnet Helferich.

Wegbegleiter hingegen sind sicher: „Seine Radikalisierung kam in der Studentenzeit“. Man habe selbst aus der Distanz erkennen können, dass Helferich in den Burschenschaften auf Alte Herren gestoßen sei – also auf ehemalige Studenten, die weiter Teil der Verbindung sind. Die hätten ihn stark beeinflusst.

In der Jungen Union und CDU taucht Helferich ab. Mitglied ist er nur noch auf dem Papier. Das Parteiausschlussverfahren wird von der Jungen Union nicht weiter verfolgt. Helferich tritt mitten in der Flüchtlingskrise 2015 aus der Union aus, er kritisiert Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, die Grenzen für Menschen vorwiegend aus Syrien und Afghanistan nicht geschlossen zu haben.

Helferich fühlt sich an den Artikel in der „Jungen Freiheit“ erinnert, den er mit 14 Jahren gelesen hatte und sorgt sich um die „nationale Identität“ in Deutschland.

Doch das Merkel-Erlebnis ist nicht alles. Schon Jahre zuvor las der Burschenschaftler Helferich zunehmend politische Bücher und hörte „lebensweltliche Vorträge“. Er sagt selbst: „Da habe ich mich sicherlich auch geistig von der Christdemokratie wegbewegt.“

Schon in der Schulzeit hatte Helferich als „Schülerfuchs“ Veranstaltungen von Burschenschaften besucht. Es ist eine Art Schnuppermitgliedschaft. Er fand dort nicht nur „Rüstzeug für den politischen Kampf“, wie es in seinem Abi-Artikel heißt, sondern auch Gemeinschaft: „Das war natürlich ein Abenteuer, mit dem Schülerticket am Wochenende nach Bonn zu fahren und dort in diese Lebenswelt abzutauchen“, sagt der 36-Jährige.

Das Hauptgebäude der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Matthias Helferich zog für sein Jura-Studium in die alte Bundeshauptstadt und kam wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt bei der Burschenschaft Frankonia unter.
Das Hauptgebäude der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Matthias Helferich zog für sein Jura-Studium in die alte Bundeshauptstadt und kam wenige Hundert Meter Luftlinie entfernt bei der Burschenschaft Frankonia unter. © picture alliance/dpa

Ein zentraler Bestandteil dieser Lebenswelt war das „Schlagen“, das offene Duellieren mit Säbel. Kalkulierte Gewalt, eingeplante Verletzungen.

Angesprochen auf solche Verletzungen beim Interview im Dortmunder Rathaus, neigt er den Kopf nach unten und schiebt die Haare beiseite. Mit seinem Finger zeigt er auf eine große Narbe, die von seinem Haaransatz an der Stirn links nach hinten verläuft und sagt dazu: „Ich habe dreizehn Narben am Kopf. Ich bin froh, dass ich bisher keine Halbglatze bekommen habe.“ Zu Hause gebe es noch Fotos, die sein blutüberströmtes Gesicht zeigten, nachdem er bei einer Mensur in der Burschenschaft schwer getroffen worden sei.

Beim akademischen Fechten sei es das Ziel, dass man eben stehen bleibe, egal was passiere. „Wir tun das nicht, um den anderen zu schädigen, sondern damit jeder der beiden Teilnehmer letztlich seine Angst überwindet. Man hat verloren, wenn man die Klinge dann eben nicht auf den Kopf einschlagen lässt.“

Kritiker sehen in den burschenschaftlichen Mensuren ein Instrument, um Härte und moralische Gleichgültigkeit einzuüben. Dass in Kauf genommen werde, dass Blut fließe, zeige die Geringschätzung des Individuums. Denn der einzelne Mensch werde in der völkisch-burschenschaftlichen Tradition dem Vaterland untergeordnet, schreibt der Rechtsextremismusforscher Heribert Schiedel.

Kapitel 5 – Vorbilder aus Österreich

Die Zeit in der Burschenschaft prägt Helferichs politisches Selbstverständnis bis heute. „Den Ansatz, drittes Lager zu sein: Es gibt Linke, es gibt Konservative und es gibt eben Rechte, das habe ich schon aus der burschenschaftlichen Tradition herausgezogen“, sagt er.

