Pfarrer Michael Ortwald ist fassungslos über die zuückhaltenden Eingeständnisse des emeritierten Papstes und sorgt sich um die Zukunft der Kirche.

© Stephan Schuetze

Missbrauchsskandal: Pfarrer Michael Ortwald erwartet Kirchenaustritte

rnKatholische Kirche

Der Ex-Papst Benedikt XVI. räumt indirekt ein, die Unwahrheit gesagt zu haben. Eine weitere Eskalation im Skandal der katholischen Kirche, die auch im Dortmunder Westen Sorgen bereitet.

Dortmunder Westen

, 25.01.2022, 17:48 Uhr / Lesedauer: 2 min

Erleben die katholischen Gemeinden im Dortmunder Westen eine neuerliche Kirchenaustrittswelle? Die sei absehbar, sagt etwa Pfarrer Michael Ortwald vom Pastoralverbund am Revierpark. Grund für die Annahme ist die weitere Eskalation im Missbrauchsskandal.

Am Mittwoch (19.1.) haben Anwälte ein Gutachten zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Erzbistum München veröffentlicht. Seitdem steht unter anderem auch der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Fokus. Fünf Tage nach der Veröffentlichung des Gutachtens gab Benedikt am Montag (24.1.) indirekt zu, im Gutachten die Unwahrheit gesagt zu haben.

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Dabei geht es um eine Sitzung im Jahr 1980, als Joseph Ratzinger noch Erzbischof von München war. In der Sitzung wurde über die Aufnahme des Priesters H. in das Erzbistum beraten. Der aus dem Bistum Essen stammende Geistliche H. war des sexuellen Missbrauchs an Kindern überführt.

„Die Leute sind entsetzt“

In München absolvierte er eine Therapie, wurde bald wieder in der Seelsorge eingesetzt und missbrauchte erneut Kinder. Ratzinger hatte zunächst bestritten, an dieser Sitzung teilgenommen zu haben. Am Montag sprach Benedikt XVI. nun von einem „Fehler“ und redaktionellen Versehen bei der Bearbeitung.

Die Begeisterung, die die Gläubigen dem deutschen Papst 2006 in München entgegenbrachten, ist Entsetzen und Trauer gewichen.

Die Begeisterung, die die Gläubigen dem deutschen Papst 2006 in München entgegenbrachten, ist Entsetzen und Trauer gewichen. © Uwe von Schirp

Michael Ortwald hat noch keine direkten Reaktionen in seiner Gemeinde vernommen, erklärt er auf Anfrage dieser Redaktion. Beim Gottesdienst am Sonntag (23.1.) im Altenheim sei der Skandal kein Thema gewesen.

„Es fehlt das Gespräch nach dem Gottesdienst vor der Kirchentür“, sagt er. Wegen der Corona-Auflagen denke er über eine Online-Konferenz für seine Gemeinden nach. „Aus dem Gefühl heraus nehme ich schon jetzt an, die Leute sind entsetzt.“

Verhalten schadet Kirche

Wie er selbst. „Ich bin entsetzt, dass man sich von vornherein nicht der Wahrheit stellt“, sagt er. Stattdessen reite sich Ratzinger weiter in Formulierungen rein, die eher aus anderen Bereichen wie der Politik bekannt seien. „Es ist blamabel, nicht zu seinen Fehlern zu stehen. Ich bin fassungslos.“

Das Verhalten schade der Kirche maßlos. Der Huckarder Pfarrer befürchtet weitere Kirchenaustritte. „Ich kann jeden Austritt nachvollziehen.“ Nicht jeder habe wie er die Kirche auch von ihrer positiven Seite kennengelernt.

Ortwald kritisiert das aktuelle Schweigen vieler deutscher Bischöfe. Nur wenige ließen „ihre Herde nicht im Nebel stehen“ – etwa die Bischöfe Helmut Dieser (Aachen), Franz-Josef Overbeck (Essen) oder Franz-Josef Bode (Osnabrück).

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Dabei gebe es seit 2015 klare Regeln im Umgang mit Missbrauchsfällen wie den Umgang mit Opfern, das Eingestehen von Schuld oder die Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaften. „Die Gesellschaft darf uns zu Recht an unseren Regeln messen“, sagt Michael Ortwald. „Es ist ärgerlich, dass man die selbst gemachten Regeln nicht einhält.“

„Kirche muss sich neu aufstellen“

Das Schweigen der Bischöfe kritisiert auch Pfarrer Guido Hoernchen vom Pastoralverbund Dortmunder-Westen. Er sei jedoch „froh und erleichtert, dass der emeritierte Papst seine Aussagen korrigiert hat“.

Am Freitag habe das Pastoralteam seiner Gemeinden das Thema diskutiert, aber auf eine Stellungnahme vorerst verzichtet. „Ich habe es aber in meine Predigten aufgenommen“, sagt Hoernchen. „Wir müssen uns als Kirche an vielen Stellen eingestehen, dass Fehler gemacht worden sind.“

Er habe Verständnis für die Traurigkeit und Betroffenheit der vielen Gläubigen. „Die Antwort ist: Wir müssen uns neu aufstellen.“ Die Gemeinden im Pastoralverbund West würden bereits Zeichen setzen, etwa im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren. „Wir segnen sie“, sagt Hoernchen.

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