
© Stephan Schuetze
Kritik an der „Thomas-Show“, viel Geld fürs Klima: 2,9-Milliarden-Haushalt beschlossen
Städtischer Haushalt
Eine so breite Mehrheit im Rat gab es lange nicht mehr für den Haushalt der Stadt. In der Ratsdebatte zum Etat 2022 fielen dennoch viele mahnende Worte. Zwei Fraktionen stimmten dagegen.
Die große Schlacht um den städtischen Etat für 2022 war schon eine Woche vorher geschlagen worden: Mehr als acht Stunden hatte der Finanzausschuss am 9. Dezember getagt und dabei jede Menge Wünsche der Ratsfraktionen für mehr als 10 Millionen Euro zusätzlich im Haushaltsplan untergebracht.
Im Rat dauerte die abschließende Beratung am Donnerstag (16.12.) dann nur noch knapp zwei Stunden. Am Ende wurde der Plan für Einnahmen und Ausgaben der Stadt mit breiter Mehrheit nur gegen die Stimmen von FDP/Bürgerliste und AfD verabschiedet.
Es geht um sehr viel Geld: Der städtische Finanzplan für 2022 umfasst knapp 2,9 Milliarden Euro. Das geplante Haushaltsloch, das durch Rücklagen und eventuell Einsparungen im Laufe des Jahres ausgeglichen werden soll, beträgt 37 Millionen Euro. Die von der Verwaltung zunächst geplanten 28,9 Millionen Miese sind durch zusätzliche Haushaltsanträge der Fraktionen um knapp 10 Millionen Euro gewachsen.
Den größten Batzen im Haushalt machen wie üblich die Sozialkosten aus, ausgewiesen als „Transferleistungen“, mit 1,5 Milliarden Euro, gefolgt von Personalkosten in Höhe von fast 548 Millionen Euro. Aber auch Investitionen spielen eine große Rolle - im Haushalt 2022 mit 428,8 Millionen Euro vor allem für den Kita- und Schulbau.

Geschafft: Stadtdirektor und Kämmerer Jörg Stüdemann kann sich über eine breite Zustimmung für den städtischen Haushaltsplan für 2022 im Rat der Stadt freuen. © Oliver Volmerich
Corona-Kosten spielen aktuell keine Rolle. Die werden nach den Vorgaben des Landes in einem Extra-Haushalt geführt - für 2022 allein 63,3 Millionen Euro. Die Schulden, die dadurch entstehen, müssen dann ab 2025 über 50 Jahre abgetragen werden.
Kalkuliert wird mit einer Belastung von 424 Millionen Euro. Grünen-Fraktionssprecherin Ingrid Reuter sprach denn auch von einer „durchaus trügerischen finanziellen Situation“ durch die „dramatischen Folgen der Pandemie“.
Schlagabtausch im Rat
Davon unabhängig versuchten die Sprecher der Fraktionen in der Ratsdebatte ihre Schwerpunkte bei der Haushaltspolitik deutlich zu machen.
Der Haushalt 2022 setze „gute und richtige Schwerpunkte“, stellte SPD-Fraktionssprecherin Carla Neumann-Lieven fest. Er setze „die richtigen Akzente in den Bereichen Klimaschutz, Bildung, Freizeit und vielem mehr“.
Das ambitionierte Ziel der Stadt, bis zum Jahr 2035 Klimaneutralität zu erreichen, verlange allerdings große Anstrengungen von Verwaltung, Politik und Bürgerinnen und Bürgern. „Wir alle werden unser Leben und unsere Gewohnheiten hinterfragen und auch in Teilen umstellen müssen“, sagte Neumann-Lieven.
Sie mahnte dabei auch eine soziale Komponente an. „Es gilt, immer ein Auge auf die sozialen Auswirkungen unserer Entscheidungen im Bereich der Klimapolitik zu werfen und Härten abzufedern“, sagte des SPD-Politikerin.
Als positive Beispiele, um bürgerschaftliches Engagement zu unterstützen, nannte sie Förderfonds etwa für die Begrünung von Garagendächern und Fassaden, zur Wärmegewinnung durch Geothermie und Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser und Überflutungen.
Besondere Anstrengungen zum Klimaschutz mahnte auch Grünen-Fraktionssprecherin Ingrid Reuter an. „Stärker noch als die Pandemie ist der Klimawandel das zentrale Überlebensthema der Menschheit. Und es muss mindestens genauso entschieden bekämpft werden wie die Corona-Pandemie“, sagte die Grünen-Politikerin. „Jeder Tag, jede Woche, jeder Monat ohne Veränderung der bisherigen Politik, ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen entfernt uns weiter von der Möglichkeit, das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.“
Als Beispiele für städtische Maßnahmen, die die Grünen in der „Projektpartnerschaft“ mit der CDU vorgeschlagen haben, nannte Ingrid Reuter eine kommunale Klimaschutzagentur, eine Task-Force zur Förderung des Radverkehrs und neue Angebote im öffentlichen Nahverkehr wie Ringbus- und Regionalbus-Linien.