Was so klingt, als handle es sich um ein normales politisches Milieu, ist eine der Anspielungen auf den historischen Nationalsozialismus, die bei Helferich immer wiederzufinden sind, in dessen Nähe er sich selbst aber angeblich nicht sieht.

In Österreich wird das „Dritte Lager“ als deutschnationales und antisemitisches Parteien-Spektrum bezeichnet, das neben Christsozialen und Sozialdemokraten existierte. In den 30er-Jahren traten die NSDAP-nahen Anhänger dieses Lagers für den Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich ein. Heute wird dieses Lager von der FPÖ vertreten, die kürzlich die Nationalratswahlen gewann. Ihr Bundesparteiobmann, Herbert Kickl, könnte nun zum Kanzler gewählt werden.

Helferich, inspiriert von politischen Vorbildern aus dem Nachbarland, bewundert Kickl, aber auch den ehemaligen FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider. Er beschreibt Haider als „Urvater des europäischen Rechtspopulismus“ und lobt ihn als „bewundernswerte Persönlichkeit“.

Haider, der auch bei Veteranentreffen der Waffen-SS auftrat, starb 2008 bei einem Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss.

Jörg Haider war Parteivorsitzender der FPÖ und erster Landeshauptmann der rechtspopulistischen Partei im Bundesland Kärnten – hierzulande entspräche das dem Amt des Ministerpräsidenten.
Jörg Haider war Parteivorsitzender der FPÖ und erster Landeshauptmann der rechtspopulistischen Partei im Bundesland Kärnten – hierzulande entspräche das dem Amt des Ministerpräsidenten. © picture-alliance/ dpa

Helferich absolvierte während seines Jurastudiums ein Praktikum bei der FPÖ in Klagenfurt. Zuvor hatte er 2018 Erfahrungen bei der AfD in NRW gesammelt. In Österreich knüpfte er vor allem Kontakte zu schlagenden Burschenschaften, die stark mit der FPÖ verbunden sind, mit der Einschätzung: „Da kam ich eher mit Leuten in Verbindung, die weltanschaulich schon weiter waren.“

Dieses Milieu findet er heute auch in Deutschland. Helferich steht dem AfD-Rechtsaußen Björn Höcke nahe. Mindestens zweimal trafen sich die beiden in Dortmund. Als persönliches Vorbild will er Höcke nicht verstanden wissen. Aber: „Er ist auf jeden Fall ein sehr geschätzter Parteifreund, und er hat auch sicherlich eine Strahlkraft und auch eine Vorbildfunktion innerhalb der Partei.“

Der rechtsextreme AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke (Mitte) hat am 1. Mai 2024 Dortmund besucht und war mit AfD-Mitgliedern und Politikern wie Matthias Helferich (r.) über das Gelände der Kokerei Hansa gelaufen.
Der rechtsextreme Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke (Mitte) hat am 1. Mai 2024 Dortmund besucht und war mit AfD-Mitgliedern und Politikern wie Matthias Helferich (r.) über das Gelände der Kokerei Hansa gelaufen. © Karsten Wickern

Wie Höcke sucht auch Helferich die Nähe zum rechtsextremen Verleger Götz Kubitschek. Der Götz Kubitschek, der schon für die „Junge Freiheit“ schrieb, als Helferich sie mit 14 Jahren am Hauptbahnhof holte. Vor wenigen Wochen erst lud Helferich Kubitschek in Räume des Bundestages ein. Es ist wieder eine dieser Provokationen. Als wollte er sagen: „Guckt her, was wir uns erlauben.“

Der Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow sieht in Kubitschek jemanden, der gut darin ist, Sichtbarkeit für diese Strömung und ihre Begriffe zu erreichen. Statt „Deutschland den Deutschen“ fordern Akteure der Neuen Rechten „Ethnopluralismus“ oder ein „Europa der Vaterländer“. Der Inhalt bleibt derselbe: eine Separation verschiedener „Völker“ auf ihr „angestammtes Territorium“. In letzter Konsequenz würde es Deportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte bedeuten.

