Rechtsanwältin Gaby Lübben als Nebenklägerin im Gerichtssaal in Oldenburg. Dort muss sich unter anderem Dortmunds Ex-Klinikchef Rudolf Mintrop wegen der Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen verantworten. Die Taten selbst gehen auf das Konto des Ex-Krankenpflegers und Serienmörders Niels Högel. © picture alliance/dpa/dpa-Pool

Mintrop-Prozess

Im Prozess gegen Rudolf Mintrop kämpft diese Frau für die Mordopfer gegen 18 Rechtsanwälte

Eine Frau gegen 18 Verteidiger. Im Prozess, in dem sich neben anderen Dortmunds Ex-Klinik-Chef Rudolf Mintrop wegen Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen verantworten muss, vertritt sie ein Opfer.

Dortmund; Oldenburg

, 28.03.2022 / Lesedauer: 4 min

Sieben Angeklagte, die von 5 Rechtsanwältinnen und 13 Rechtsanwälten verteidigt werden, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite sitzt Gaby Lübben. Die 45 Jahre alte Rechtsanwältin aus Delmenhorst vertritt als Nebenklägerin Jürgen R., den Sohn des letzten Mordopfer des Serienmörders Niels Högel. Im Prozess gegen Högel hat sie ebenfalls die Opferseite vertreten.

Im jetzt laufenden Prozess geht es allerdings nicht mehr um Högel, der lediglich noch Zeuge in dem Verfahren geht, sondern um seine Vorgesetzten. Zu ihnen zählt auch Rudolf Mintrop, der bis Ende 2021 acht Jahre lang das Klinikum Dortmund geleitet hat.

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2001, als Niels Högel als Krankenpfleger im Klinikum Oldenburg arbeitete und dort erwiesenermaßen mindestens 31 Menschen tötete, war Rudolf Mintrop Geschäftsführer des Klinikums. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen in drei Fällen vor. Er habe mit Rücksicht auf den guten Ruf der Klinik alle Hinweise auf Verbrechen des Niels Högel ignoriert und trage somit eine Mitschuld am Tod dreier Menschen.

Gaby Lübben ist als Vertreterin der Nebenklage an jedem Verhandlungstag in der Weser-Ems-Halle dabei, in die das Landgericht Oldenburg wegen der Größe des Verfahrens ausgewichen ist. Wir sprachen mit der Juristin.

Frau Lübben, in diesem Verfahren vertreten Sie als Nebenklägerin nur noch Jürgen Röper, den Sohn des letzten Högel-Opfers, Renate Röper. Woran liegt das? Haben die anderen Betroffenen nach den vielen Jahren das Interesse an der Verfolgung der im Hintergrund möglicherweise Verantwortlichen aufgegeben?Nein, das liegt letztlich nur daran, dass die Anklage auf gewisse Fälle reduziert wurde und nicht mehr so viele Todesfälle angeklagt sind wie zuvor. Demzufolge sind natürlich auch weniger Menschen zur Nebenklage berechtigt.Dann ist Herr Röper der einzige, der übrig geblieben ist, weil der Fall seiner Mutter zu den jetzt zu verhandelnden Taten zählt?Genau. Er ist der einzige meiner bisherigen Fälle, der davon betroffen ist.

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Die 7 Angeklagten werden von einer ganzen Armada von insgesamt 18 hochkarätigen Rechtsanwälten vertreten. Was sagt Ihnen das? Wirkt das einschüchternd auf Sie und das Gericht, einer solchen Übermacht gegenüberzustehen?Ich sehe das nicht so. Wir sind alles Volljuristen. Wenn jemand meint, sich mehrere Verteidiger nehmen zu wollen, dann ist das sein gutes Recht. Mich schüchtert das nicht ein.

Sie haben sich bisher sehr zurückgehalten mit Statements und Fragen. Gibt es dafür einen besonderen Grund?Zum einen habe ich nur einen Nebenkläger zu vertreten und darauf konzentriere ich mich. Und das betrifft eben nur einen Todesfall, der angeklagt ist. Zudem sind viele Dinge aus den Vorprozessen schon bekannt, so dass ich da bisher keine Lücken und keinen Nachfragebedarf gesehen habe.So viele Rechtsanwälte zu bezahlen, verursacht enorme Kosten. Was sagt das über die Bedeutung dieses Prozesses?Letztlich sind hohe Kosten in diesem Themenkomplex nichts Neues. Wer welche Kosten zu tragen hat, hängt am Ende ja auch vom Urteil ab.

Warum ist aus Ihrer Sicht dieser Prozess besonders wichtig?Weil das ein Themenkomplex ist, der juristisch mitzuprüfen ist, was eine strafrechtliche Aufarbeitung und Verantwortungsprüfung angeht. Wir hatten uns ja bisher auf den Täter direkt konzentriert. Meiner Meinung nach ist es auch wichtig, dass das Umfeld betrachtet wird. Das ist die letzte Etappe, die unverzichtbar ist für die rechtliche Aufarbeitung und auch für die menschliche Bewältigung dieses ganzen Komplexes.Das gab es bisher in dieser Form so noch nie, dass sich Klinik-Vorgesetzte für die Tat eines Untergebenen ebenfalls verantworten müssen, oder täusche ich mich da?Zumindest ist mir kein Prozess bekannt, der diese Art eines Themenkomplexes zum Inhalt hatte. Mag sein, dass es so etwas schon gab, aber mir ist er nicht bekannt.

Täusche ich mich, oder setzen die Verteidiger tatsächlich auf die Karte, dass sie Zweifel an der Täterschaft von Niels Högel in den einzelnen angeklagten Taten, für die er ja bereits rechtskräftig verurteilt wurde, säen, nach dem Motto: Wenn die Tat Niels Högel nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, kann auch niemand wegen Beihilfe verurteilt werden?Ja ich denke schon, dass das eine Verteidigungsstrategie sein kann, aber wollen wir mal abwarten, ob sie damit auch durchkommen.

Wie ist Ihr Eindruck?Dazu will ich mich momentan, wo die Vernehmung von Herrn H. noch nicht abgeschlossen ist, nicht äußern.Sie haben als Nebenklägerin ja auch den Prozess gegen Niels Högel 2019 begleitet. Wie empfinden Sie es, dass jetzt dieselben Richter über dieselben Strafen noch einmal urteilen und dabei so tun müssen, als sei die Schuld von Niels Högel noch gar nicht erwiesen? Ist das nicht extrem merkwürdig?Merkwürdig finde ich das nicht. Ich finde es im Gegenteil sehr konsequent, wie der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann das bearbeitet und immer wieder zum Ausdruck bringt, dass das Verfahren bei Null anfängt. Für mich ist es normal, es so zu machen. Auf viele mag das befremdlich wirken, aber ich finde, so wie das Verfahren im Moment geführt wird, ist es korrekt.Das Gericht hat zugelassen, dass alle Beteiligten, also auch die Schöffen, bereits jetzt die bisher gegen Högel, auch von diesen Richtern ergangenen Urteile einsehen und lesen können. Halten Sie das für richtig oder ist die Kritik der Verteidiger, die darin eine unbillige Beeinflussung sehen, berechtigt?Ich halte es für richtig, diese Urteile im Selbstleseverfahren zur Kenntnis zu nehmen.Wie ist Ihre Einschätzung, wie wird der Prozess ausgehen? Wenn ich Hellseherin wäre, könnte ich Ihnen das sagen.

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