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Mehr Gemüse statt Fleisch – Dortmund will auch die Ernährungswende
Klimaschutz
Um seine Klimaziele zu erreichen, muss Dortmund neben der Verkehrswende auch die Ernährungswende schaffen – mit Auswirkungen auf die Landwirtschaft und das Ernährungsverhalten der Bürger.
Während der Weltklimagipfel in Glasgow um die Betriebsanleitung für die Umsetzung der Pariser Klimaziele hart ringen musste, ist Dortmund bereits einen Schritt weiter mit seinem rund 700 Seiten starken Handlungsprogramm zum Klimaschutz und zur Klimafolgenanpassung, das der Rat noch verabschieden muss.
Darin geht es um die Verkehrswende, um nachhaltiges Bauen, neue und effiziente Energie, saubere Luft und – neu im Vergleich zu den Vorläuferprogrammen – das Handlungsfeld „Landwirtschaft und Ernährung“; denn bei Klimaschutz und Luftreinhaltung geht es um mehr als um die Umsetzung vor allem technischer Maßnahmen.
Um Klimaneutralität bis 2045 für Dortmund zu erreichen – so lautet das Ziel der Verwaltung, das Grüne und CDU allerdings auf 2035 verschärfen wollen – muss ein grundlegender Bewusstseinswandel in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens stattfinden. Dafür sind die Bürger die wichtigste Zielgruppe, vor allem was die Ernährung und eine nachhaltigere Lebensweise betrifft.
225.140 Tonnen CO2 könnten eingespart werden
Von den zurzeit insgesamt rund vier Millionen Tonnen CO2, die Dortmund im Jahr ausstößt, könnten bis 2030 bei Landwirtschaft und Ernährung 225.140 Tonnen eingespart werden, davon 4600 Tonnen bei der Landwirtschaft (bezogen auf nicht Energie-bedingte Emissionen), 82.900 Tonnen durch weniger Lebensmittelverschwendung und sogar 137.640 Tonnen durch eine Ernährungswende.
Landwirtschaftlich genutzte Flächen machen in Dortmund 23 Prozent des Stadtgebiets aus. Zu den CO2-Emissionen tragen hier insbesondere der Silo- bzw. Grünmaisanbau und die Viehhaltung bei. In Dortmund haben 66 von 102 Bauernhöfen (Stand 2018) auch Vieh. Davon sind 13 reine Viehhaltungsbetriebe, und wiederum davon fünf halten mehr als 100 Tiere. Der überwiegende Teil der Betriebe hält Rinder, gefolgt von Schafen und Schweinen. Milchkuh-Betriebe gibt es lediglich zwei in Dortmund.
Insgesamt belaufen sich die nicht-energiebedingten CO2-Emissionen des Dortmunder Ackerbaus auf 11.850 Tonnen pro Jahr und bei der Viehhaltung auf 3060 Tonnen. Obwohl in etwa ähnlich viele Schweine und Schafe in Dortmund gehalten werden, sind die Emissionen durch Rinder aufgrund ihrer Verdauung und den damit verbundenen Methan-Emissionen um ein Vielfaches höher.
Positive Klimaeffekte durch Öko-Landwirtschaft
Die ökologische Landwirtschaft bringt positive Klimaeffekte. In Dortmund gibt es drei Betriebe nach ökologischen Prinzipen, die 5,5 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Dortmund bewirtschaften. Mit einer ressourcenschonenden Bewirtschaftung aller Anbauflächen in Dortmund und der Erhöhung der ökologischen Anbaufläche auf 25 Prozent bis zum Jahr 2050 könnten so schätzungsweise die derzeitigen nicht Energie-bedingten Emissionen um knapp 40 Prozent sinken.
Zur Minderung der nicht-energiebedingten CO2-Emissionen der Viehhaltung beziehungsweise der Erzeugung tierischer Produkte reichen die Ansatzpunkte von Futter mit weniger Stickstoff- und Methanemissionen über züchterische Maßnahmen bis hin zu Management und haltungstechnischen Maßnahmen.
Einen deutlich größeren Einfluss auf die CO2-Bilanz hat jedoch das Ernährungsverhalten der Bevölkerung. In Dortmund ernähren sich – von Bundesdurchschnittswerten auf die Einwohnerzahl Dortmunds heruntergebrochen – knapp 6000 Menschen vegan, 30.200 vegetarisch, rund 332.000 fleischreduziert und knapp 235.0000 fleischbetont.
Ernährungsumstellung
Nach dem Handlungsprogramm zum Klimaschutz liegt ein vergleichsweise hohes Potenzial in der Umstellung von einer fleischbetonten zu einer flexitarischen
Ernährungsweise (weniger Verzehr tierischer Lebensmittel). Sie könnte die ernährungsbedingten CO2-Emissionen in Dortmund um zehn Prozent senken, bei einer vegetarischen oder veganen Ernährungsweise um 30 Prozent
beziehungsweise sogar 43 Prozent.
Zum Erreichen der Klimaschutzziele heißt das unter dem Strich für Landwirtschaft und Ernährung: Es müssen mehr Nahrungs- als Futtermittel angebaut werden und die Bürger müssen ihre überwiegend tierische Ernährung auf pflanzliche umstellen. Bei dieser „Ernährungswende“ soll ein noch zu gründender Ernährungsrat helfen.
