
© Dieter Menne (A)
Das ist politisch übergriffig, Herr Westphal!
Meinung
Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal versucht, sein Wahlprogramm durchzuziehen – aber weitgehend am Rat vorbei. Das passt in das Bild seiner Selbstinszenierung, meint unsere Autorin.
Wenn Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal sein Wahlprogramm, für das er in das Spitzenamt der Stadt gewählt wurde, umsetzen will, könnte man sagen: Bravo, der Mann arbeitet seine Ziele und Wahlversprechen ab. Das ist gut so.
Doch seine Vorgehensweise hat einen Webfehler: Die Erstellung eines Leitbildes für die Stadt ist nicht seine Aufgabe, sondern die des Rates. Ein Blick in die Gemeindeordnung hätte da geholfen.
Doch OB Westphal schreibt oder lässt wörtlich in die Verwaltungsvorlage schreiben: „Nachdem das Leitbild durch den Oberbürgermeister festgelegt worden war“ . . .
Das ist politisch instinktlos und passt in das Bild der Selbstinszenierung, mit dem sich Westphal zunehmend Kritik einfängt. Ob Instagram, Facebook und Co – überall gibt der OB den Polit-Influencer und nutzt bei der Selbstvermarktung Grauzonen zwischen Amt und Privatperson. Politiker vor Ort, selbst die der eigenen Partei (letztere nur hinter vorgehaltener Hand), sprechen von der „Thomas-Show“.
„Friss oder stirb“
Auch die Ratsberichterstattung auf der Homepage der Stadt liest sich so, als ob die Verwaltung eine Sitzung mit sich selbst abgehalten hätte. Für Außenstehende ist oft nicht zu erkennen, ob es dabei gerade um einen Vorschlag der Verwaltung oder um Anträge aus der Mitte des Rates geht.
Kritik gab es auch dafür, dass Westphal seinem Vorgänger Ullrich Sierau im Vier-Augen-Gespräch den Vortritt in den RWE-Aufsichtsrat gelassen hat, ohne den Rat der Stadt mit den meisten kommunalen RWE-Aktien darüber zu informieren.
Und jetzt die neueste Eigenmächtigkeit, die man als politisch übergriffig bezeichnen kann. Nach dem Motto „Friss oder stirb, aber schnell“ wirft der Hauptverwaltungsbeamte den gewählten Politikern eine 28-seitige Vorlage mit viel Prosa vor die Füße, in denen er die Ziele für „eine neue selbstbewusste Großstadt“ festgelegt hat.
Dieses Vorgehen könnte sich allerdings als Eigentor entpuppen, sollte der Rat tatsächlich den Stellenplan für Westphals angestrebte Stadtstrategie empfindlich eindampfen.
Viel Richtiges und Altbekanntes
Vieles ist richtig, was in der Vorlage – umkränzt mit vielen Wortgirlanden – als zukunftsträchtige Ziele benannt ist. Vieles ist auch altbekannt und läuft schon längst als Großprojekt wie zum Beispiel das Stadterneuerungsprogramm „nordwärts“, der Ausbau der Kinderbetreuung und das Projekt „Smart City“.
Vermutlich wird der Rat Westphal und seine Verwaltung auf Initiative von Grünen und CDU im Dezember beauftragen, eine Vorlage zu „Stadtzielen für Dortmund“ vorzulegen. Über die würden die Ratsfraktionen beraten, sie mit eigenem Inhalt ergänzen und dann mit Mehrheit verabschieden.
An dem Punkt ist dann auch Thomas Westphal gefragt – mit seiner einen Stimme.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