Dahinter steckt ein zutiefst rassistisches Weltbild. Die „millionenfache Remigration“, die Matthias Helferich fordert, reiht sich in dieses Weltbild ein. Er behauptet, Menschen mit deutschem Pass seien damit nicht gemeint.

In Wahrheit kämpfen Teile der AfD dafür, Menschen den deutschen Pass entziehen zu können. „Wenn sie kriminell werden, dann kann man darüber reden, ob die doppelte Staatsbürgerschaft oder deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt werden kann“, sagte AfD-Parteichef Tino Chrupalla am 5. Februar bei Markus Lanz.

In Helferich sieht Kubitschek ein gewisses Potenzial, die neurechte Strömung und ihre Begriffe bekannter zu machen. Neben vermeintlich subtileren Bezeichnungen setzt die Neue Rechte auch auf Provokation: „Kubitschek hat früh erkannt, dass man damit große öffentliche Sichtbarkeit erreichen kann“, sagt Virchow. Klingt beinahe so, als würde Helferich einer Anleitung Kubitscheks folgen.

Nachdem der Dortmunder Bundestagsabgeordnete bei einer Sommerakademie Kubitscheks im sachsen-anhaltinischen Schnellroda zu Gast war, lädt Helferich den Verleger als Redner in sein Abgeordnetenbüro in Dortmund-Dorstfeld ein. Es ist der 19. Januar 2024, eine gute Woche nach Veröffentlichung der Geheimplan-Recherche von Correctiv.

Am nächsten Tag werden rund 30.000 Menschen in Dortmund gegen einen Rechtsruck auf die Straße gehen. An diesem Abend stehen in dem abgeschiedenen Gewerbegebiet, in dem Helferich sein Büro hat, rund 100 Linke, abgeschirmt von der Polizei. Sie demonstrieren gegen das Treffen, das Helferich gern geheim gehalten hätte.

In der Einladung heißt es, es solle um eine „politische Erneuerung der Verhältnisse“ und die „Bedingungen und das Wesen einer Wende gehen“. Treibende Kraft dafür soll die AfD sein. Journalisten, die vor der Tür stehen, bekommen keinen Einlass. Als einer fragt, worum es denn in dem Vortag gehen solle, dreht sich Matthias Helferich zu den Kameras um: „Um Deutschland natürlich.“ Dann betritt er das Gebäude.

Manche Teilnehmer ziehen die Kapuzen tief ins Gesicht, andere halten die Schals vor den Mund, als sie an den Journalisten vorbei ins Gebäude gehen. Einer zeigt den Mittelfinger. Insgesamt betreten rund 50 Personen das Büro von Matthias Helferich. Darunter sind einige Vorstandsmitglieder der Jungen Alternative in NRW und Mitglieder von NRW-Ortsverbänden.

Kapitel 6 – Die Methode Helferich: Enthemmung als Politikstil

„Wer sich distanziert, verliert“, ist ein Satz, den Matthias Helferich immer wieder benutzt. So ähnlich sagt ihn auch Götz Kubitschek. Es ist ein Signal der Geschlossenheit an radikale Mitstreiter, etwa aus der Jungen Alternative, die enge Kontakte zur Identitären Bewegung pflegt. Vor allem zeigt es aber, wie Helferich die AfD sieht – als Partei, in der auch die radikalsten Mitglieder nicht nur einen festen Platz haben, sondern den Ton angeben.

Aber wie nah ist Helferich seinen Vorbildern schon gekommen?

Im Großen und Ganzen hänge Matthias Helferich demselben Weltbild an wie ein Höcke oder Kubitschek, sagt Rechtsextremismus-Experte Fabian Virchow: „Er gehört der dezidiert völkischen Strömung der AfD an. Er sieht sie als Bewegungspartei, die ein außerparlamentarisches Standbein braucht.“

Götz Kubitschek (r.) reiste am 19. Januar 2024 gemeinsam mit Matthias Helferich (Mitte) zu einem Vortrag in dessen Büro an.
Götz Kubitschek (r.) reiste am 19. Januar 2024 gemeinsam mit Matthias Helferich (Mitte) zu einem Vortrag in dessen Büro an. © Karsten Wickern

