Kirche und Missbrauch: Dortmunder Propst mit deutlicher Forderung

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Kirche und Missbrauch: Dortmunder Propst mit deutlicher Forderung

rnMissbrauchsskandal

Die katholische Kirche steckt in einer tiefen Krise. Immer neue Enthüllungen über sexuellen Missbrauch erschüttern das Vertrauen. Dortmunds Propst Andreas Coersmeier findet dazu deutliche Worte.

Dortmund

, 29.01.2022, 08:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Missbrauchs-Gutachten, Kritik an Amtsträgern, ein ehemaliger Papst mit Erinnerungslücken - Hiobsbotschaften gibt es fast täglich für die Vertreter der katholischen Kirche. Der Umgang der Kirche mit dem Thema sexueller Missbrauch ist zurzeit Thema in allen Gremien, stellt Propst Andreas Coersmeier als Dortmunder Oberhaupt der katholischen Stadtkirche fest.

Für ihn ist aber auch klar: „Es muss thematisiert werden“, sagt Coersmeier klar und deutlich. Deshalb ärgert er sich darüber, dass die Wahrheit über sexuellen Missbrauch durch Kirchenleute und den Umgang der Vorgesetzten damit nur scheibchenweise ans Licht kommt.

Im Fokus steht dabei nach einem am 19. Januar vorgestellten Gutachten zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Erzbistum München erneut auch der emeritierte Papst Benedikt XVI.. Er musste zugeben, in einer ersten Stellungnahme die Unwahrheit gesagt zu haben.

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Dabei ging es um die belegte Teilnahme als Kardinal von München an einer Sitzung im Jahr 1980, bei der es um den Umgang mit einem Seelsorger ging, der des sexuellen Missbrauchs an Kindern überführt worden war. Joseph Ratzinger hatte zunächst bestritten, an dieser Sitzung teilgenommen zu haben. Später sprach er von einem „Fehler“ und redaktionellen Versehen in der Stellungnahme.

Umgang macht sprachlos

Coersmeier machen diese Vorgänge schlicht „sprachlos“. Es können nicht sein, dass Eingeständnisse immer erst dann kommen, wenn der Sachverhalt nachgewiesen sei. „Warum geht man damit nicht offen um?“, fragt der Propst. Und er fordert: „Die Kirche muss offensiv damit umgehen, dass es Missbrauch gibt.“

„Bei Kirche geht es immer um Glauben und Vertrauen“, stellt Coersmeier fest. „Das muss wieder hergestellt werden.“ Impulse und „Hoffnungszeichen“ erhofft er sich dabei vom Synodalen Weg, dem Dialogforum verschiedener Ebenen der katholischen Kirche in Deutschland. Dessen dritte Synodalversammlung findet Anfang Februar in Frankfurt statt. Ein Thema ist dabei auch ein aktueller Bericht zu Aufarbeitung und Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der Kirche.

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Alarmiert haben werden die Kirchenvertreter dabei auch die aktuellen Bilanzen zu Kirchenaustritten im vergangenen Jahr, die teilweise neue Rekordhöhen erreicht haben. In Dortmund haben 2021 insgesamt 3689 Menschen der Kirche den Rücken gekehrt, wobei in der Statistik nicht zwischen den Konfessionen unterschieden wird. Das ist nur knapp unter dem bisherigen Rekordjahr 2019 mit 3809 Kirchenaustritten.

Neue Austrittswelle

Das zuständige Amtsgericht berichtet aber auch, dass bei der Kirchenaustrittsstelle in den letzten Wochen eine verstärkte Nachfrage nach Terminen feststellbar sei. Ein Zusammenhang mit den letzten Vorkommnissen rund um Missbrauchs-Gutachten bei der katholischen Kirche liegt nahe.

„Der Schreibtisch ist voll“, bestätigt Coersmeier mit Blick auf Mitteilungen über Kirchenaustritte, die das Stadtkirchenbüro im Nachgang erhält.

Was ihn besonders betrübt: Es treten nicht nur Menschen aus, die der Kirche ohnehin nicht eng verbunden waren. „Die Austrittswelle ist in der Mitte der Kirche angekommen“, stellt der Propst fest. Selbst ehemalige aktive Gemeindemitglieder kehrten der Kirche den Rücken. „Das ist ein Alarmzeichen“, sagt Coersmeier.

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Klare Worte findet die katholische Stadtkirche in einer Stellungnahme der Konferenz der leitenden Pfarrer der katholischen Pastoralen Räume in Dortmund auch zum Outing von Kirchenleuten, die sich zu ihrer homosexuellen Orientierung bekannt habe. „Das ist ein mutiger Schritt, dem wir Respekt zollen“, sagt Coersmeier. „Alle Menschen sind in der Kirche willkommen. Die Kultur der Angst muss enden.“

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