
© Stephan Schütze
OB Westphal: Ein Jahr im Amt – schon tobt der Kampf um die Vorherrschaft
Dortmunder OB Westphal
2020 gewählt, hat OB Thomas Westphal sein erstes Amtsjahr hinter sich. Dabei trifft er auf einen Rat, der selbstbewusst auftritt und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen will.
Wer hat das Sagen in Dortmund? Der OB? Oder die Politik im Rat der Stadt? Das ist die Gretchenfrage, die sich wie ein roter Faden durch das erste Amtsjahr von OB Westphal zieht.
Im Herbst 2020 ist er vom Schreibtisch des städtischen Wirtschaftsförderers ins OB-Zimmer gewechselt. Seitdem sieht sich Westphal einem Rat gegenüber, der im Kern von einer Grün-Schwarzen Partnerschaft geprägt ist. Auf die SPD als Mehrheitsbeschaffer kann sich der OB nicht verlassen.
Beides ist neu für Dortmund. Doch wer geglaubt hat, der OB werde aus der Gemengelage Konsequenzen zieht, sieht sich eines Besseren belehrt.
Als könne er auf stabile politische Mehrheiten setzen, präsentiert Westphal den Ratsgremien mal eben sein von ihm entworfenes „Leitbild“ für Dortmund.
Und erwartet, dass der Rat sein Papier, das sich wie das Programm aus dem OB-Wahlkampf liest, möglichst kopfnickend zur Kenntnis nimmt. Erstaunt es Westphal wirklich, dass er seine Stadtstrategie "Dortmund – Großstadt der Nachbarn“ auf Geheiß der Ratsgremien erstmal wieder einmotten und 2022 neuen Anlauf nehmen muss?
OB gilt nicht als der große Kommunikator
Seine Begründung, es handele sich lediglich um eine „Strategie für die hauptamtlichen Mangementprozesse in der Verwaltung“ klingt dünn und dürfte eher als Rückzugsgefecht dienen.
Das „Leitbild“ der Stadt festzulegen, ist nach der Gemeindeordnung Sache des Rates. Und der hat an diesem Beispiel mal eben deutlich gemacht, dass er keinesfalls gedenkt, sich vom OB die Butter vom Brot nehmen zu lassen. „Es gilt das Primat der Politik“ – das soll zum Schlüsselsatz der nächsten Jahre werden.
Dabei sind die Töne, die Westphal anschlägt, im Grundsatz gar nicht falsch.
Dortmund benötigt mehr Wohnungen und mehr Kita-Plätze. Der Ausbau des Glasfasernetzes muss ebenso vorangetrieben werden wie die bürgerfreundliche Verwaltung (Stichwort: Digitalisierung).
Die weitere Entwicklung der City (über die bislang nur geredet wird) steht ebenso auf der Tagesordnung wie Maßnahmen zur Klimaneutralität. Viele der Themen, die Westphal anschlägt, waren bereits vorher auf den Weg gebracht. Was Dortmund aber bei der Umsetzung benötigt, ist ein OB, der kommuniziert und sich mitteilt.
Darstellung in sozialen Medien lässt Spekulationen blühen
Genau das wird von vielen schmerzlich vermisst. Selbst der SPD-Fraktion werden die Überlegungen „ihres“ OB oft spät oder auch gar nicht zuteil – von anderen Ratsfraktionen ganz zu schweigen.
Die Sprachlosigkeit, die Westphal teilweise an den Tag legt, verdutzt Freund und Gegner gleichermaßen. Auch in Sachen RWE fing sich Westphal Kritik ein: Er hatte seinem Amtsvorgänger Ex-OB Sierau den Vortritt in den RWE-Aufsichtsrat überlassen – und ausgerechnet den Rat der Stad Dortmund, die das größte RWE-Aktienpaket unterhält, in Unkenntnis gelassen.
Umso „auskunftsfreudiger“ zeigt sich der OB auf Facebook & Co: Sein Auftreten in den Sozialen Medien gilt vielen als überbordende Selbstinszenierung. Einige leiten bereits ab, Westphal könne nach Höherem streben. Andere sprechen von einem „Dauerwahlkampf.“
Im neuen Jahr 2022 muss Westphal liefern
Nach einem ruckeligen ersten Jahr im OB-Amt steht Westphal 2022 vor konkreten Bewährungsproben: Er muss die angekündigte Wohnungsbaugesellschaft an den Start bringen. Er muss dafür sorgen, dass der geplante Führungswechsel in städtischen Unternehmen (etwa bei der EDG) unfallfrei über die Bühne geht.
Zudem soll im 1. Halbjahr 2022 klar werden, ob sich die Pläne zur Ansiedlung der Fachhochschule auf dem früheren HSP-Gelände („Smart Rhino“) realisieren lassen – die NRW-Landesregierung prüft das Mammutprojekt seit geraumer Zeit.
Was, wenn es nicht klapp? Gibt es in der Verwaltung einen Plan B? Das neue Jahr kommt mit vielen Fragen daher. OB Westphal muss Antworten finden. Er muss liefern.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.