Im Schulterschluss mit der Stadtgesellschaft will Dortmund so ein nachhaltiges lokales Ernährungssystem aufbauen und gleichzeitig die lokale Vermarktung sowie die regionale Erzeugung von Nahrungsmitteln stärken.
Nur wenig Anbau von Obst und Marktgemüse
Allerdings baut die derzeitige Landwirtschaft nur wenige direkt für
Dortmund nutzbare Nahrungsmittel wie Marktgemüse oder Obst an, und die Pachtverträge der städtischen Landwirtschaftsflächen bieten derzeit wenig Raum für Innovationen. Darüber hinaus sind regionale Angebote für die Verbraucher wenig sichtbar. Das zu ändern wird eine Aufgabe des Ernährungsrates sein.
Außerdem soll die Stadtverwaltung selbst mit gutem Beispiel vorangehen mit klimafreundlicher, gesunder Ernährung in städtischen Einrichtungen wie Kantinen, Kitas und Schulen. In Dortmund gibt es fünf öffentliche Kantinen und 159 Schulen. Würden an allen Schulen wöchentlich zwischen 75 und 200 Gerichte durch vegetarische Gerichte ersetzt, ergäben sich daraus Einsparpotenziale zwischen 87,5 und 318 Tonnen Co2-Emissionen pro Jahr.
Die Stadt hat bereits damit begonnen. Die Kantinen bieten Stadtbeschäftigten eine vegetarische oder vegane Mittagessen-Option, achten auf den Kauf saisonaler und regionale Produkte sowie auf kurze Lieferwege und Zertifizierungen aus der Nachhaltigkeit. Das meiste Fleisch wird beispielsweise aus Metzgereien aus Dortmund, Lünen, Münster und Nümbrecht erworben.
Keine Einwegkaffeebecher mehr
Einwegkaffeebecher werden nicht mehr angeboten. Weiterhin werden Bestände an Styroporverpackungen in Betriebsrestaurants nach und nach aufgebraucht und durch Zuckerrohr-Behältnisse oder mitgebrachte Mehrwegverpackungen ersetzt.
Der städtische Kita-Betreiber Fabido geht als erster städtischer Träger der Kindertageseinrichtungen die Umstellung hin zu einer klimafreundlichen, gesunden Verpflegung bereits aktiv an.
Ein weiterer großer Posten zur CO2-Einsparung ist die Lebensmittelverschwendung. Von den jährlich etwa 86.300 Tonnen Lebensmittelabfällen sind etwa 44.900 Tonnen ungegessene Lebensmittel den privaten Haushalten zuzurechnen. Setzt man diese in Bezug zu die damit
verbundenen CO2-Emissionen, entstehen insgesamt 188.400 Tonnen CO2 pro Jahr über alle Sektoren. Davon sind 98.000 Tonnen CO2 den privaten Haushalten zuzuschreiben.
Würde man laut Handlungsprogramm die Lebensmittelverschwendung in Dortmund durch Maßnahmen auf jene reduzieren, die unvermeidbar sind, könnte Dortmund insgesamt gut 38.000 Tonnen Lebensmittelabfälle pro Jahr vermeiden und somit 82.900 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen, davon 43.100 Tonnen CO2 im Bereich der privaten Haushalte.
Klimaneutralität bis 2035
- Im Jahr 2011 hat der Rat der Stadt Dortmund das Handlungsprogramm Klimaschutz 2020 beschlossen.
- Mit diesem Programm wurden die vielfältigen Aktivitäten zum Umwelt- und Klimaschutz in Dortmund erstmalig zusammengefasst und strategisch auf das Ziel „Klimaneutralität“ ausgerichtet.
- Auf der Basis des Handlungsprogramms Klimaschutz 2020 beschloss der Rat der Stadt Dortmund das Ziel der Klimaneutralität bis um Jahr 2050. Für die Jahre 2020 (minus Prozent gegenüber dem Stand von 1990) und 2030 (minus 55 Prozent gegenüber 1990) wurden Zwischenziele auf diesem Weg beschlossen.
- Mit dieser Zielsetzung folgte der Rat der Stadt Dortmund den nationalen Zielvorgaben der Bundesregierung.
- Im Mai 2021 hat die Bundesregierung in ihrem Klimaschutzgesetz die nationalen Zielwerte für den Klimaschutz verschärft: Klimaneutralität soll bereits bis 2045 erreicht werden, sodass auch die Zwischenziele angepasst werden müssen. Bis 2030 sollen im Vergleich mit 1990 65 Prozent (statt vorher 55 Prozent), bis 2040 88 Prozent(statt vorher 70 Prozent erreicht werden.
- Die Stadtverwaltung hat daraufhin das Ziel Klimaneutralität ebenfalls auf 2045 angepasst, Grüne und CDU im Rat wollen das Ziel bereits für 2035 festschreiben.
Stellvertretende Leiterin der Dortmunder Stadtredaktion - Seit April 1983 Redakteurin in der Dortmunder Stadtredaktion der Ruhr Nachrichten. Dort zuständig unter anderem für Kommunalpolitik. 1981 Magisterabschluss an der Universität Bochum (Anglistik, Amerikanistik, Romanistik).