Heute müssten sich Politiker mit diesen Positionen nicht mehr verstecken. Virchow ist sicher: „Wenn irgendwann ein Verbotsantrag zur AfD gestellt wird, wird Material von Matthias Helferich dabei sein. Er gehört inhaltlich mit zum radikalsten Teil in der AfD.“

Anfang Februar 2025 hat netzpolitik.org das 1000-seitige Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz veröffentlicht, das Grundlage für die Einstufung der Bundes-AfD als rechtsextremer Verdachtsfall ist. Auch Matthias Helferich wird darin in fünf Kontexten erwähnt.

Aufgeführt ist etwa ein Beitrag Helferichs, der im August 2019 auf der Seite des AfD-Kreisverbandes Dortmund veröffentlicht wurde, in dem Helferich über Deutschland schrieb, es verkomme zum „multi-kulturellen Schlachthaus“. Flüchtlinge würden durch solche Aussagen „systematisch verächtlich gemacht und als kollektives Feindbild konstruiert“, bewertet der Verfassungsschutz seine Aussage.

Der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte im August 2024 im Gespräch mit unserer Redaktion über Helferich: „Ich halte seine Reden für hetzerisch, für menschenverachtend und für absolut destruktiv. Es geht ihm nur darum, Vorurteile zu schüren und negative Emotionen aufzuputschen.“

Es geht um sprachliche Bilder, die Angst erzeugen. Im Podcast mit Götz Kubitschek sagt Helferich über NRW: „Das ist unser Hauptkampfland, was die Problemlagen angeht. Wir haben da schon in Teilen bürgerkriegsähnliche Zustände. Wir haben alle zehn Minuten eine Messerattacke in diesem Bundesland.“

Gedeckt von den Zahlen ist das nicht. Die Anzahl der registrierten Messerattacken im Jahr 2023 ist in NRW zwar insgesamt auf rund zehn pro Tag gestiegen, aber weit entfernt davon, dass alle zehn Minuten eine Messerattacke stattfindet.

Über Jahrzehnte lernt Helferich in den Burschenschaften und bei der FPÖ, wie Enthemmung funktioniert und macht sie zu seinem Politikstil. Heute verkörpert er diese Enthemmung. „Wer interessieren will, muss provozieren“, sagt Helferich. Und: „Ich glaube daran, dass rechte Politik von Grenzüberschreitungen lebt. Wir müssen den Raum des Sagbaren erweitern.“

Der Abgeordnete Matthias Helferich während des Landesparteitags der AfD NRW im Juni 2024: Über dem Hemd trug er ein Kapuzenpullover mit dem Logo der Jungen Alternative. Der NRW-Verfassungsschutz hatte die Jugendorganisation der AfD in NRW ein halbes Jahr zuvor als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft.
Der Abgeordnete Matthias Helferich während des Landesparteitags der AfD NRW im Februar 2024: Über dem Hemd trug er ein Kapuzenpullover mit dem Logo der Jungen Alternative. Der NRW-Verfassungsschutz hatte die Jugendorganisation der AfD in NRW drei Monate zuvor als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. © picture alliance/dpa

Spricht da jetzt Götz Kubitschek? Helferich antwortet: „Das ist die Lehre aus Schnellroda und die Lehre der Neuen Rechten. Wir wollen eine politische Hegemonie erreichen. Dazu müssen wir die Zivilgesellschaft erst überzeugen. Was dann im Parlament passiert, ist bedeutungslos für das, was wir tun. Wichtig ist, dass die Leute in ihrem Alltagsverständnis rechts denken.“

Aus Helferichs Lust am Provozieren hat sich längst etwas Größeres entwickelt als der Wunsch, anders als die anderen zu sein. Es ist eine Strategie, politische Überzeugungen zu vermitteln, eine jahrzehntelange neurechte Indoktrination, die mit Kubitschek als Autor der „Jungen Freiheit“ begann.

Helferichs Geschichte ist eine der Enthemmung.

Während er als 13-Jähriger noch Edmund Stoiber zujubelte, um zu rebellieren, wird Helferich 2021 bundesweit durch interne Chats als „freundliches Gesicht des NS“ bekannt.

