Schöne neue Online-Welt - was soziale Netzwerke mit jungen Erwachsenen machen
Stück der Theaterpartisanen
In ihrem neuen Stück fragen die Theaterpartisanen, was das Leben in den sozialen Netzwerken mit ihnen, jungen Erwachsenen zwischen 16 und 22 Jahren macht. Die Premiere ist am 16. März.

Was nicht auf Insta landet, ist nicht geschehen? Eine Szene aus „Man sieht sich #siehstdumich“. © Nane Thomas
Auch wenn manche von ihnen nach der Jahrtausendwende geboren sind und gerade in die Schule kamen, als Steve Jobs in San Francisco vor tausenden Zuschauern das erste iPhone vorstellte – die digitale Welt ist für Jugendliche und junge Erwachsene von heute zwar selbstverständlich, aber deshalb längst kein unproblematisches Phänomen. Und das ist ihnen, entgegen so vieler Vorurteile von Erwachsenen, durchaus bewusst.
Die Dortmunder Theaterpartisanen, eine Gruppe von zwölf jungen Menschen zwischen 16 und 22 Jahren, hat das Thema unter Regie von Theaterpädagogin Sahra Jasinszczak jetzt zum Gegenstand ihres aktuellsten Stücks gemacht: „Man sieht sich #siehstdumich“ lautet der Titel – und der ist symptomatisch.
„Digitalität ist für uns natürlich ein Riesenthema“, sagt Lisa Goltzsche von den Theaterpartisanen, „vor allem Fragen, die die Selbstdarstellung in den sozialen Netzwerken betreffen: Was zeige ich dort, und was macht das mit mir und mit anderen Leuten?“ Natürlich zeige man nur, was man möchte – doch das entspricht nicht unbedingt der Realität. Es ist superleicht, über Apps wie Facetune, PhotoWonder oder PerfectMe Hand an das eigene Gesicht, den Teint oder die Figur zu legen, von Farbfiltern, Stickern und Glitzereffekten mal abgesehen.
Schönheit erzeugt Druck
Das verwandelt die Menschen auf Instagram-Fotos in wahre Filmschönheiten. Eine Spielerei, einerseits. Andererseits erzeugt es Druck, bei sich selbst und bei anderen. Theorien über den Zusammenhang von sozialen Medien und einem geringer werdenden Selbstwertgefühl mancher (oder vieler?) Jugendlicher gibt es einige. Was hat das, was man online von sich zeigt, noch mit dem Menschen zu tun, der das Smartphone in der Hand hält? Andererseits: Wie gläsern möchte man sein, was will man wirklich von sich preisgeben?
Die Theaterpartisanen haben den Text „Man sieht sich“ des Kanadiers Guillaume Corbeil genommen und auf genau diese Fragen angepasst: Die fünf Protagonisten – bei Corbeil ohne Namen, nur mit Nummern bezeichnet – bekommen Steckbriefe, Familien und Geschichten, die Darsteller und Darstellerinnen verorten sie in ihrem bekannten Umfeld. Sie hören die Musik, die sie gerne hören, und gehen in die Clubs, in denen sie gerne feiern – ins Nightrooms, Daddy Blatzheim, Oma Doris.
Aber: Sie haben zwei Seiten. Jede Figur wird von zwei Partisanen gespielt – einer verkörpert das Innen, den Menschen hinter dem Profil. Ein anderer das Außen, die Netzidentität. „Es ist total spannend, diese beiden Pole auseinanderzuziehen“, sagt Lisa Goltzsche. „Man kann plötzlich ganz genau sehen: Was passiert innen, wenn ich außen etwas bestimmtes mache, und was geschieht außen, wenn innen ein Problem ist?“
Eine Figur im Stück steigt aus
Tatsächlich gibt es auch immer mehr Influencer – Menschen, die in den Netzwerken besonders viele Follower und deshalb großen Einfluss haben –, die dieses Thema ansprechen. Sie zeigen unbearbeitete Bilder von sich, sprechen ihre Zweifel an, nehmen sich bewusste Auszeiten und kommunizieren darüber.
Die Figuren in „Man sieht sich #siehstdumich“ finden ebenfalls eigene Lösungen. Die Figur, deren „Außen“ Lisa Goltzsche verkörpert, steigt aus, löscht ihre Profile, killt den Internetzugang. Und die anderen? „Sie bleiben dabei. Sie inszenieren sogar die Suche nach der Verschwundenen“, sagt Goltzsche.
In „Man sieht sich #siehstdumich“ zeigen die Jugendlichen, sieben Mädchen, fünf Jungen, ihre verletzlichen Seiten, lassen in Musik und Tanz seltene, ehrliche Momente zu (Choreografie: Birgit Götz). Und natürlich gibt es eine Meta-Ebene: Zwei erfundene Figuren – „Über“ und „Ich“ – kommentieren das Geschehen von außen. Aber die sind auch nicht immer einer Meinung.