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Nach Streit um sein Dortmund-Leitbild: OB Westphal zieht die Konsequenzen
Stadtstrategie
Mit seinem Leitbild für Dortmund ist OB Westphal im Rat gegen die Wand gelaufen. Die Politik weigerte sich, sein Konzept kommentarlos abzuhaken. Jetzt läutet Westphal überraschend die Kehrtwende ein.
Ingrid Reuter hätte sich fast die Augen gerieben. „Damit hatten wir nicht gerechnet“, sagt die Grünen-Fraktionschefin. Ihr Erstaunen gilt einem Schreiben von Oberbürgermeister Thomas Westphal, das auch die anderen Ratsfraktionen erreicht hat.
Darin lädt der OB alle Ratsmitglieder für Mittwoch (9. Februar) zur Teilnahme an einem „1. Forum Stadtstrategie“ ein. Es soll digital abgehalten werden. Dabei stellt Westphal eine offene und breite Diskussion über das Leitbild der Stadt Dortmund in Aussicht. Als Stadtverwaltung, heißt es in der Einladung, stehe man inmitten vieler Veränderungen – und in der Verantwortung.
„Deshalb möchte ich Sie einladen, über diese Herausforderungen und die Strategie der Stadt miteinander ins Gespräch zu kommen“, schreibt Westphal. Als Plattform habe man dafür das „Forum Stadtstrategie“ entwickelt.
Rat sollte ursprünglich nicht mitreden dürfen
„Der OB scheint jetzt erkannt zu haben, dass es notwendig ist, auf die Politik zuzugehen“, kommentiert CDU-Fraktionschef Henrik Suck. Mit seinem überraschenden Angebot für eine großangelegte Debatte über die künftige Ausrichtung der Stadt Dortmund läutet Westphal eine völlige Kehrtwende ein. Denn: Eigentlich wollte Westphal den Ratsgremien keine Mitsprache bei seinem Leitbild „Dortmund – Großstadt der Nachbarn“ einräumen.
Die Politik sollte die Ende 2021 aus dem OB-Büro vorgelegte Stadtstrategie lediglich „zur Kentnnis nehmen“ – und möglichst schweigen. Das provozierte erheblichen Ärger. Vor allem CDU und Grüne fühlten sich überrumpelt. Und schrieben dem OB ins Stammbuch, dass die strategische Ausrichtung der Stadt qua Gemeindeordnung originäre Sache des Rates sei.
Das Ende vom Lied: Die Politik legte von Westphal gewünschte 835.000 Euro für seine Stadtstrategie erst einmal auf Eis. Und versah vier unbesetzte Stellen im OB-Amt mit einem Sperrvermerk.
OB: „Auf diesem Weg schaffen wir den nötigen Raum“
Sie sollen laut CDU-Fraktionsvize Sascha Mader erst freigegeben werden, wenn der Rat über die Leitlinien befunden hat. Gleichzeitig forderte der Rat die Verwaltung mehrheitlich auf, den Gremien im ersten Quartal 2022 ein neues Leitlinienpapier zum Thema „Stadtziele für Dortmund“ vorzulegen – dann aber ein Papier, das von der Politik explizit beschlossen werden muss. Reaktion von Westphal: Er zog seine Vorlage aus allen Ratsausschüssen zurück.
Jetzt also die Einladung zur großen Debatte. „Dieses Forum wird alle Grundsätze und Fachthemen der Stadtstrategie dauerhaft vorstellen und erörtern“, teilt Westphal auf Anfrage mit.
Es diene als Plattform zur Verständigung und für den Austausch zwischen Rat und Verwaltung zur Zukunft der Stadt. Dabei würden ausgewiesene Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis eingeladen. „Ich bin sicher, auf diesem Weg schaffen wir den nötigen Raum für die Erörterung der Ziele und Maßnahmen einer guten Stadtstrategie“, so Westphal in seiner Stellungnahme.
SPD: „Wichtig, die Beteiligung der Fraktionen einzufordern“
Beifall kommt nun auch aus der SPD-Fraktion, die sich bei dem bisherigen Streit eher zurückhaltend geäußert hatte. Es sei „wichtig, die Fraktionen bei der Entwicklung einer Stadtstrategie nicht nur mitzunehmen, sondern ihre Beteiligung einzufordern und zu ermöglichen“, so Fraktionschefin Carlas Neumann-Lieven in ihrer Stellungnahme. „Dies geschieht nun.“
„Wir sind gespannt, wo der OB hin will“, sagt CDU-Fraktionschef Suck. Er wünsche sich beispielsweise eine Diskussion über die Gewichtung einzelner Themen. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Themen aus dem Leitbild rausfliegen und neue hinzukommen“, sagt Suck.
Forumsveranstaltung: Die Politik soll erstmal zuhören
Grünen-Sprecherin Reuter merkt bereits Diskussionsbedarf in Sachen Klimaschutz an. Das Thema dürfe nicht allein auf die Arbeitswelt verengt werden, da es quasi alle Bereiche betreffe. „Dabei müssen auch soziale Aspekte bedacht werden“, merkt Reuter an. Und: Abhängig von den Inhalten, könne es auch zu einem neuen Titel kommen, der „Dortmund – Großstadt der Nachbarn“ ersetze. „Die Überschrift muss sich aus den Inhalten speisen“, sagt Reuter. Sie sehe das kommende Forum lediglich als Auftakt für eine Reihe ähnlicher Formate an.
Zunächst einmal ist geplant, die Politik zuhören zu lassen. Als ersten Redner am 9. Februar bietet der OB den Soziologen Prof. Dr. Dirk Baecker von der Uni Witten/Herdecke auf. Sein Thema: „Die nächste Organisation – Warum sich Verwaltung ändern muss.“ Danach gibt es eine weitere Einführung zu „Strategie und Verwaltung – wie geht das?“
Das wollen gleich drei Redner erklären: Neben dem Arnsberger Regierungspräsidenten Hans-Jochen Vogel steigt auch die Verwaltungssoziologin Lena Baumgart (Uni Potsdam) in den Ring. Der dritte im Bunde ist Prof. Michael ten Hompel. Chef des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik.
Im Anschluss sind dann die Chefs der Dortmunder Ratsfraktionen aufgefordert, ihre Stellungnahmen abzugeben. Danach soll „offen diskutiert“ werden. Zwei Stunden sind für die digital ausgerichtete Veranstaltung angesetzt: von 18 Uhr bis 20 Uhr.
Jahrgang 1961, Dortmunder. Nach dem Jura-Studium an der Bochumer Ruhr-Uni fliegender Wechsel in den Journalismus. Berichtet seit mehr als 20 Jahren über das Geschehen in Dortmunds Politik, Verwaltung und Kommunalwirtschaft.