Damals ist er noch stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in NRW. Gemeinsam mit Rüdiger Lucassen führt er die Partei, zieht im September 2021 in den 20. Deutschen Bundestag ein. Die Selbstbezeichnung vom „freundlichen Gesicht des NS“ habe er angeblich von einer Kritikerin übernommen und tut es später als Ironie ab.

Der Bundesvorstand belegt Helferich danach mit einer Ämtersperre. Er verliert das Amt des Co-Landesvorsitzenden.

Sogar seine „zweite Familie“, die Burschenschaft „Frankonia“, schließt ihn aus. Das habe ihn hart getroffen, sagt Helferich. Außerdem verzichtet er unter Druck auf die Aufnahme in die AfD-Bundestagsfraktion.

An dieser Stelle hätte die politische Karriere von Matthias Helferich enden, er als fraktionsloser Abgeordneter im Berliner Politikbetrieb untergehen können.

Kapitel 7 – Kampf ums politische Überleben

Statt einer wissenschaftlichen Karriere an der Ruhr-Universität Bochum oder einer juristischen Karriere will Matthias Helferich nach seiner Anwaltszulassung im Jahr 2020 hauptberuflich Politik machen – obwohl ihm ein ehemaliger Chef bescheinigt: „Er hätte problemlos eine hoch dotierte juristische Position erreichen können.“

In der AfD schafft Helferich nach seinem Parteieintritt im Jahr 2016 einen schnellen Aufstieg. Er wird Bezirkssprecher der Jungen Alternative und Beisitzer im AfD-Landesvorstand. 2017 kandidiert er bereits für den Bundestag, wenn auch noch vergeblich. 2020 zieht er als Ratsherr in den Dortmunder Stadtrat ein, wird dort Fraktionsgeschäftsführer, 2021 schafft er es zusätzlich in den Deutschen Bundestag. Ein Spagat zwischen Berlin und Dortmund.

Im Dortmunder Stadtrat wird er schnell zur prägenden Figur der AfD. Anders als in Berlin sind hier alle Fraktionsmitglieder stolz auf ihn. Fragt man Fraktionschef Heiner Garbe (63) nach seinem politischen Vorbild, nennt er den fast 30 Jahre jüngeren Helferich: „Er besitzt politische Urbegabung.“ Auch hier versteht er es zu provozieren.

Matthias Helferich musste im Oktober nach dem dritten Ordnungsruf die Sitzung des Dortmunder Stadtrats verlassen. Unzufrieden wirkte er darüber nicht.
Matthias Helferich musste im Oktober 2024 nach dem dritten Ordnungsruf die Sitzung des Dortmunder Stadtrats verlassen. Unzufrieden wirkte er darüber nicht. © Thomas Thiel

So sehr, dass ihn Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) im September 2024 des Saals verweist. Anschließend nimmt er außerhalb des Ratssaals ein Video auf: Der wütende Oberbürgermeister habe ihn hinausgeworfen, weil dieser unbequeme Meinungen unterdrücken wolle. Dabei hatte Helferich trotz mehrfacher Ermahnung nicht zum Thema gesprochen, hatte Politiker anderer Parteien beleidigt.

In Berlin weiß Helferich, seine Fraktionslosigkeit zu nutzen. 64 Reden hält er in der laufenden Legislaturperiode im Bundestag. Mehr als manche Mitglieder der AfD-Fraktion. Helferich begreift das Parlament als „Bühne“, wie er sagt. Der 36-Jährige sieht die Bundesrepublik längst in einer Mediendemokratie angekommen: „Ich muss wirken, um Leute zu überzeugen, und dafür brauche ich Aufmerksamkeit.“

Wie das genau aussieht, illustriert Helferich im Gucci-Trainingsanzug am Rednerpult des Deutschen Bundestags. Sein Publikum sind nicht die Parlamentarier, sondern die User auf Tiktok, Instagram und X. Verkleidet als „Talahon“, eine Eigenbezeichnung migrantischer Jugendlicher, aber auch ein rassistischer Kampfbegriff für die Neue Rechte, geht sein Auftritt durch die sozialen Medien. Für seine Bekanntheit ist das Gold wert. Wer nicht Matthias Helferich, „das freundliche Gesicht des NS“ kennt, kennt jetzt den „Talahon“ Matthias Helferich.

