Marco Bülow: So begründet er seinen Austritt aus der SPD

Parteiaustritt

In einem achtseitigen Schreiben erklärt der Bundestagsabgeordnete Marco Bülow seinen SPD-Austritt. Bülow tut dies „nach reiflicher Überlegung, ohne Häme, aber ernüchtert und auch traurig“.

Dortmund/Berlin

, 27.11.2018, 09:33 Uhr / Lesedauer: 2 min
Marco Bülow, SPD-Bundestagsabgeordneter für Dortmund bei einem Interview im Oktober.

Marco Bülow, SPD-Bundestagsabgeordneter für Dortmund bei einem Interview im Oktober. © Tilman Abegg (Archiv)

Das Papier, das unserer Redaktion vorliegt, ist ein Brandbrief eines linken Sozialdemokraten, der sich in seiner Partei, in der er 26 Jahre lang Mitglied war, nicht mehr wiederfindet. Bülow schreibt, er sei voller Tatkraft und wolle Politik weiterhin gestalten, auch außerhalb der SPD bleibe er Sozialdemokrat. Doch abgesehen von dieser gemeinsamen Überschrift verbindet Bülow offenbar nur noch wenig mit seinen Genossen. Besonders mit der Parteispitze geht der 47-Jährige hart ins Gericht.

„Verrat von Idealen“

„Meine sozialdemokratischen Ideale werden immer mehr verraten, mein Gewissen so stark beansprucht, dass ich die Partei nicht mehr über alles stellen darf – auch wenn es bedeutet, meine berufliche Position und persönliche Perspektive zu gefährden.“ Die Ideale und Werte (der sozialdemokratischen Idee) müssten verteidigt werden, nicht in erster Linie eine Struktur oder die Personen an der Spitze.

Link: Die Erklärung von Marco Bülow zu seinem Austritt aus der SPD im Volltext

In einer zweiteiligen persönlichen Analyse erläutert Bülow dann den Zustand der Partei. Er beginnt mit „grundsätzlichen Punkten“, die er bereits in der Vergangenheit vereinzelt öffentlich geäußert hat. In der jetzt vorliegenden Bündelung zeichnet Bülow ein desaströses Bild der SPD: Bei ihr handele es sich um eine „mutlose Partei ohne klare Haltung“, die lediglich den „Kompromiss vom Kompromiss vom Kompromiss“ erreiche, der keine wirkliche Wirkung entfalte.

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Der Parteilinke, der seit 2002 für die SPD im Bundestag saß, wirft seiner Partei vor, „keine Vision, keine Kapitalismuskritik und keine Alternative“ zu entwickeln. Die Politik des Neoliberalismus habe die SPD in „üblen Momenten mit angeheizt, teilweise sogar erst möglich gemacht und in guten Momenten war sie zuletzt ein Reparaturbetrieb, um die schlimmsten Auswirkungen des Systems abzumildern.“

„Niemand zieht die Notbremse“

Bereits im Februar 2018 hatte Bülow gegenüber unserer Redaktion gewarnt, dass die 20 Prozent der Wählerstimmen, bei der die Partei damals stand, noch nicht die Talsohle sei. Heute steht die SPD bei 13 oder 14 Prozent. Diese Entwicklung sei ein „Absturz ohne Lerneffekt“. „Selbst jetzt, im freien Fall, (…), gibt die gesamte Führung keinen Fehler zu, zieht niemand die Notbremse.“

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Die Parteistruktur sei „überholt und schwerfällig“, Themen seien „unklar und nicht mehr glaubwürdig“, die Partei sei zu einem Wahlverein geworden, in dem „dieser Wahlverein nichts zu kritisieren“ habe und Anträge der Parteibasis „nicht mehr den Weg nach oben schaffen“.

Austritt als Weckruf

Ein Punkt, den so auch viele Sozialdemokraten in den Ortsvereinen in Dortmund kritisiert hatten und denen der Austritt Bülows weh tun dürfte. „Wegen dieser Mitglieder, die doch so gern wieder stolz sein würden auf ihre Partei, die nicht immer nur das kleinere Übel verteidigen wollen“, tue es ihm besonders leid, schreibt Bülow. Und weiter: „Vielleicht öffnen sich doch noch einige Augen, werden doch noch einige wach, wenn Menschen wie ich Konsequenzen ziehen.“

Inhaltliche Kritik an der Partei

Inhaltlich wirft Bülow der SPD unter anderem den Bruch des Koalitionsvertrages, die Zementierung der Ungleichheit in Deutschland und die Vernachlässigung des Klima- und Umweltschutzes vor. Die Partei habe „keine ausreichenden Konzepte für den Arbeitsmarkt und bezahlbares Wohnen“, der Lobbyismus werde nicht eingedämmt, und dass ein Sozialdemokrat das Finanzministerium führt, sei nicht spürbar.

Reaktion der Dortmunder SPD

Mit Bedauern reagierte der geschäftsführende SPD-Vorstand in Dortmund den Austritt Bülows, betonte aber gleichzeitig, dass die SPD nun von Bülow erwarte, dass dieser sein Mandat als Bundestagsabgeordneter zurückgebe.

Auch weitere Parteifreunde Bülows haben bereits auf den Parteiaustritt reagiert:

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Bülow will sich am Dienstag um 11 Uhr bei einer Pressekonferenz in Berlin erklären.

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