Klimaschutz und soziale Sicherheit seien keine Gegensätze, merkte Ingrid Reuter an. Deshalb gebe es auch viele Initiativen im Antragspaket von Grünen und CDU für soziale Initiativen. Dazu gehöre etwa die Erweiterung der Beitragsfreiheit für einkommensschwächere Familien für die Kinderbetreuung.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jendrik Suck sparte nicht mit Lob - für die Arbeit der Verwaltung, aber auch die eigene Fraktion und die Projektpartnerschaft mit den Grünen. Die sei „Motor und politische Ideenschmiede im Stadtrat“, sagte Suck. „Die nach der Kommunalwahl veränderten politischen Verhältnisse spiegeln sich auch im Haushalt wider.“
Suck hob als Beispiele für erfolgreiche Vorschläge ein mit 2 Millionen Euro ausgestattetes „Schwammstadt“-Konzept gegen Hochwasser-Gefahren etwa durch Entsiegelung von Flächen, ein Programm gegen Angsträume und eine Familienkarte für städtische Einrichtungen hervor.
Hart ins Gericht ging Suck mit Oberbürgermeister Thomas Westphal - und knüpfte dabei an die inzwischen zurückgezogene Vorlage Westphals für eine neue Stadtstrategie an. Die Selbstinszenierung des Oberbürgermeisters in sozialen Medien stehe im Widerspruch zu seiner „Sprachlosigkeit gegenüber dem Rat“. „Wir würden uns freuen, wenn wir mehr Dialog und weniger Thomas-Show erleben würden“, sagte Suck.
Der Sprecher von Linke+ Utz Kowalewski begründete, warum seine Fraktion erstmals dem Haushalt zustimmt. „Der Haushalt ist in den Grundkennzahlen solide“, stellte Kowalewski fest. Wichtig sei seiner Fraktion etwa die Ausweitung von Stellen und Ausbildungsplätzen in der Stadtverwaltung. Größte Veränderung sei die massive Ausweitung der Investitionen in Schulen und Kitas.
Als wichtige Punkte hob Kowalewski die Bemühungen zur Bekämpfung der Wohnungsnot und die Förderung von sozialen Einrichtungen hervor. Mit dem von seiner Fraktion vorgeschlagenen Masterplan Ernährung wolle man die Essensversorgung in Schulen und Kitas verbessern, regionale Kreislaufwirtschaft und ökologische Landwirtschaft fördern.
Keine Zustimmung zum Haushalt gab es von der Fraktion FDP/Bürgerliste. Es seien keinerlei Ambitionen zu erkennen, in den nächsten Jahren einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen, monierte Fraktionssprecher Michael Kauch.
In seine Kritik bezog er auch die anderen Fraktionen ein, die den städtischen Haushaltsentwurf mit Anträgen noch um 10,9 Millionen aufgestockt hatten. Ihm fehlten Vorschläge zur Gegenfinanzierung, erklärte Kauch: „Die Kohle wird rausgehauen, als gäbe es kein Morgen.“ Die klimapolitischen Vorschläge der anderen Fraktionen nannte er reine Symbolpolitik, mit der das Ziel der Klimaneutralität bis 2035 nicht zu erreichen sei.
Als Hauptübel machte der FDP-Politiker aber den Stellenzuwachs in der Verwaltung mit steigenden Personalkosten aus. Allein 373 neue Stellen seien für 2022 geplant. Der Antrag seiner Fraktion, jede sechste der aktuellen 600 unbesetzten Stellen zu streichen, habe keine Mehrheit gefunden. „Der Personalaufwuchs bringt den Haushalt der Stadt dauerhaft in Schieflage“, sagte Kauch.
Ebenfalls ein Nein zum Haushalt gab es von der AfD. Deren Fraktionsvorsitzender Heiner Garbe sprach von einem „Desaster für die Stadtfinanzen“, von „Klima-Spielereien und -Spinnereien“ und wetterte gegen Migration und Integrationspolitik.
Oliver Volmerich, Jahrgang 1966, Ur-Dortmunder, Bergmannssohn, Diplom-Journalist, Buchautor und seit 1994 Redakteur in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten. Hier kümmert er sich vor allem um Kommunalpolitik, Stadtplanung, Stadtgeschichte und vieles andere, was die Stadt bewegt.