Mit Trainingsanzug, Umhängetasche und Goldkette steht Matthias Helferich im Oktober 2024 am Rednerpult des Bundestags.
Mit Trainingsanzug, Umhängetasche und Goldkette stand Matthias Helferich im Oktober 2024 am Rednerpult des Bundestags. In sozialen Netzwerken wurde der Auftritt hunderttausendfach angesehen. © Bundestag

In einem Podcast nennt Götz Kubitschek Helferich in einem Satz mit Björn Höcke und Maximilian Krah. Andere Parteimitglieder würden nicht verstehen, was für ein „Pfund“ sie mit diesen Personen hätten: „Die AfD ist voll in der Kampfphase. Da braucht man Rammböcke, Leute, die in der Lage sind, verblüffend schnell zu reagieren, kreativ zu sein, frech zu sein, den Gegner zu treiben“, sagt Kubitschek und schaut dabei seinen Podcast-Gast Helferich an.

Helferich sei wichtig, um „Begriffe, die aus den Projekten kommen, ins Parlament hineinzuventilieren“. Helferich trägt für Kubitschek die Worte in den Bundestag und von da aus weiter auf die Smartphones der Menschen. „Millionenfache Remigration“ propagiert der Dortmunder schon, noch ehe der Begriff nach der Geheimplan-Recherche von Correctiv im Januar 2024 deutschlandweit diskutiert wird. Es geht um Pläne millionenfacher Abschiebung auch deutscher Staatsbürger. An dem Treffen nahmen auch AfD-Politiker teil.

Rund 30.000 Menschen zogen am 20. Januar 2024 durch die Dortmunder Innenstadt, um gegen rechte Ideologien, Rechtsextremismus und die AfD zu protestieren. Eine Recherche von "Correctiv" hatte bundesweite Großdemonstrationen ausgelöst.
Rund 30.000 Menschen zogen am 20. Januar 2024 durch die Dortmunder Innenstadt, um gegen rechte Ideologien, Rechtsextremismus und die AfD zu protestieren. Eine Recherche von "Correctiv" hatte bundesweite Großdemonstrationen ausgelöst. © Karsten Wickern

Mit seinen Auftritten kommt Helferich bei Teilen der Parteibasis gut an. Auf der Landeswahlversammlung im Januar 2025 in Marl kandidiert er, setzt sich mit 245 zu 224 Stimmen gegen seinen Konkurrenten auf Listenplatz sechs durch. Der erneute Einzug in den Bundestag ist ihm damit kaum noch zu nehmen. Die Menge applaudiert ihm, es sind auch einige Pfiffe zu hören.

Helferich geht heute davon aus, dass er Teil der nächsten AfD-Bundestagsfraktion werden wird. Sollte es so weit kommen, wäre es ein weiteres Indiz für die schrittweise Verschiebung im politischen Diskurs in Deutschland. Das „freundliche Gesicht des NS“ heftet Helferich noch immer an. Doch im diskursiven Bombardement seiner Provokationen nutzt sich die Empörung zunehmend ab.

„Das muss laut sein, das muss auch knallen, damit man nicht mehr an uns vorbeikommt“, sagt Helferich selbst über sein Auftreten und das seiner Partei. Zur Befriedung in den Debatten der Bundesrepublik wolle er nicht beitragen, sagt er: „Eine weitere Polarisierung voranzutreiben, halte ich für richtig.“ Alles für eine rechte Machtübernahme in Deutschland.

Und wenn er sein Ziel erreicht hat? Diese Frage bleibt unbeantwortet. Trotz mehrfacher Nachfrage.

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AfD-Treffen mit rechtem Vordenker: Experte sagt, „Helferich versucht, in NRW ostdeutsche AfD-Verhält

Rechtsextremer Vordenker zu Gast bei Dortmunds AfD-Abgeordnetem Helferich : Götz Kubitschek soll Vor